Das Franchise Saw hat ein simples Prinzip: Viel Gewalt, kreative Fallen, eine Puppe, die uns erklärt warum jeder Mensch im innersten schlecht ist und Tobin Bell als Jigsaw. Die Story bleibt nebensächlich, die Motive aller Charaktere bis zum Ende fragwürdig und natürlich gibt es jedes Filmende mit einer feinen Prise „Twist“!
Eigentlich möchte man meinen, so ein Konzept sei mittlerweile verbraucht und nicht mehr interessant für den Zuschauer, dass es auf den DVD-Markt verbannt wird und die große Leinwand nicht mehr besuchen darf. Aber wer das denkt, hat nicht mit Hollywood gerechnet.
Nachdem Filme wie Get Out und The Witch in den vergangenen Jahren gezeigt haben, was das Horror-Genre in der heutigen Zeit noch Neues zu bieten hat, bedienen sich andere, weniger kreative Studios wieder an der Nostalgie-Truhe. Tobin Bell wurde abermals erweckt und somit steht einem neuen Teil der Torture-Porn Reihe nichts mehr im Wege!
Jigsaw beginnt wie alle Saw Filme zuvor mit der klassischen Eröffnung: Einer … Autoverfolgungsjagd. Nicht falsch gelesen, der 2017-Ableger einer eigentlich tot geglaubten Reihe mit fest gefahrenem Konzept eröffnet seine Wiederauferstehung wie eine Folge Law & Order. Würde man bei anderen Filmen von einem mutigen Experiment sprechen, wirkt die erste Szene des Films einfach komplett deplatziert und verwirrend.
Wäre nicht gerade eben noch das Twisted Pictures-Logo über die Leinwand geflogen, würde man glauben, man hätte sich aus Versehen in American Assassin gesetzt. Denn auch das klassische, farbarme Colour Grading fehlt dem Film. Die Hilflosigkeit. Die bedrückende Stimmung eines Horrorfilms.
Stattdessen findet man sich am helllichten Tag in einer Schießerei wieder bis die ersten Anspielungen auf die Saw-Reihe gegeben werden. Ein Spiel soll gestartet haben. Fünf Leute müssen vielleicht sterben! Und das alles obwohl John Kramer alias Jigsaw doch seit nunmehr 10 Jahren verstorben ist.
Während die Polizisten gerade erst mit dem Grübeln beginnen, häufen sich bereits die Vorfälle und Funde von Leichen. Und auch wenn der Haufen deutlich kleiner bleibt als der Trailer zu vermuten mag, beginnt erneut ein Katz und Maus Spiel, in welchem der Jigsaw Killer selbst aus seinem Grab immer noch einen Schritt voraus scheint. Aber wer steckt hinter den grausamen Morden? Ist John Kramer tatsächlich wieder auferstanden oder ist ein Trittbrettfahrer unterwegs?
Mehr soll an dieser Stelle gar nicht mal zu den Schauspielern, dem Plot oder dem Rest des Films verraten werden. Nicht, dass es hier ohnehin kaum Interessantes zu erzählen gebe, aber das gewisse Maß an Überraschungen ist einer der wenigen Pluspunkte, der dem Film bleibt.
Dass der Film Jigsaw Potenzial hatte, mag schon zu weit hergeholt klingen. Schließlich ist die Reihe bereits seit der ersten Fortsetzung fest gefahren und kann außer seiner perversen Gewalt mit keiner wahren Innovation mehr auftreten. Stattdessen versuchte sich jeder weitere Teil in Brutalität oder Tabus zu übertrumpfen, während die Charaktere durchsichtiger, die Geschichte flacher und die Twists vorhersehbarer wurden. Trotzdem hatte die Reihe ihre Anhänger. Die Torture-Porn Liebhaber, die das immer seltsamere, verworrene Netz rund um John Kramer einfach weiter vernetzt sehen wollten und jede Fortsetzung kaum erwarten konnten.
Wer jetzt in der Neuauflage der Filmserie Antworten auf alte Fragen erwartet darf schon mal vorgewarnt werden: Die gibt es nicht. Wer von Jigsaw eine twistreiche spannende Achterbahnfahrt der Gefühle erwartet darf gewarnt werden: Die Gibt es nicht! Und wer denn Film nur wegen seiner perversen Gewalt besucht und von der Geschichte nicht viel erwartet muss auch hier gewarnt werden: Selbst das hält sich für einen Saw-Film in Grenzen.
Schluss ist mit der Eröffnungsszene, der meist kreativsten Falle der Reihe. Vorbei ist es mit chirurgisch präzisen Fallen wie in Saw 4 oder klaustrophobisch einschüchternden Fallen aus Saw 5. Stattdessen gibt es Kreissägen. Und Messer. Und Mistgabeln. Und Laserschneider. Und noch mehr Kreissägen.
Nun mag der Mangel an perversen, brutalen Waffen als Kritikpunkt durchaus makaber klingen, doch ist es genau das was die ursprünglichen Fans der Reihe Jahr über Jahr in die Kinos gelockt hat. Denn wen lockt man in einen Saw-Film, wenn nicht eben die wirklichen Fans der Reihe? Die mit dem Stahlmagen. Die sich noch heute an jede Falle der alten Teile erinnern können. Die sofort nach Release ins Kino laufen. Aber genau hier schießt sich der Film ins Bein. Denn als Horrorfilm funktioniert Jigsaw eigentlich. Aber als Ableger einer Reihe, die bereits jetzt deutlich zu viele Teile gesehen hat, ist er einfach nur eine der vielen unambitionierten, Cashgrab-Wiederbelebungen eines totgeglaubten (oder erhofften) Franchise.
Das große Problem an Jigsaw ist schlussendlich trotzdem nicht sein fehlendes Maß an Gewalt. Der Film ist weiterhin nichts für schwache Mägen und Nerven und wird zweifelsohne den ein oder anderen Zuschauer zum Zucken bringen. Das größte Problem des Films ist sein „Malen nach Zahlen“-Prinzip. Zu sehr verläuft der Film parallel mit bereits bestehenden Filmen der Reihe. Zu vorhersehbarer sind viele, viele Wendungen. Zu offensichtlich sind seine Charaktere nach alten Archetypen gebaut, um dem Zuschauer genau zu erklären auf welcher Seite er am Ende zu stehen hat.
Und selbst die simpelsten, stilistischen Elemente, die eben jeden Saw-Film zu dem gemacht haben was er ist, sind schlichtweg nicht vorhanden. Die Licht-Atmosphäre, der dunkle, farbarme Stil, die Kamerafahrten. Alle diese markanten Elemente wurden ignoriert, um einen schnell produzierten Horrorfilm abzudrehen, bevor man ihn mit einem altbekannten Namen versieht. Das Ende ist vorhersehbar und gleichmäßig lachhaft und geradezu zum Heulen. Denn der Film zeigt an einigen Stellen wahres Potenzial, nur um schlussendlich in genau die selben Fettnäpfchen zu treten, die bereits die vorigen Teile platt gelaufen haben.
Wer sich bis jetzt von der Serie fern gehalten hat und dennoch Jigsaw im Kino zu sehen plant, der mag unterhalten werden. Wer jedoch als Fan der Reihe einen neuen Ableger erhofft, der aus alten Fehlern gelernt hat und versucht einen neuen Weg einzuschlagen, der ist einfach nur in eine miese Falle getappt und mag sich wie so manches Jigsaw Opfer nach kurzer Zeit das schnelle Ende herbei wünschen. Nicht Jigsaw hat dieses Mal die letzten, abschließenden Worte, sondern der Zuschauer: Game Over.
Regie: Michael Spierig, Peter Spierig
Drehbuch: Josh Stolberg, Pete Goldfinger
Musik: Charlie Clouser
Darsteller: Matt Passmore, Callum Keith Rennie, Clé Bennett, Hannah Emily Anderson, Laura Vandervoort, Tobin Bell
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