American Horror Story – Freak Show Staffel 4 | Serienkritik

Nach Geisterhäusern, einem Irrenhaus und einem Hexenzirkel betritt die vierte Staffel von American Horror Story Terrain, welches für viele nicht sofort in die typischen Raster des Horrors passt. Statt gestörte, furchteinflößende Mörder und Verbrecher, spielt die Staffel Freak Show viel mehr mit der Angst vor dem Unbekannten und der Toleranz des Zuschauers.

Während mit Jamie Brewer bereits ein Mädchen mit körperlicher Behinderung in zwei der vorherigen Staffeln eine Rolle fand, stellt die Serie in der vierten Runde nun sogar sehr stark auf Menschen mit Deformierungen verschiedenster Art und passt gleichzeitig ihren altbekannten Cast mit künstlichen Behinderungen den Umständen entsprechend an. Freak Show handelt von einem Zirkus in der kleinen Stadt Jupiter. Voller kurioser, obgleich doch talentierter, Künstler und Künstlerinnen, die versuchen sich in der schweren Nachkriegszeit trotz ihrer Benachteiligung mit ihren Auftritten über Wasser zu halten. Angeführt wird die bunte Truppe, rund um den Hummerjungen Jimmy Darling (Evan Peters) und seine Freunde, von Elsa Mars (Jessica Lange), einer alten, deutschen Sängerin, die sich erhofft, an der Spitze des Zirkus endlich ihren Traum zu erfüllen und berühmt zu werden.

Doch die Menschen in Jupiter scheinen die Freaks nicht zu akzeptieren. Als plötzlich Kinder aus der Stadt entführt werden und immer mehr seltsame Ereignisse die Stadt heimsuchen, werden immer mehr Menschen auf den Zirkus aufmerksam und niemand ist sich genau sicher was in dem Zelt wirklich vor sich geht.

Freak Show fällt wie bereits erwähnt aus dem Rahmen der vorherigen Staffeln. Es dreht sich nicht um Geister, welche ein altes Heim heimsuchen oder einen wilden Massenmörder, der Menschen häutet. Vielmehr versucht diese Staffel mit interessanten Charakteren und tragischen Schicksalen eine Welt zu erschaffen, die so abwegig und fern, doch auch so nah erscheint. Die Zusammenarbeit mit vielen körperlich oder geistig behinderten Schauspielern erzeugt eine bedrückende, aber ebenso beeindruckende Atmosphäre und die tragischen Hintergründe der Charaktere wirken zum Teil so unfassbar wahr, dass es schwer ist nicht den Schmerz der Figuren zu fühlen.

Die Handlung beginnt mit dem siamesischen Geschwisterpaar Bette und Dot Tattler (Sarah Paulson), die von Elsa Mars aus der Irrenanstalt entlassen werden, um sie an ihrer Show teilhaben zu lassen. Die Beiden sind durchaus unschlüssig über ihre neue Karriere, als sich jedoch eine der Schwestern in Jimmy verliebt, beschließen sie unter den Freaks zu verbleiben, da sie sich endlich in ihrer Form akzeptiert und geliebt sehen.

Im Verlauf der Staffel gesellen sich immer mehr Künstler zu den Darstellern, die auch ein Teil der Show werden möchten. Neben einem Pärchen um den überstarken Dell Toledo (Michael Chiklis) und der androgynen Desiree Dupree (Angela Basset), erscheinen immer wieder neue Figuren, die sich selbst als Teil der Show sehen. Doch nicht jeder ist in dem kleinen Kreis erwünscht und als Anführer der Truppe sieht sich Jimmy Darling immer wieder im Konflikt mit, seiner Sicht nach, herkömmlichen Menschen, welche ihn und seine Freunde nicht zu schätzen wissen. Speziell der junge, verwöhnte Dandy Mott (Finn Wittrock), der bereits nach seinem ersten Aufeinandertreffen ersucht einzelne Darsteller zu seiner Unterhaltung zu erstehen, erscheint dem Hummerjungen suspekt und gefährlich für die Truppe.

Doch mit den Freaks scheinen auch immer mehr seltsame Geschehnisse rund um die Kleinstadt Jupiter zu passieren. Es kommt zu Entführungen und grässlichen Morden. Während sich die Zirkustruppe immer wieder versucht vor den örtlichen Polizisten und Staatsgewalten zu rechtfertigen und ihre Unschuld zu beweisen, kommt es zugleich zu Spannungen zwischen den Akteuren. Als schließlich auch noch der zwielichtige Stanley (Denis O‘Hare) aus dem Nichts den Zirkus besucht, um Elsa unergründlicher Weise die Zukunft zu versprechen, die sie sich schon immer gewünscht hatte, ist das Chaos perfekt. Immer unsicherer wird, wer auf wessen Seite steht, wem Vertrauen geschenkt werden darf und wer die Freaks hintergangen hat.

Die vierte Staffel der Horrorserie baut im Vergleich zu den vorherigen Staffeln vielmehr auf tiefgründige, interessante Charaktere, welche den Zuschauer nicht durch ihre grausame Geschichte abschrecken, sondern eher durch ihren tragischen Hintergrund in ihren Bann ziehen sollen. Selbst Nebencharaktere wie Paul, der menschliche Seelöwe (Mat Fraser) und Pepper (Naomi Grossman) erzählen ihre Geschichte einfühlsam und bedrückend zugleich. Speziell ersterer erzählt sein eigenes, tragisches Schicksal so herzzerbrechend, dass es die vierte Wand zu brechen scheint. Trotz seines Hauptstranges erzählt die Staffel zahlreiche Nebenhandlungen mit tiefen und emotionalen Geschichten. Die persönlichen Probleme von Charakteren wie Dell oder Paul gehen in grundverschiedene Richtungen und durch die Vorstellung der Charaktere Stanley, sowie dem grandios besetzten Dandy, öffnen sich menschliche Abgründe wie sie aus der Serie bereits bekannt sind. Aus Spannungsgründen soll hier jedoch nicht zu viel verraten werden.

Auch neben den grandiosen Vorstellungen der Freaks, sowie den herausragenden Auftritten von Evan Peters (X-Men – Days of Future Past), Neil Patrick Harris (How I Met Your Mother) und vor allem Sarah Paulson (Mud), die in der Doppelrolle als Bette und Dot Tattler brilliert, ist speziell Jessica Lange (Big Fish) zu erwähnen. In ihrer wohl vorerst letzten Rolle für die Horrorserie geht die Schauspielerin vollends auf. Sie spielt die Rolle einer verzweifelten, aber dennoch hoffnungsvollen deutschen Sängerin mit einer unglaublichen Hingabe, die sogar ihre vergangenen Darstellungen in der Serie in den Schatten stellt. Nicht nur ist der Charakter durchaus tiefgründig, sondern extrem vielseitig. Elsa Mars zeigt sich so hinterlistig und selbstsüchtig, wobei sie doch auch gleichzeitig immer um das Wohl ihrer Freaks besonnen ist. Die Geschichten um die Gründung des Zirkus‘ und die Zusammenfindung ihrer Schützlinge ist auf eine Weise präsentiert, wie sie auch auf der großen Leinwand nicht besser gezeigt werden könnte.

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Freak Show zeigt ein weiteres Mal wie vielseitig und doch verstörend Ryan Murphy wildeste Geschichten auf den kleinen Schirm bringen kann. Zwar mag die neueste Staffel den Gewaltgrad zu Teilen etwas gesenkt und sich stattdessen mehr auf das Expose einzelner Charaktere konzentriert haben, doch ist dies auf keinen Fall als Einbuße zu sehen. Zu schön funktionieren die Charaktere, zu abwechslungsreich erscheinen die Wendungen. Mit mehreren Hommagen und Verbindungen zu alten Staffeln ist zudem eine interessante Fusion zu den alten Geschichten der Serie gegeben.

Einzig und allein das etwas rasant abgeschlossene Ende der Staffel, welches auch schon bereits den vorhergehenden nachgesagt wurde, könnte zu einem faden Beigeschmack für den einen oder anderen Zuschauer führen. Doch auch der Abschluss täuscht nicht über eine weitere unterhaltsame, in sich geschlossene Geschichte hinweg und auf die fünfte Staffel darf sich schon jetzt gefreut werden.

Episodenübersicht zu American Horror Story

Cast & Crew

Idee: Ryan Murphy, Brad Falchuk
Darsteller: Jessica Lange, Sarah Paulson, Frances Conroy, Finn Wittrock, Evan Peters, Kathy Bates, Michael Chiklis, Angela Bassett, Emma Roberts, Denis O’Hare, Skyler Samuels
Länge pro Episode: ca. 38–53 Minuten

Bewertung

Bilder: © Netflix

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