New York, 1961. Was macht ein erfolgloser New Yorker Musiker ohne ein Zuhause? Was passiert, wenn er fast jede Nacht auf einer anderen Couch schläft und dabei mal die Frau eines Freundes schwängert und mal die geliebte Katze eines anderen aussperrt? Und was, wenn er diese Katze dann einfach nicht mehr los wird?

Widerwillig begibt sich Llewyn nach Chicago, wo er sich von einem Treffen mit dem einflussreichen Clubbesitzer Bud Grossman (F. Murray Abraham) mehr verspricht als von den Bemühungen seines Managers Mel (Jerry Grayson), der seine erste Platte namens Inside Llewyn Davis nicht vertrieben bekommt. Auf dem Weg nach Chicago macht Llewyn die Bekanntschaft mit dem exzentrischen Jazz-Musiker Roland Turner (John Goodman), der sein Selbstverständnis als Musiker offen in Frage stellt.
Doch Llewyn kann seine Gefühle nur in der Musik und nicht im echten Leben äußern, und so lässt er sich weitertreiben. Wann bekommt er endlich die Gelegenheit zu zeigen, was wirklich in ihm steckt?
Der bei den 66. Filmfestspielen in Cannes im Wettbewerb uraufgeführte Inside Llewyn Davis wurde mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Mit Inside Llewyn Davis bringen die Brüder Ethan und Joel Coen nach O Brother, Where Art Thou? – Eine Mississippi Odyssee erneut ihrer Liebe zur Folkmusik zum Ausdruck.

In zahlreichen Filmen mit Musikern als Hauptdarsteller sind ähnliche Abläufe zu finden: Ein unbekanntes Talent kämpft um seinen Durchbruch, wird berühmt und dann beginnt der skandalöse Abstieg. In ihrem neuen Werk verweigern sich die Coen-Brüder jedoch gekonnt den üblichen Erzählmustern einer Musikerbiografie und präsentieren ein ganz eigenes Künstlerporträt, das in gleicherweise von Komik und Lethargie durchzogen ist.
Protagonist ist diesmal ein bärtiger Freak, der in dunklen Kneipen seine Folksongs zum Besten gibt und sich nichts sehnlicher als Anerkennung wünscht. Llewin Davis hat nicht einmal jede Nacht einen Platz zum Schlafen und seine Beziehung zu Sängerin Jean (Carey Mulligan) sowie dem Rest seiner Freunde leidet enorm unter seiner Ziellosigkeit.
Die vierfachen Oscar-Preisträger widmen sich in Inside Llewin Davis mal wieder der Kehrseite des Ruhms und zeigen einen gescheiterten Außenseiter, wie er mit seinen ganz eigenen Problemen zu kämpfen hat. Oscar Isaac ist als ebenso feinfühliger wie starrköpfiger Hauptdarsteller eine wirkliche Entdeckung. Bekannten Nebenakteuren wie John Goodman (Flight, Argo), Justin Timberlake (Back in the Game) und Garrett Hedlund (On the Road) sind zwar nur kurze Auftritte gegönnt, aber diese reichen um Eindruck zu hinterlassen. Vor allem der launige Goodman belustigt als zynischer Jazzer, der sich sarkastische Dialog-Schlachten mit Hauptdarsteller Oscar Isaac liefert. Superstar Justin Timberlake tritt als selbstironischer und bescheidener Kumpel auf und zeigt sich mit spießigem Seitenscheitel von einer ungewohnten Seite.

Inside Llewyn Davis basiert lose auf dem Werk und den Memoiren von Dave Van Ronk, der aufgrund seines Einflusses auf die Szene der Mayor of MacDougal Street genannt wurde. Dem Magazin Empire, gestanden die Coens, dass der Film keine richtige Handlung habe, „deshalb haben wir die Katze hineingeschmissen“. Dies ist wohl auch einer der wenigen Schwachpunkte des Films, es passiert einfach sagenhaft wenig. Der Held ist wahrhaft kein Held, auf einen spannenden Höhepunkt wartet man vergeben und auch die Schlüsselfunktion der Katze, die immer wieder den Weg von Davis kreuzt, bleibt aus.
Dafür lassen die Coens den Zeitgeist der frühen 60er mit vielen liebevollen Details lebendig werden, ob in schummrigen Bars oder raffinierten Wohnungseinrichtungen. Kameramann Bruno Delbonnel (Harry Potter und der Halbblutprinz) kann in lichtschwachen Einstellungen stimmungsvolle Akzente setzen. Durch den Kontrast von detailgetreuen Innenaufnahmen und Einstellungen endloser Weite entwerfen die Regisseure ein melancholisches Zeitbild aus dem New York der 1960er, das mit einem durchweg hervorragenden Soundtrack begleitet wird.
Mit Inside Llewyn Davis ist die facettenreichen Filmographie der Coen-Brüder Ethan und Joel um einen weiteren beispiellosen Beitrag gewachsen. Wenn auch etwas Spannung fehlt, ist die Tragikomödie eine erstklassig gespielte Charakter- und Milieustudie, die mit stilsicherer Regie, atmosphärisch stimmigen Bildern und mitreißenden Darstellern brilliert.
Regie: Ethan Coen, Joel Coen
Drehbuch: Ethan Coen, Joel Coen
Musik: T-Bone Burnett, Todd Kasow, Markus Mumford
Darsteller: Oscar Isaac, Carey Mulligan, Justin Timberlake, Ethan Phillips, Robin Bartlett, Max Casella, Jerry Grayson, Adam Driver, Stark Sands, John Goodman, F. Murray Abraham



