In den Gängen (2018) | Filmkritik

In den Gängen

Der ruhige und zurückhaltende Christian (Franz Rogowski) arbeitet irgendwo in Ostdeutschland in einem Großmarkt. Direkt an einer befahrenen Schnellstraße gelegen beginnt er dort seine Ausbildung zum Gabelstaplerfahrer.

Sein älterer Kollege Bruno (Peter Kurth) ist sein erster Ansprechpartner für Probleme und zugleich auch sein Ausbilder. In der Getränkeabteilung sortieren die beiden Tag für Tag Kisten in die hohen Regale. Beim Einräumen sieht Christian dann eines Tages im Gang gegenüber eine blonde Frau, die sich als Marion (Sandra Hüller) vorstellt. Sie arbeitet in der Süßwarenabteilung.

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Beide kommen sich in der Pause beim Automaten näher und beginnen eine Unterhaltung. Sie gibt ihm den Namen Frischling und er spendiert ihr einen Kaffee. Wenig später muss Marion zurück zur Arbeit, während Christian noch ruhig und gerührt am Automaten stehen bleibt. Bruno erzählt ihm später allerdings, dass die blonde Frau aus der Süßwarenabteilung vergeben sei. Allerdings ist Christian durch und durch begeistert von Marion. Und zu dem Gefühlschaos kommt zu allem noch hinzu, dass Christian sich als neuer Mitarbeiter in dem Unternehmen erst noch beweisen muss.

In den Gängen ist ein deutsches Drama aus dem Jahre 2018. Für die Regie sowie das Drehbuch zeichnet sich Thomas Stuber verantwortlich, der zuvor durch die Inszenierung einiger Hamburger Tatorte bekannt wurde. Neben ihm schrieb auch Clemens Meyer am Drehbuch mit, der mit Stuber bereits das Drehbuch zum Film Herbert (2015) schrieb.

Die Handlung des Films ist dahingehend innovativ für das deutsche Fernsehen, weil sie sich mit einer kleinen Gruppe Angestellter befasst, die in einem Großmarkt arbeiten. Die Themenwahl ist sympathisch, da solch kleine gesellschaftliche Themen oft unverfilmt bleiben. Regisseur Stuber macht es richtig, setzt seine gebrochenen Figuren in den Vordergrund und ihre monotone Tätigkeit.

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Handlung und Struktur des Films harmonieren außerordentlich gelungen. In den richtigen Momenten bekommen die drei Hauptfiguren Christian, Bruno und Marion ihre Spielzeit, um mehr Tiefe zu erzeugen. Das Besondere hierbei ist das Gespür von Regisseur Stuber, der genau weiß welcher Moment am aussagekräftigsten ist. Es sind nicht die direkten Worte und offensichtlichen Handlungen, die dem Zuschauer eine bestimmte Logik vorspielen.

Bei In den Gängen sind es vielmehr das langsame Fahren mit einem Gabelstapler irgendwo in Ostdeutschland, die ruhige Kamera und die gebrochenen Figuren. Alle Dialoge verfügen über eine Lockerheit, die teils lustig und teils unfassbar traurig ist. In ihrer Gesamtheit halten die Mitarbeiter des Großmarkts zusammen, doch ein erfülltes Leben sieht anders aus. Der Begriff Wendegewinner wird in einer Situation bewusst von Bruno eingeworfen, um einen vermeintlichen Wirtschaftserfolg anzuzweifeln. Des Weiteren sorgt ein abwechslungsreicher Soundtrack für die richtige Auflockerung beim Zuschauer.

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Zwar könnte der Film sich in zwei bis drei Situationen etwas flotter von der Stelle bewegen, doch im Grunde sind die monotone Tätigkeit, das Schauspiel und ihre Tragik pure Unterhaltung. Positiv anzusehen ist ein gewisser Unterhaltungsfaktor, der durch ein grundsätzliches Interesse für die berufliche Karriere von Christian gezündet wird. Auch die anderen Figuren haben ihren Reiz, weshalb jede Szene trotz ihrer Langatmigkeit lebhaft ist.

Schauspielerisch ist vor allem Franz Rogowski hervorzuheben, der wie bereits in dem deutschen Mumble-Core-Film Love Steaks (2013) einen schüchternen jungen Mann spielt, der unbesorgt und zurückhaltend durch die Welt schlendert. Er legt seine Rolle so glaubwürdig und ruhig an, dass eine Grundsympathie von der ersten Minute an vorhanden ist. Diese Sympathie für eine Figur ist in anderen Werken oftmals besonders schwer zu finden. Stuber und Rogowski schaffen es dennoch durch eine handwerkliche saubere Arbeit.

Außerdem spielt Peter Kurth, der zuletzt in der Serie Babylon Berlin zu sehen war, einen gelassenen Mentor, den sich jeder junge Azubi wünscht. Seine Ruhe und seine Offenheit unterstreichen diese Sympathie des Films doppelt. Dem noch nicht genug ergänzt Sandra Hüller diesen Cast mit einer freundlichen und lebhaften Art. Sie rundet die Besetzungsliste ab, indem sie in ihren Momenten glaubhaft und nicht überzogen agiert.

Insgesamt ist In den Gängen ein wunderbarer deutscher Film, der minimalistisch und zugleich fantastisch ist. Für Liebhaber von Kammerspielen oder gutem Schauspiel wärmstens zu empfehlen. Filme dieser Machart ergänzen die deutsche Filmwelt und heben ihre qualitativ nach oben. Es wäre durchaus schön mehr dieser Filme aus Deutschland zu bekommen.

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