The Jungle Book (2016) | Filmkritik

Probier’s mal mit Gemütlichkeit. Wer kennt ihn nicht, den unvergesslichen Ohrwurm aus Disneys Zeichentrick-Klassiker Das Dschungelbuch aus dem Jahre 1967?

Der beschwingte und lebensfrohe Song setzte damals den Ton für den unterhaltsamen Trickfilm, der mit seiner fröhlichen Interpretation von Rudyard Kiplings gleichnamigem Buch seinerzeit allein in Deutschland knapp 24 Millionen Besucher in die Kinos lockte. Doch mit der Gemütlichkeit und Leichtigkeit ist es in der neuesten Realverfilmung des Romans etwas weiter her, denn was Regisseur Jon Favreau (Iron Man) hier mit beeindruckendender Animationstechnick auf die Leinwand zaubert, ist beizeiten deutlich düsterer und ernster als noch im Zeichentrick – Dauerbrenner von Wolfgang Reithermann. Favreaus Neuauflage gerät nichtsdestotrotz zu einem unterhaltsamen Kinoerlebnis, das visuell atemberaubend ist und zum Staunen einlädt, dem es hier und da aber am Charme und Herz des Originals mangelt.

Das Waisenkind Mogli (Neel Sethi) wird im Dschungel von Panther Baghir (im Deutschen gesprochen von Joachim Krol) gefunden, der es in die Obhut eines befreundeten Wolfsrudels gibt. Dort wird der Junge Mensch von Wölfin Raksha (Heike Makatsch) und Rudelführer Akela (Justus von Dohnanyi) aufgezogen und das Überleben gelehrt. Als der furchterregende Tiger Shir Khan (Ben Becker) jedoch den Frieden des Dschungels und das Leben Moglis bedroht, entschließt sich das Findelkind, auf den Rat Baghiras hin, den Dschungel zu verlassen. Auf seiner Odyssee durch den Urwald freundet sich der tapfere Junge unter anderem mit dem Bären Balu (Armin Rohde) an, trifft auf die mysteriöse Schlange Kaa (Jessica Schwarz) und macht die Bekanntschaft des despotischen Affenherrschers King Louie (Christian Berkel).

Als die ersten Trailer zum Film auftauchten, gab es vermutlich einige die stöhnten, das sei doch nur wieder ein Versuch Disneys aus einem bekannten Namen Geld zu machen. Andere mögen sich angesichts der Trailer-Eindrücke auch auf einen seelenlosen CGI-Overkill eingestellt haben. Ersteres lässt sich sicherlich nicht ohne Weiteres widerlegen und ist wohl auch nicht von der Hand zu weisen. Zweitere Befürchtung kann aber hier zu Beginn direkt genommen werden: Die größte Stärke dieser Verfilmung sind die beinahe wirklichkeitsgetreuen Animationen des Dschungels und seiner tierischen Bewohner.

Jon Favreau und sein Team von 800 Animationskünstlern entschieden sich, bis auf den menschlichen Hauptdarsteller und die wenigen anderen Kurzauftritte echter Darsteller, sämtliche Aufnahmen am Computer zu generieren. So entstanden jegliche Szenen vor Green-Screen und nicht eine einzige Landschaftsaufnahme an echten Drehorten. Das mag auf den ersten Blick befremdlich klingen, birgt die Natur des Dschungels doch eine komplexe Fülle an Detailreichtum. Doch das Risiko dieses gigantischen Rechenaufwandes hat sich bezahlt gemacht. Die tierischen Protagonisten um Balu, Baghira und Shir Khan sehen beeindruckend lebensecht aus und auch die zahlreichen Dschungelaufnahmen bringen die Augen zum Staunen. Man muss den Machern das Kompliment machen, dass man während des Films kaum mal einen Moment realisiert, dass alles was man sieht lediglich Animation ist.

Durch diesen technischen Kraftakt gelingt es The Jungle Book auch, seinen tierischen Charakteren Leben einzuhauchen und aus Baghira, Balu und den Wölfen echte Sympathieträger zu machen. Was Bösewicht Shir Khan angeht, so zeigt sich gerade hier die neue Düsternis in Favreaus Interpretation. Der rachsüchtige Tiger sieht nicht nur bedrohlich aus, er geht auch ebenso brutal vor. Einer der besten Momente des Films ist daher auch sein erster Auftritt vor den versammelten Bewohnern des Dschungels, bei der man auch den deutschen Synchronsprecher Joachim Krol für die bedrohliche Aura mitverantwortlich machen und loben muss. Ein weiterer Beleg für das Gelingen dieser Verfilmung ist der Umstand, dass dies bei Weitem nicht die einzige starke Szene ist. So ist der Besuch im Tempel von Affenkönig King Louie ebenso atmosphärisch und kraftvoll inszeniert wie die finale Konfrontation zwischen den Helden und Bösewicht Shir Khan. Auch der Einbau des unvermeidbaren „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ und dessen leichte Variation bilden eine beschwingte Szenerie und transportieren das Verhältnis zwischen Mogli und Balu auf bekannt liebenswerte Art und Weise.

Anhand dieser Aufzählung an starken Momenten wird jedoch auch eine Schwäche offenbart. The Jungle Book hat definitiv viele schöne und gelungene Momente, kann aber hier und da nicht das Problem kaschieren, doch nicht mehr als eine Nummernrevue solcher Momente zu sein. Exemplarisch hierfür ist die Szene, in der Mogli von der zwielichtigen Schlange Kaa in Gewahrsam genommen wird: So atmosphärisch und gutaussehend das Ganze auch wirken mag, es wirkt doch etwas entkoppelt vom restlichen Handlungsverlauf und dient dieser nur als Exposition.

Die Handlung des Orginals wird hier ohnehin kaum variiert und so wird der junge Mogli ohne große Umschweife von einem Ort zum Nächsten geschickt bei dem sich immer wieder stimmungsvolle Szenarien auftun. Dass Hauptdarsteller Neel Sethi in seiner ersten Rolle leider mitunter das nötige Charisma abgeht und es nicht immer gelingt, Mogli zum emotionalen Zentrum des Films zu machen, trägt dann allerdings doch zum Eindruck bei, dass der Charme des Films hier mehr aus der technischen Brillanz rührt als aus seiner Handlung und den Charakteren.

Alles in allem ist das jedoch Kritik auf hohem Niveau, denn The Jungle Book bietet trotzdem, auch aufgrund seiner für heutige Maßstäbe fast schon kurzen Laufzeit 105 Minuten und der rasanten Inszenierung, ein vor allem visuell überzeugendes Kinoerlebnis für große und kleine Zuschauer.

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