Mudbound (2017) | Filmkritik

Mudbound

In einer Zeit, in welcher Streamingdienste nicht mehr reine Vehikel sind, um die Filme an den Zuschauer zu bringen, sondern Eigenproduktionen Gang und Gäbe, ist es nur eine Frage der Zeit bis sich einige dieser Filme auch mit in den Academy-Award-Ring werfen.

Netflix auf Oscar-Kurs

Nach dem Erfolg der Amazon-Produktion Manchester by the Sea bei der Oscar Zeremonie 2017 zeigen auch die Online-Plattformen ihre Muskeln.

Längst muss ein Film nicht mehr die Kinogänger in die Säle locken. Stattdessen lockt man die Leute auf die bequeme Couch mit der Unterhaltung, für die sie sonst das Haus verlassen würden.

© Netflix/TOBIS Film

Nach den Dokumentationen Virunga und dem Oscar-Preisträger The White Helmets versucht sich Streaming-Gigant Netflix jetzt mit Mudbound an einem echten Indie-Darling und hat damit bei den Academys schon einmal einen Fuß in der Tür.

Worum geht es in Mudbound

Laura McAllan (Carey Mulligan) ist eigentlich eine ganz normale Hausfrau in den 40er Jahren. Sie kümmert sich meist zu Hause um die Kinder während ihr Mann Henry (Jason Clarke) sich um den Unterhalt der kleinen Familie kümmert. Als er ihr eines Tages offenbart, die ganze Familie auf eine neu erstandene Farm umzuziehen, ist sie mehr als unzufrieden.

Als sich auch noch herausstellt, dass Henry auf einen Trickbetrüger reingefallen ist, und zwar ein Land aber dafür kein Haus erstanden hat, scheint alles noch weiter den Bach runterzugehen. Die Familie lebt also fortan in einem kleinen Stall mitten auf dem Feld. Nicht unweit von seinen afroamerikanischen „Angestellten“, der Familie Jackson, entfernt, versucht die Familie McAllan das Beste aus einer schlechten Situation zu machen.

Fernab von dem vielleicht nicht schönen aber zumindest friedlichen Leben in Mississipi, kämpfen Ronsel Jackson (Jason Mitchell), Sohn der afroamerikanischen Familie und Henrys Bruder Jamie (Garrett Hedlund) an der Front des Zweiten Weltkriegs. Jamie als Pilot, während Ronsel auf dem Boden mit seinem Panzertrupp gegen die Deutschen marschiert.

© Netflix/TOBIS Film

Beide erinnern sich immer wieder an ihre Familie und was sie wohl nach dem langen Krieg Zuhause erwartet, während Jamies Familie immer wieder mit den Jacksons in Konflikte verwickelt wird. Henry rassistischer Vater (Jonathan Banks) eckt immer wieder mit seinen Nachbarn an und Ronsels Vater Hap (Rob Morgan) spricht mit seinen Kindern tagtäglich über deren mögliche Zukunft.

Die Suche nach dem Platz in der Gesellschaft

Nichts würde er sich mehr wünschen, als dass ihnen alle Türen offenstehen. Er wünscht sich, auch eines Tages Land zu besitzen, auf welchem er harte Arbeit leistet und nicht wie ein Nutztier betrachtet wird. Er und seine Frau Florence (Mary J. Blige) wünschen sich eine Zukunft, in welcher sie gleich angesehen werden und hoffen derweil jeden Tag, ihren Ronsel unversehrt wieder in die Arme schließen zu dürfen.

Nach einer Weile hat der große Krieg endlich sein Ende und Jamie und Ronsel kehren zurück nach Hause. Beide sind körperlich in bester Form, doch beide zeigen Zeichen der psychischen Tortur, welche sie in der Zeit an der Front durchleben mussten. Überglücklich fallen sie ihren Familien in die Arme, doch bald wird beiden klar, dass sie nicht in einer Welt angekommen sind, die sie kennen oder welche sie überhaupt akzeptiert.

Jamie kommt sich immer wieder mit Pappy in die Haare, während Ronsel den immer noch sehr präsenten Rassismus an eigener Haut spüren muss. Beide Männer suchen nach ihrem Platz in der Gesellschaft, die selbst fernab vom Zweiten Weltkrieg trostloser nicht sein könnte.

© Netflix/TOBIS Film

Mudbound erzählt die Geschichte von zahlreichen Charakteren, die in der Zeit des Zweiten Weltkrieges in den USA aufeinandertreffen. Wer „Zweiter“ Weltkrieg“ hört, denkt sich natürlich, in einer Saison nach Dunkirk und Die Dunkelste Stunde wäre der Markt bereits überfüttert.

Dee Rees‘ (Pariah) Film erzählt die Zeit aber eben nicht an der Front in Europa, sondern stattdessen eine Familiengeschichte im Herzen Amerikas.

Rassismus in den Vereinigten Staaten von Amerika

Wenngleich die Erzählung größtenteils fernab der großen Schlachten abgehandelt wird, so sind die Gegebenheiten der Charaktere doch nicht weniger tragisch. Weiterhin ist der Rassismus in den Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin ein großes Problem, auch wenn Afroamerikaner nicht als Sklaven gehalten werden, sehen sie sich tagtäglich psychischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt.

Doch eben aufgrund dieser vielen, wichtigen Charaktere wirkt der Film oft planlos und ohne roten Faden. Alle Geschichten werden ebenbürtig erzählt, ein genaues Ziel für die einzelnen Personen verschwindet im Wirrwarr der einzelnen Erzählstränge. Wer sich vor dem Film nicht sicher war, ob es sich um eine Buchverfilmung handelt, sollte sich diese Frage letztendlich, nachdem die fünfte Szene mit einem VoiceOver eingeleitet wurde, selbst beantworten können.

Mudbound erzählt seine Geschichte aber nicht aus der Sicht eines Erzählers. Mudbound erzählt sie mit sechs (!) verschiedenen. Das wirkt bei Zeiten so abschließend, dass zwischen einigen Szenen überhaupt kein Zusammenhang mehr deutlich wird. In einem Kinofilm mag das eigentlich kein Problem sein, da die Geschichte bildlich schön gestaltet und emotional erzählt ist. Auf dem heimischen, mit Netflix ausgerüsteten Fernseher aber zieht sich die Handlung von des Films einfach zu sehr in die Länge.

© Netflix/TOBIS Film

Als Auswirkung hat der Zuschauer nie die Zeit sich emotional an einen der Charaktere zu binden. Zu sehr springt der Film zwischen den Handlungen und Erlebnissen der einzelnen Personen, zu abgeschlossen und isoliert wirkt jede Szene des Films. Die Handlung wirkt so ausufernd, dass man sich nicht entscheiden kann, ob der Film eine halbe Stunde weniger oder sechs Stunden länger dauern sollte.

Mit Malen-nach-Zahlen an Preise kommen

Dabei ist Mudbound bei aller Liebe kein schlechter Film, er wirkt einfach nur altbacken. Die Darsteller sind durch die Bank unterhaltsam bis überragend. Rob Morgan (Stranger Things) erzählt seine tragisch schöne Geschichte meisterhaft an einer Seite mit Mary J. Blige (Rock of Ages), während Jonathan Banks (Breaking Bad) spielt einen der widerwärtigsten Charaktere des letzten Jahre grandios verkörpert.

Dennoch helfen die einzelnen Darbietungen dem Film nicht über sein durchgehendes Mittelmaß hinweg. Auf der einen Seite ist es erfreulich, dass auch Streaming-Dienstleister Filme produzieren, welche sich in die hohen Award-Riegen mischen. Auf der anderen Seite ist es erschreckend, dass eben diese eigentlich neuen, marktantreibenden Studios hinter den offensichtlichsten Malen-nach-Zahlen-Filmen stehen.

Mudbound ist ein klassischer Oscarfilm und er hat einen ebenbürtigen Platz neben seinen Kollegen. Irgendwie wirkt es dennoch so, als wäre dieser Platz in einem anderen Jahr besser aufgehoben.

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Bildrechte: Netflix/TOBIS Film

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