Where to Invade Next (2015) | Filmkritik

Michael Moore, das personifizierte moralische Gewissen der Vereinigten Staaten von Amerika, hat wieder zugeschlagen. 6 Jahre nach seinem letzten Streich Kapitalismus – Eine Liebesgeschichte hat sich der Oscar-prämierte Dokumentarfilmer (Bowling for Columbine) wieder mit seiner Kamera auf die Reise gemacht, um Misstände der amerikanischen Gesellschaft anzuprangern und für Alternativen zu werben. Diesmal allerdings geht es nicht wie allen seinen Werken zuvor um Misstände in Amerika selbst und auch seine Reise führt ihn erstmals heraus aus Amerika, gar auf einen anderen Kontinent: Europa. Was er dort sucht, findet und entdeckt ist eine heitere Mischung aus politischen Ideen, anregenden Gesprächspartnern und netten Anekdoten.

Mit einem großen satirischen Augenzwinkern stellt sich Moore zu Beginn des Films in die Tradition des amerikanischen Imperialismus der vergangenen Jahrzehnte und überlegt welche Länder sich als nächstes zur Eroberung von Ressourcen oder der Interessen halber eignen. Doch anstatt Vietnam, Korea, Irak oder Afghanistan hat er dabei gleich ganz Europa ins Auge gefasst. Und auch sein Interesse gilt dabei eher den Ideen und Anregungen, die jene Länder bieten, von denen seinem kriselnden Heimatland einige seiner Meinung nach gut tun würden.

Im Laufe seiner Reise besucht der Filmemacher mit der markanten Basecap dabei allerhand Staaten Europas sowie Tunesien. Dabei kommt er unter anderem in Berührung mit delikatem französischem Essen, ist beeindruckt von italienischer Lebenslust und deutscher Vergangenheitsbewältigung oder auch dem norwegischen Umgang mit Straftätern.

Ganz klar, es geht Michael Moore auch in diesem Film darum Misstände in seiner Heimat aufzuzeigen und anzuprangern. Aber im Gegensatz zu seinen vorherigen Werken wählt er dazu in diesem Fall eine andere Perspektive. Er hat zwar bereits in Bowling für Columbine oder Sicko oder seiner Kapitalismus-Liebeserklärung immer wieder auf Europa verwiesen, im Kern hat er jedoch die Lösung vor der eigenen Haustür gesucht. Mit Where To Invade Next wählt er auf erfrischende Weise eine ganz und gar externe Sicht auf Amerika.

Die Idee des Films, in anderen Ländern zu schauen, was es für Lösungen gibt, die Amerikas Probleme beheben könnten, verleiht dem Ganzen dabei eine sehr entspannte und bisweilen naive Atmosphäre. Moore gibt sich ungewohnt wenig kämpferisch, sondern spielt den neugierigen Amerikaner, der bisweilen demütig nach Europa kommt, weil es sich hier scheinbar besser zu leben scheint. Natürlich, seine Auswahl ist sehr wählerisch und manche mögen ihm vorwerfen er picke bloß die Rosinen in jedem Land heraus, soviel besser ist Europa doch überhaupt nicht. Aber eben genau das ist die Intention und der Clou bei dieser Moore’schen Entdeckungsreise. Mit seinem filmischen Reisetagebuch möchte Moore seinen (amerikanischen) Zuschauern verdeutlichen, dass es in einigen Dingen der Gesellschaft durchaus lohnenswerter Alternativen und Möglichkeiten gibt um den Status Quo zu ändern.

Where to Invade Next – Jetzt bei amazon.de bestellen!

Und obwohl er sich dabei dezidiert an seine amerikanischen Mitbürger wendet, so kann auch der europäische Zuseher hier viele interessante Dinge finden, gerade in diesen Zeiten in denen sich Europa schwer tut seine ursprüngliche Idee zu bewahren. Des Weiteren zieht Moore immer wieder auch den Vergleich zu den USA heran, bei dem diese im Sinne Moores natürlich ganz schlecht abschneiden. Auch hier gelingt ihm immer wieder gekonnt der Spagat zwischen Unterhaltung und Information, für den er berühmt-berüchtigt ist. Und ganz abgesehen von der politischen Botschaft und seinem moralischen Anliegen, dass er hier transportieren möchte ist eine der bemerkenswerten Dinge an Where to Invade Next seine lockere, unbeschwingte, für Michael Moore Verhältnisse beinahe heitere Art. Mit der naiven Neugier eines Kindes präsentiert er Europa als einen geradezu paradiesischen Ort.

Dass er dabei selbstverständlich, wie es einfach seine Art ist, extrem parteiisch und bisweilen manipulativ daher kommt, dürfte wie in all seinen bisherigen Werken sicher polarisieren. Und auch seinen Kritikern macht er es damit sicher leicht, wenn er eine recht deutliche Schwarz-Weiß-Malerei betreibt. Es lässt sich aber nicht leugnen, dass Moore hier das Herz am rechten Fleck hat und mit Where to Invade Next viele positive Dinge transportiert. Als Dokumentation lässt sich der Film allerdings nur schwer bezeichnen, unterhaltsam ist er dennoch. Das liegt zum einen an Moores Art, den Film zu schneiden, Dinge zu präsentieren und seinem Talent für das Einbauen von Clips aus diversen Medien und Filmen. Zum Anderen liegt es aber auch an der positiven Message, die er diesmal präsentieren will und seinen Protagonisten vor der Kamera.

Auch wenn sich das Prozedere im Laufe happigen 120 Minuten dann doch etwas zieht, Michael Moore ist wieder einmal ein unterhaltsames Stück Meinungskino gelungen, das ungewöhnlich positiv daherkommt und dennoch wie gewohnt zum Nachdenken anregt.

Regie: Michael Moore
Drehbuch: Michael Moore
Musik: Dan Evans Farkas, Heather Kreamer
Darsteller: Michael Moore, Krista Kiuru, Tim Walker, Vigdís Finnbogadóttir

Ähnliche Beiträge

Dicks: The Musical (2023) | Filmkritik

Helden aus der zweiten Reihe (2000) | Filmkritik

IF: Imaginäre Freunde (2024) | Filmkritik