Heute gibt’s den zweiten Teil meines Berichts von der 67. Berlinale in dem ich euch meine Filmhighlights vorstelle. Nachdem wir schon einen Blick auf T2 Trainspotting von Danny Boyle und Final Portrait von Stanley Tucci geworfen haben, widmen wir und heute den Filmen von zwei Regisseuinnen, von denen einer im Wettbewerb läuft und sich große Hoffnungen auf einen der begehrten goldenen Bären machen kann. Doch vorerst stell ich euch Viceroy’s House von der indisch-englischen Filmemacherin Gurinder Chadha vor.
Kurz vor Ende der britischen Kolonialherrschaft in Indien wird Lord Mountbatten (Hugh Bonneville), Urenkel von Queen Victoria, als letzter Vizekönig eingesetzt um den Übergang des Landes in die Unabhängigkeit zu überwachen. Zusammen mit Ehefrau (Gillian Anderson) und Tochter (Lily Travers) zieht er nach Delhi ins Viceroy’s House ein. Als es an die Entscheidung geht wie Indiens Zukunft aussehen soll, kommt es schnell zu Auseinandersetzungen zwischen Hindus, Muslimen und Sikhs. Auch unter den 500 Mitarbeitern des Palastes kommt es zu Unruhen.
Mitten in den Wirren des Umbruchs finden der junge Hindu Jeet (Manish Dayal) und die muslimische Angestellte Aalia (Huma Qureshi) zueinander. Hin- und hergerissen zwischen den eigenen Glaubensgemeinschaften und der Ungewissheit ihrer Zukunft kämpfen Jeet und Aalia um ihre Liebe, während ihre Heimat zu zerbrechen droht…
Regisseurin Gurinder Chadha, von der auch das Drehbuch zu Viceroy’s House stammt, beleuchtet in ihrem Historiendrama die tragischen Ereignisse in Indien nach dem Ende der Britischen Herrschaft. Teils arbeitet sie dabei die Geschichte ihrer Familie auf, die vor 70 Jahren selbst Opfer des Konflikts wurde. Der Film beleuchtet die politischen Hintergründe, ohne dem Zuschauer dabei aber zu viel Vorwissen abzuverlangen. Indien, oft als Juwel des Britischen Empires bezeichnet, erlebte in dieser Zeit eine Tragödie die uns aus unserer eigenen Geschichte nur zu gut bekannt ist. Die Teilung eines Landes nach der Besatzungszeit und die damit verbundenen Schicksale vieler Familien die für immer auseinander gerissen werden.
Viceroy’s House bildet damit einen weiteren wichtigen Beitrag in der Reihe von aktuellen Historiendramen wie Indian Summers (2015) oder The Crown (2016), die sich mit britisch-indischer Geschichte beschäftigen. Der Cast rund um Hugh Bonneville, der vom Earl in Downton Abbey zum Lord in Chadha’s Film aufgestiegen ist, überzeugt in hochemotionalen Szenen und trägt damit zur gelungenen Balance zwischen Herzkino und politischen Drama bei. Großes Kino mit tollen Bildern und einer großartigen Besetzung.
Der zweite Film den ich euch noch ans Herz legen möchte ist The Party von Sally Potter. Die Handlung des knapp 70-minütigen Films ist schnell erzählt. Janet (Kristin Scott-Thomas) wurde gerade zur Ministerin des Schattenkabinetts ernannt und krönt damit ihre politische Laufbahn. Um den Erfolg zu feiern, auf den sie so lange hingearbeitet hat, lädt sie einen kleinen Kreis an engen Freunden und Kollegen zu einer Feier bei sich zu Hause ein. Als alle Gäste in ihrem Londoner Haus eintreffen nimmt die Feier einen anderen Verlauf als erwartet.
Ihr Mann Bill (Timothy Spall) platzt mit gleich zwei erschütternden Enthüllungen raus, die Janets Karriere und persönliche Zukunft in Gefahr bringen. In der Runde kochen die Emotionen über. Liebe, Freundschaften und politische Überzeugungen werden durchaus scharfzüngig diskutiert bis es schließlich auch handgreiflich wird und die Situation gänzlich eskaliert…
Regisseuin Sally Potter liefert mit ihrem achten Kinofilm ein wortexplosives Kammerspiel. Mit spitzem Humor ergründet The Party menschliche Abgründe. Konflikte, die schon lange unter der Oberfläche brodelten brechen heraus. Was als Komödie beginnt endet schnell als Tragödie.
Der Film kommt ohne Effekte und sogar ohne Farbe aus. Ganz in schwarzweiß konzentriert er sich einzig und allein auf die Geschichte die erzählt wird, ohne Ablenkung durch aufwändige Gestaltung. Die ganze Handlung spielt sich im Haus von Janet und Bill ab und sorgt damit für eine
Konzentration von Figuren und Emotionen in einem Raum ohne Versteckmöglichkeit.
Der Cast, von dem der Großteil in Berlin anwesend war, lässt jedem Cineasten das Wasser im Mund zusammenlaufen. Neben Scott-Thomas und Spall zählen noch Cherry Jones, Emily Mortimer, und Cillian Murphy zu den Mitgliedern des kleinen Ensembles. Besonders hervor stechen jedoch Patricia Clarkson als schlagkräftige Amerikanerin und Bruno Ganz. Der deutsche Schauspieler, der nicht gerade für seine Rollen als freundlichen lustigen Deutschens bekannt ist, amüsiert als Clarksons Ehemann mit seiner schier unerschütterlichen positiven Lebenseinstellung.
Laut Sally Potter ist The Party natürlich auch hochpolitisch. Der Film, der sich während des Brexits mitten in der Produktionsphase befand, bietet mit seinen Charakteren einen Querschnitt durch die Gesellschaft. Verschiedene Nationalitäten, Alter und sexuelle Orientierungen finden sich an jenem Abend in Janets und Bills Wohnzimmer. Und gegen Ende steht jeder mit jedem in irgendeiner Weise im Konflikt. Laut Potter ein gefilterter Blick auf ein zerbrochenes England.
Vor allem Dank eines überragenden Drehbuchs (Sally Potter) darf sich The Party voll und ganz zu Recht Hoffnungen auf einen goldenen Bären machen. Ich drück auf jeden Fall die Daumen. In meinem dritten Beitrag zur Berlinale 2017 stell ich euch die deutsch, französisch, irische Co- Prodoktion Return to Montauk mit Stellan Skarsgård, Nina Hoss und Susanne Wolff vor.
Außerdem werfen wir einen ersten Blick auf Marvel’s Logan, unter anderem mit Hugh Jackman und Patrick Stewart.