Benedetta (2021) | Filmkritik

Der niederländische Regisseur Paul Verhoeven meldet sich mit über 80 Jahren zurück auf der Kinoleinwand. Der Filmschaffende hinter Kultfilmen wie Basic Instinct (1992) und Showgirls (1995) hat mit Benedetta abermals ein heißes Eisen im Feuer, das keinesfalls an Erotik spart.

Der Meister der Provokation ist zurück

Doch hat das Werk, das auf der Biografie mit dem langen Titel Immodest Acts – The life of a lesbian nun in Renaissance Italy (Schändliche Leidenschaften: das Leben einer lesbischen Nonne in Italien zur Zeit der Renaissance) basiert, mehr zu bieten als hübsche Nonnen in luftigen Trachten?

© capelight pictures / Koch Films

Italien im 17. Jahrhundert: Schon als Kind wird das Mädchen Benedetta dem Erlöser Jesus Christus als Gattin versprochen. Ihr Vater bringt das junge Mädchen zum Kloster von Pescia, wo dieses aufgezogen werden soll. Und bereits kurz nach ihrer Ankunft wird klar, dass Benedetta eine ganz mysteriöse Aura umgibt.

Wer nicht leidet, wird Christus nicht begegnen!

Als die Jahre hinter den steinigen Mauern vergehen, wächst die Novizin Benedetta Carlini (Virginie Efira) zu einer reifen und listigen Frau heran. Und die Oberhäupter der katholischen Kirche geraten in Aufregung, als eines Tages die fünf Wundmale Christi an Benedettas Körper auftreten. Blutend aus Händen, Füßen und der Seite sowie der Stirn steigt die leidende Frau als Auserwählte Gottes zur Äbtissin auf.

Die damit folgenden Privilegien und die Leitung des Klosters sind jedoch keinesfalls Benedettas schönstes Vergnügen: Hinter verschlossener Tür führt sie ein geheimes Doppelleben. Sie lässt sich von der Nonnenschülerin Bartolomea (Daphné Patakia) in die Geheimnisse körperlicher Lust einführen. Die ehemalige Klostervorsteherin Felicita (Charlotte Rampling) kommt dem verbotenen Treiben jedoch auf die Spur und schmiedet einen gefährlichen Plan, um der Sünde Einhalt zu gebieten.

© capelight pictures / Koch Films

Denkt man an Basic Instinct kommt einem sofort der Beinüberschlag von Sharon Stone in den Sinn. Bei Showgirls ist es Elizabeth Berkleys Zunge an der Poledance-Stange. Welche Szene wird wohl bei Benedetta in Zukunft die gesamte Erotik des Films zusammenfassen? Vielleicht ist es ja der hölzerne Dildo, der aus einer kleinen Statue der Jungfrau Maria geschnitzt wird.

Ein doppelbödiger Historienfilm

Aber den Film lediglich auf seine Nacktheit zu reduzieren, wäre falsch. Hier hat Paul Verhoeven selbst wohl ein bisschen zu viel Zeit in die Darstellung von Akt und Lust investiert. Denn die drumherum laufende Handlung hat einiges zu bieten. Der Film erzählt von Glauben, Macht, Manipulation und Überleben. Ein grandioses Porträt einer Frau, die zwischen Unschuld und Schuld wandelt.

Vorgetragen wird all dies von der belgischen Schauspielerin Virginie Efira, die bereits 2016 an der Seite von Isabelle Huppert in Verhoevens Erotikthriller Elle zu sehen war. Mit ihrer Schönheit als Grundgerüst überzeugt Efira als listenreiche Frau Gottes.

Ihr gegenüber steht Charlotte Rampling (Dune) als Mutter Felicita, die eine ungeheure Präsenz auf die Leinwand zaubert. Aber auch die Darbietung von Daphne Patakia, die auf den ersten Blick an Rosalinda Celentano in Die Passion Christi erinnert, als Bartolomea darf erwähnt werden. Ihre Wildheit und Einfachheit bringen erst den Funken in Benedetta zum brennen.

© capelight pictures / Koch Films

Ohne Frage steht dieser Film nicht auf der Must see-Liste des Papstes. Und auch andere Zuschauer werden von der rohen und realistischen Art des Films abgeschreckt sein. Mit zunehmender Spielzeit erfordert das Zuschauen Kraft und erschöpft. Aber dies ist sicherlich teils auch gewollt.

Sex. Religion. Macht

Freunde von Arthouse-Perlen werden allerdings ihren Spaß an diesem skandalösen Geniestreich haben. Immer deutlicher wird im Verlauf des Films die Frage, wer eigentlich Gut und wer Böse ist. Und ob dies überhaupt relevant ist, wenn am Ende doch der Schwarze Tod einen jeden einholt.

Abschließend muss man aber sagen: Statt sich primär auf die Person Benedetta, ihre Motive und ihre Psyche zu konzentrieren, interessiert sich Verhoeven leider allzu oft nur für ihren Körper. Auch wenn diese Szenen sehr erotisch in Szene gesetzt sind, überzeugen vor allem die Momente, in denen wir Einblick in das Leben der Benedetta Carlini erhalten.

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