In einer Zeit, in der ein Filmfranchise über Fetischsex international die Milliarde knackt, ein kaum erfolgreicher Film über eine Mumie ein Dark Universe starten soll, ohne jegliche Gedanken an einen ersten Erfolg zu verschwenden und selbst ein Riesenstudio wie Warner Bros. in Höchstgeschwindigkeit eine zusammenhängende Superheldensaga erschaffen muss, um nur halbwegs am Ball zu bleiben, scheint es keine alleinstehenden Filme mehr zu geben.
Alles ist Teil eines großen Ganzen. Einer Geschichte, die alle roten Stränge vereint und einen Bogen um all das schließt, was man sieht. Ein Spider-Man erfährt kein Abenteuer mehr ohne Tony Stark, ein Star Wars-Film braucht dringend eine Hintergrundgeschichte für jeden Ort und jede Person der Ursprungstrilogie und Batman versucht lieber gar nicht erst eine neue Bedrohung aufzuhalten, ohne die Justice League einzuberufen.
In einer Welt, in der jeder neue Film eine ganze Bandbreite an Geschichten lostreten will, bleiben aber auch alte Filme nicht mehr unangerührt. Denn vor den Avengers oder Prometheus, dem Alien-Reboot aus dem Jahr 2012, wurde im Jahr 2008 mit Cloverfield eine kleine aber unterhaltsame Geschichte über ein neues Monster erzählt. Was damals niemand erahnen konnte; auch dieses sollte eines Tages zurückkehren.
2028 steht die Welt vor einer Energie-Krise. Es existiert kaum Benzin, Stromausfälle sind gang und gäbe und durch die großen Weltnationen sehen sich vor Konflikten um die letzten Ressourcen des Planeten. Die einzige Antwort sieht die Welt in dem Teilchenbeschleuniger „Shephard“, der die Menschheit womöglich bis in alle Ewigkeit mit Energie versorgen kann.
Aus Sicherheitsgründen sollen erste Experimente aber nicht einfach auf der Erde, sondern auf einer Raumstation durchgeführt werden. Vertreter aus China, Deutschland, Großbritannien und einigen anderen Nationen arbeiten also auf der Station „Cloverfield“ daran, die Welt zu retten. Nach einem Testlauf des Beschleunigers scheint jedoch etwas schief zu gehen, denn die Weltraumstation wird stark beschädigt und die Erde scheint plötzlich verschwunden.
Mitten im Weltall verschollen versuchen die Astronauten zu erkunden, wo sie sich befinden und was mit ihnen passiert ist. Doch je mehr sie suchen, desto verstörender werden die Antworten.
The Colverfield Paradox beginnt nach einer kurzen Vorstellung der Hauptdarstellerin Ava Hamilton (Gugu Mbatha-Raw) wie ein typischer Weltraum-Horrorfilm. Die Crew wird vorgestellt, relativ schnell kann der Zuschauer erahnen wem auf dieser Station Vertrauen geschenkt werden darf und wem nicht und schon bald finden sich die Astronauten in einer unbekannten Situation abseits des eigenen Planeten wieder und versuchen zu erörtern was vor sich geht.
Dabei sind die Darsteller großteils überzeugend und realistisch auch wenn hier und da ein Witz nicht zündet oder die Charaktere mehr als Karikatur ihres Landes wirken. Daniel Brühl vertritt mit dem wahrlich deutschen Namen Ernst Schmidt die Bundesrepublik und wer den Film im Original sieht, darf sich an einer Mischung aus Deutsch, Chinesisch und akzentbehaftetem Englisch freuen. Die klar existierenden Sprachbarrieren machen den Film realistisch und erwirken eine besondere Chemie zwischen den einzelnen Darstellern.
Auch die Geschichte wirkt zu Beginn recht spannend und neu. Zu schnell verfällt der Film dann aber in Klischees, seltsamen Erklärungen und verläuft sich immer mehr im Sand mit Astronauten, die sich teilweise sehr fragwürdig verhalten. Auch Avas Mann Michael (Roger Davies), der als Expositions-Charakter dem Zuschauer erklärt was auf der Erde vor sich geht, wirkt oft erzwungen und existiert mehr für lose Verbindungen zu den Vorgängern, anstatt als tatsächlich wichtige Figur des Films.
Die Szenen auf der Erde erscheinen zudem im direkten Vergleich mit der Raumstation erschreckend billig. Während die Effekte auf der Raumstation weitestgehend überzeugen und für einen Streaming-Film überraschend detailliert wirken, so ist das Setting der Erde vergleichbar mit einer günstig produzierten Fernsehserie.
Während uns die meisten Filme heutzutage einfach ein neues Universum vorstellen, spannten sich die Hintergrundgeschichten über den Horrorfilm von J.J. Abrams über Foren, geheime Videobotschaften und erfundene Großunternehmen, welche zusammen allen Fans die Möglichkeit gaben zu rätseln, zu forschen und zu grübeln.
Wer mehr erfahren wollte musste suchen und Detektiv spielen, denn lang schien es ruhig um den Found-Footage-Film. Ein altes, abgeschlossenes Projekt eines Regisseurs, der sich mit Star Wars – Das Erwachen der Macht und Star Trek auf dem Weg zu anderen Galaxien befand. Als 2016 dann mit 10 Cloverfield Lane plötzlich wieder das Rätselraten im Internet begann und Puzzlespiele mit fehlenden Teilen die Fangemeinde anheizten, war endlich klar, dass das Cloverfield Universum noch lange nicht seinen Abschluss gefunden hat.
Doch, auch wenn eben diese Fangemeinde nach mehr Informationen lechzt, so hatte sie doch bereits viele Theorien und Ideen bereits zu Ende gedacht. The Cloverfield Paradox bietet aber oft nicht die Antworten, die sich die Fans gewünscht hätten. Eher öffnet der Film mehr Türen, Möglichkeiten und Theorien. Wer hier auf abschließende Antworten gehofft hat, ist leider Fehl am Platz. Denn auch wenn der Film viele neue Ansätze für eine Lösung gibt, so lässt er weiterhin den Zuschauer mit den Antworten allein. Gleichzeitig eröffnet er mit zahlreichen Szenen in dem Film noch zahlreiche weitere Fragen.
All das macht den neuesten Ableger nicht schlecht, doch wirkt er eher wie eine weitere Einführung in ein komplexes Universum, anstatt eine abschließende Geschichte, die alles zusammenführen sollte. Freilich war mit einem anscheinend bereits abgedrehten vierten Teil kein Ende zu erwarten. Dennoch verhaspelt sich The Cloverfield Paradox eher in seinen Ideen und macht ein so großes Fass auf, dass ein wirklicher Abschluss der Reihe ferner scheint als je zuvor.
Als einfach Weltraumhorror funktioniert der Film. Die Handlung ist klar, die Charaktere simpel. Ähnlich wie die Alien-Filme wirken auch die Cloverfield-Ableger aktuell einfach besser, wenn man nicht viel hinterfragt und versucht die Lücken der Vorgänger zu füllen. Diese Erwartungshaltung bei einem Film, welcher verspricht Antworten zu liefern, ist aber leider mehr als fragwürdig.
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