Nach Geisterhäusern, einem Irrenhaus und einem Hexenzirkel betritt die vierte Staffel von American Horror Story Terrain, welches für viele nicht sofort in die typischen Raster des Horrors passt. Statt gestörte, furchteinflößende Mörder und Verbrecher, spielt die Staffel Freak Show viel mehr mit der Angst vor dem Unbekannten und der Toleranz des Zuschauers.

Doch die Menschen in Jupiter scheinen die Freaks nicht zu akzeptieren. Als plötzlich Kinder aus der Stadt entführt werden und immer mehr seltsame Ereignisse die Stadt heimsuchen, werden immer mehr Menschen auf den Zirkus aufmerksam und niemand ist sich genau sicher was in dem Zelt wirklich vor sich geht.
Freak Show fällt wie bereits erwähnt aus dem Rahmen der vorherigen Staffeln. Es dreht sich nicht um Geister, welche ein altes Heim heimsuchen oder einen wilden Massenmörder, der Menschen häutet. Vielmehr versucht diese Staffel mit interessanten Charakteren und tragischen Schicksalen eine Welt zu erschaffen, die so abwegig und fern, doch auch so nah erscheint. Die Zusammenarbeit mit vielen körperlich oder geistig behinderten Schauspielern erzeugt eine bedrückende, aber ebenso beeindruckende Atmosphäre und die tragischen Hintergründe der Charaktere wirken zum Teil so unfassbar wahr, dass es schwer ist nicht den Schmerz der Figuren zu fühlen.

Im Verlauf der Staffel gesellen sich immer mehr Künstler zu den Darstellern, die auch ein Teil der Show werden möchten. Neben einem Pärchen um den überstarken Dell Toledo (Michael Chiklis) und der androgynen Desiree Dupree (Angela Basset), erscheinen immer wieder neue Figuren, die sich selbst als Teil der Show sehen. Doch nicht jeder ist in dem kleinen Kreis erwünscht und als Anführer der Truppe sieht sich Jimmy Darling immer wieder im Konflikt mit, seiner Sicht nach, herkömmlichen Menschen, welche ihn und seine Freunde nicht zu schätzen wissen. Speziell der junge, verwöhnte Dandy Mott (Finn Wittrock), der bereits nach seinem ersten Aufeinandertreffen ersucht einzelne Darsteller zu seiner Unterhaltung zu erstehen, erscheint dem Hummerjungen suspekt und gefährlich für die Truppe.

Die vierte Staffel der Horrorserie baut im Vergleich zu den vorherigen Staffeln vielmehr auf tiefgründige, interessante Charaktere, welche den Zuschauer nicht durch ihre grausame Geschichte abschrecken, sondern eher durch ihren tragischen Hintergrund in ihren Bann ziehen sollen. Selbst Nebencharaktere wie Paul, der menschliche Seelöwe (Mat Fraser) und Pepper (Naomi Grossman) erzählen ihre Geschichte einfühlsam und bedrückend zugleich. Speziell ersterer erzählt sein eigenes, tragisches Schicksal so herzzerbrechend, dass es die vierte Wand zu brechen scheint. Trotz seines Hauptstranges erzählt die Staffel zahlreiche Nebenhandlungen mit tiefen und emotionalen Geschichten. Die persönlichen Probleme von Charakteren wie Dell oder Paul gehen in grundverschiedene Richtungen und durch die Vorstellung der Charaktere Stanley, sowie dem grandios besetzten Dandy, öffnen sich menschliche Abgründe wie sie aus der Serie bereits bekannt sind. Aus Spannungsgründen soll hier jedoch nicht zu viel verraten werden.

Freak Show zeigt ein weiteres Mal wie vielseitig und doch verstörend Ryan Murphy wildeste Geschichten auf den kleinen Schirm bringen kann. Zwar mag die neueste Staffel den Gewaltgrad zu Teilen etwas gesenkt und sich stattdessen mehr auf das Expose einzelner Charaktere konzentriert haben, doch ist dies auf keinen Fall als Einbuße zu sehen. Zu schön funktionieren die Charaktere, zu abwechslungsreich erscheinen die Wendungen. Mit mehreren Hommagen und Verbindungen zu alten Staffeln ist zudem eine interessante Fusion zu den alten Geschichten der Serie gegeben.
Einzig und allein das etwas rasant abgeschlossene Ende der Staffel, welches auch schon bereits den vorhergehenden nachgesagt wurde, könnte zu einem faden Beigeschmack für den einen oder anderen Zuschauer führen. Doch auch der Abschluss täuscht nicht über eine weitere unterhaltsame, in sich geschlossene Geschichte hinweg und auf die fünfte Staffel darf sich schon jetzt gefreut werden.
Episodenübersicht zu American Horror Story
Idee: Ryan Murphy, Brad Falchuk
Darsteller: Jessica Lange, Sarah Paulson, Frances Conroy, Finn Wittrock, Evan Peters, Kathy Bates, Michael Chiklis, Angela Bassett, Emma Roberts, Denis O’Hare, Skyler Samuels
Länge pro Episode: ca. 38–53 Minuten
Bilder: © Netflix


