Jeder wurde doch bestimmt schon gefragt, ob er gewisse Kultfilme schon gesehen hat. Pulp Fiction, Titanic, Forrest Gump? Und nur, weil man ein Zitat aus Fight Club nicht erkennt, hat man schon keine Ahnung von guten Filmen. Doch eine Geheimwaffe gibt es noch mit der man kontern kann: Der blutige Pfad Gottes (nicht die vom Original kopierte Fortsetzung natürlich, nur der erste ist Kult!).
Die Actionkomödie von Regisseur Troy Duffy aus dem Jahre 1999 hat sich nach einem US-Kinostart in nur fünf Kinos zu einem geheimen Publikumsliebling aufgeschwungen, was nicht nur eine hohe Wertung bei imdb zeigt, die weit besser als die Kritikerrezensionen abschneidet. Zwar mag nicht jeder den schmutzigen, direkten Look, der mit nur 7 Mio. Dollar sehr günstigen Produktion, oder ihr kontroverses Thema, doch fasziniert die meisten die kultige Ausstrahlung des FSK 18 Films.
Die irischen Brüder Connor (Sean Patrick Flanery) und Murphy MacManus (Norman Reedus) arbeiten in einer Fleischfabrik und sind zu jedem derben Spaß zu haben. Beliebt im Freundeskreis, zu dem auch der Laufjunge der italienischen Mafia Rocco (David Della Rocco) gehört, sind sie aber wegen ihrer Liebenswürdigkeit trotzdem überaus und zudem noch tief religiös.
Als dann aber am Saint Patricks Day die russische Mafia ihre Bar schließen will, ist es vorbei mit der Freundlichkeit und sie machen den Schlägern wortwörtlich Feuer unter dem Hintern. Doch diese lassen nicht mit sich spaßen und kommen mit tödlichen Absichten zurück, unterschätzen dabei aber den Zusammenhalt der beiden Iren und landen selber tot in der Gosse.
Und für diesen Fall der Notwehr gegen das organisierte Verbrechen werden die MacManus sogar von den Menschen gefeiert und zu Heiligen erklärt. Auf ihrer Seite ist auch der überaus begabte FBI-Ermittler Paul Smecker (Willem Dafoe), der schon ihre erste Tat aufklärte. So beflügelt entschließen sich die beiden mit ihrem Gottesgericht fortzufahren und auch an allen anderen Verbrechern Bostons „Gerechtigkeit zu üben“. Doch die Mafia ergibt sich nicht kampflos und ein unbesiegbarer Killer wird aus dem Gefängnis geholt. Ein tödlicher Feldzug beginnt!
Erzählt werden die Attentate der draufgängerischen „Gotteskrieger“ in einem Stil, der in den letzten Jahren in der Serie Sherlock sehr beliebt war; Smeckers geübter Verstand setzt die Hergänge aus unmöglich kleinen Hinweisen zusammen, was im Laufe des Films immer mehr mit den Szenen des wirklichen Hergangs gemischt wird. Diese Szenen sehen wirklich cool aus, auch wenn die gewaltverherrlichende Darstellung von dutzenden Menschen, die in Zeitlupe Blut verspritzend erschossen werden, nicht jedem gefällt. Stichwort FSK 18.
Doch zusammen mit Willem Dafoes überragender Darstellung eines genialen aber exzentrischen Ermittlers bleiben besonders diese unkonventionellen Attentate die tarantino-blutig-dramatisch gefilmt wurden in Erinnerung. Der mit purer Emotion ermittelnde Smecker; zwischen Witzen über seine Ermittlerkollegen und laut geäußerter Frustration über die Rätsel die sich ihm auftun, führt wunderbar durch den Film und hält ihn zusammen. Dem gegenüber stehen einige abrupte Szenenwechsel zwischen den Ermittlungen und der Tat, die sich damit wunderbar zweischichtig nacherzählen lässt. Und wem diese brutale Ermittlungsgeschichte noch nicht genug ist muss sich nur Smeckers Gegenspieler angucken. Oder sind sie überhaupt seine Gegenspieler?
Die MacManus Brüder räumen mit tödlicher Genauigkeit im Bostoner Untergrund auf und streiten sich dabei mit kindlicher Naivität über Kleinigkeiten. Die ständigen stumpfen Witze zwischen ihnen über denen aber die absolute Loyalität zueinander und ihren Freunden steht, ist rührend und sehr sympathisch während ihre kalte Tödlichkeit gegenüber Sündern gruselig wirkt. Die Todesstrafe für Verbrecher ist damit das kontroverse Thema des Films, deren Ausführung durch die symphytischen „Saints“ die Frage nach ihrer moralischen Einordnung viel ausgeglichener macht. Auf eine weniger brutale Weise ist dieses Thema der Selbstjustiz in den heutigen Superheldenfilmen aus dem Hause Marvel immer noch sehr aktuell.
Doch will der Film die meiste Zeit keine politischen Fragen diskutieren, sondern Spaß machen. Man folgt dem chaotischen Pfad der Brüder, die in ihrem Treiben Unterstützung von ihrem Freund Rocco bekommen. Dieser wird das bevorzugte Ziel ihrer fiesen Witze an denen der Film wirklich nicht arm ist. Auch wirkt ihre Zielauswahl lächerlich willkürlich, genau wie ihre Durchführung. Das nimmt dem Ganzen die Spitze der moralischen Frage.
Die Charaktere sind überzeichnet schrill und auf eine erfrischende Art und Weise direkt: Sie wirken nicht an Moral oder Gewissen gebunden und wechseln von einem Moment auf den anderen ihre Stimmung. Hier fragt man sich zwar manchmal warum, aber es sogt für dauerhafte Spannung in den Konfrontationen der Charaktere; ein Stilmittel bei dem sich auch schon Pulp Fiction bediente.Schwächen zeigt Der Blutige Pfad Gottes (Originaltitel: The Boondock Saints) ab und zu in kargen Kulissen oder simplen Requisiten. Auch wirken manche Szenen unzusammenhängend aufgrund der zweischichtigen Erzählung der Attentate. Denn auch wenn dieses sehr gut funktioniert, fühlt man sich jedes Mal aus dem Zusammenhang gerissen. Dafür hat die Actionkomödie aber auch noch eine große Stärke: Der Soundtrack. Angefangen mit friedlichem Irish Folk passend zu den harmonisch kumpelhaften Szenen, über Kirchenchöre bis hin zu Kämpfen, die typisch 90er mit Industrial im Style von Matrix begleitet werden.
Troy Duffy hat sehr facettenreiche Wege gefunden, um seine Hauptcharaktere auf ihrem Weg zwischen Gesetz und Moral auf eine einzigartige Weise abzubilden. MIt brutalen Kampfszenen und makaberen Sprüche, die im Kopf bleiben. Sprunghafte Hauptcharaktere, die zwischen herzlich und tödlich schwanken. Und der Titelsong sollte ab jetzt bei keiner St Patricks Day Feier mehr fehlen.
Trotz seinem beschränkten Budget und ein paar Schwächen in der Story-Entwicklung kann ich den herzlich direkten Der Blutige Pfad Gottes jedem nur ans Herz legen, der seine Liste an Kultfilmen noch erweitern möchte!
Bildrechte: Capelight Pictures