Heute ist Tag fünf meines Festivalbesuchs. Der Himmel ist blau, das Meer ebenso und die reichen Menschen, die mit ihren monströsen Luxus-Yachten an der Croisette ankern, arbeiten fleißig darauf hin (selten sieht man sie ohne ein Glas Schampus in der Hand).
Für mich standen heute zwei Pressekonferenz und drei Filme auf der Tagesordnung. In der Pressekonferenz zum Wettbewerbsfilm Mon Roi, den ich selbst noch nicht gesehen habe, sprachen die Darsteller über den Film und ihre Rollen. Regisseurin Maïwenn steckt Vincent Cassel, den man als anstößigen Trainer aus Black Swan (2010) kennt, in die Rolle eines Playboys, der nach mehreren Affären Emmanuelle Bercot zur Frau nimmt. Doch auch diese Beziehung steht schon bald dem Ende nahe…
Im Anschluss stellten Cate Blanchett (Der Herr der Ringe) und Rooney Mara (Side Effects) das lesbische Liebesdrama Carol, ebenfalls im Wettbewerb, vor und plauderten munter über Hemmungen beim Drehen von Liebesszenen und die Gleichberechtigung von Homosexuellen damals und heute.
Regisseur Todd Haynes arbeitete bereits in I´m not there (2007) mit Blanchett und verfilmte mit Carol nun einen Roman von Patricia Highsmith über eine anrüchige Affäre zwischen zwei Frauen im Amerika der 1950er Jahre. Die anwesenden Schauspieler und Produzenten versprachen einen sehr persönlichen Film mit viel Anmut und Emotionen. Morgen werde ich mir selbst anschauen, ob er hält, was seine Darsteller versprechen.
Der erste Film des Tages war der bereits erwähnte The Sea of Trees, der angeblich bei seiner Premiere in Cannes Buhrufe erntete. Sollte dem so gewesen sein, kann ich das für meinen Teil nicht bestätigen. Obwohl die Story um Autor Arthur (Matthew McConaughey), der sterben möchte und sich dafür einen besonderen Platz aussucht, an sich nichts Neues bietet, wurde ich die gesamte Filmdauer über gut unterhalten. In Rückblenden erfahren wir von den Eheproblemen mit seiner Frau (Naomi Watts) und auch die Gegenwart hält Spannung und eine einmalige Kulisse parat.
Auf Film Nummer zwei habe ich mich besonders gefreut: Die Dokumentation Amy über die Ausnahmesängerin Amy Winehouse. Regisseur Asif Kapadia skizzierte in zwei Stunden die acht Jahre Musikkarriere des Londoner Stimmwunders. Zitate von Freunden und Familienmitgliedern geben den zahlreichen Videos und Fotos eine persönliche Note sowie einen Einblick in Amy Winehouse als verletzlichen Menschen. Nach der Doku verbindet man jeden ihrer Songs mit einer bestimmten Lebensphase von ihr. Gut gefallen hat mir, dass der Regisseur sich nicht zu lang mit der Schuld – oder Opferfrage aufhielt, sondern das essentielle Merkmal fokussiert, das Amy für die Nachwelt hinterließ: Ihr großartiges Gesangstalent.
Nachdem ich mal wieder einen Blick auf den roten Teppich erspähte und gerade das Team von Carol vor den Fotografen posierte, nahm der Abend einen schönen Ausklang. Nach den meist ernsten und teilweise erschütternden Themen sah ich mir die Premiere von Asphalte von Samuel Benchetrit an, der außerhalb des Wettbewerbs lief.
Das gesamte Team um Isabelle Hubbert Michael Pitt war ebenfalls dabei. Die französische Komödie vereinte drei irrwitzige Geschichten miteinander, die sich in ein und demselben Haus abspielten. Eine in die Jahre gekommene Schauspielerin, die sich mit einem Jugendlichen anfreundet, ein „schiffbrüchiger“ Astronaut, der auf dem Hausdach landet und ein Rollstuhlfahrer auf Zeit, dem der Fahrstuhl verboten wurde.
Alle drei Geschichten erzählen von Außenseitern, sie gehen ans Herz und sind noch dazu wahnsinnig komisch. Das war Arthauskino vom Feinsten!
Bis morgen, MaryChloe