Mit Mord im Orient Express brachte Kenneth Branagh im Jahr 2017 nicht nur eines der meistverfilmten Bücher auf die Leinwand, er verkörperte den großen Detektiv Hercule Poirot sogar selbst! Während aber der erste Ableger einer neuen Reboot-Reihe noch an den Kinokassen klingelt, rumoren schon die Gerüchte um weitere Fortsetzungen. Denn nach dem Krimi im dem Zug gilt der damals direkte Nachfolger Tod auf dem Nil als nächstes Projekt für den belgischen Rätselrater.
Wer war der Mörder auf dem Dampfer?
Doch bevor wir uns in Zukunft an das neue Werk wagen, sollte ein Blick auf das Original aus dem Jahr 1978 geworfen werden. Denn auch wenn Hercule Poirot ein genialer Meisterdetektiv ist, bleibt es fragwürdig ob auch jede Geschichte unterhaltsam sein kann.
Tod auf dem Nil beginnt ähnlich wie sein Vorgänger. Ein weiteres Mal scheint der Meisterdetektiv an seinem Urlaubsort sein Rückwegticket vergessen zu haben und ein weiteres Mal findet sich Poirot inmitten von Intrigen, Mord und Mysterien wieder. Nach einem Urlaub in Ägypten scheint dabei anfänglich eigentlich alles perfekt zu laufen, doch als auf dem Rückweg aus den Flitterwochen die reiche Linnet Ridgeway (Lois Chiles), frisch vermählte Frau des jungen Simon Doyle (Simon MacCorkindale) ermordet aufgefunden wird, entdeckt sich Poirot in einer altbekannten Lage: Umzingelt von Fremden und jeder ist ein Verdächtiger!
Typecasting & Oberflächlichkeit
Die Geschichte von Tod auf dem Nil ist dem Vorgänger nicht unähnlich. Doch vor allem für Fans von Mord im Orient Express weiß man mit dem alten Rezept noch gut zu unterhalten. Man nehme ein Fahrzeug, abgeschottet von der Außenwelt und voll mit verdächtigen, zwielichtigen Charakteren. Klar verfällt auch dieses Agatha Christie Werk vielen Klischees.
Der böse, geldgierige Notar, die reiche Witwe, das junge, reiche Paar. Alle Charaktere wollen oder haben zu viel Geld und scheinen allein durch diesen Aspekt in ihrer Persönlichkeit definiert. Was in Mord im Orient Express noch interessant und vielschichtig durch bekannte Schauspieler wie Sean Connery und Anthony Perkins war, verfällt im Tod auf dem Nil in Typecasting und Oberflächlichkeit.
Abseits des Hauptdarstellers Peter Ustinov (Spartacus) als Detektiv Hercule Poirot dürfte vielen einzig Angela Lansbury (Mord ist ihr Hobby) ein Begriff sein.
Selbstverständlich ist vor allem dieser Kritikpunkt ein starker Blick aus der Retrospektive, doch zum einen soll der Film ja aus dem heutigen Blickwinkel erörtert werden und zum anderen gibt es wohl auch einen Grund warum Connery sowohl vor als auch nach Mord im Orient Express James Bond verkörpern durfte, während sein Nachfolger Simon MacCorkindale einen Auftritt in Der weiße Hai 3 zum Besten gab.
Mördersuche ohne Spuren
Der Zuschauer hat keine wirkliche Möglichkeit mitzuraten oder zu grübeln. Zu abstrus wirken einige Geistesblitze des Belgiers, zu unlogisch die Auflösung. Kleine geniale Twists wie sie noch im Vorgänger zu finden waren, existieren nicht. Stattdessen wird am Ende ein Fall aufgelöst, wie ihn ein Außenstehender einfach niemals erkennen konnte. Das macht den Film nicht nur allgemein schwächer, sondern nimmt auch zu großen Teilen einen „Wiederschau“-Wert, der twistreiche Filme wie Lucky Number Slevin oder Memento eben so besonders machen.
Wer also hofft, ein weiteres Mal mit Hercule Poirot auf Spurensuche zu gehen, geht leider leer aus. Diesmal ist man eben nicht selbst der Detektiv, sondern sitzt nur mit ihm im selben Boot.
Regie: John Guillermin
Drehbuch: Anthony Shaffer
Musik: Nino Rota
Darsteller: Peter Ustinov, Jane Birkin, Lois Chiles, Bette Davis, Mia Farrow, Jon Finch, Olivia Hussey, George Kennedy, Angela Lansbury, Simon MacCorkindale, David Niven, Maggie Smith, Jack Warden, I. S. Johar