Raum (2015) | Filmkritik

Raum (2015)

Wie würden wir unsere Welt sehen, wenn wir unser gesamtes Leben nur in einem Raum verbracht hätten? Der kleine Jack ist fünf Jahre alt und hat außer dem kleinen Zimmer, in welchem er geboren und aufgewachsen ist, noch nichts auf diesem Planeten gesehen. Lediglich ein kleines Dachfenster bietet ihm und seiner Mutter einen Blick ins Freie. Doch Jacks Welt ist der Raum und alles außerhalb ist das große weite Universum, welches ihm unergründlich erscheint. Zu gerne würde er die ganzen Außerirdischen, die er tagtäglich im Fernsehen zu sehen bekommt, kennenlernen. Doch für den kleinen Jungen gibt es nichts außerhalb des Zimmers. Der Raum ist sein Leben.

Die junge Joy wurde vor einigen Jahren von einem Mann entführt. Sie wurde gefangen, eingesperrt und regelmäßig misshandelt. Der grausame, von ihr nur als „Old Nick“ bezeichnete, Übeltäter vergeht sich immer wieder an der jungen Frau und zeugt schließlich sogar ein Kind mit ihr. In all dieser Zeit lässt er sie nie aus seinem grausamen Verlies, welches er in einer kleinen Gartenhütte für sein Opfer gebaut hat. In dem winzigen Zimmer ist lediglich eine Badewanne, eine Toilette, ein Bett, ein Kleiderschrank und eine spärliche Küche. Als der kleine Jack geboren wird, wird auch er, wie seine Mutter, gezwungen, sein Dasein in dem Raum zu verbringen. Doch das kleine Kind weiß noch nicht mal etwas von seinem tragischen Schicksal.

© Universal Pictures

Jacks Mutter Joy malt ein Bild für den Jungen, in welchem sie die einzigen relevanten Personen auf ihrem eigenen kleinen Planeten sind. Der Raum ist ihre Welt. Außerhalb des Raumes ist das Weltall, in welchem all die anderen Planeten mit den anderen Menschen zu sehen sind. Old Nick, der die Beiden im Wochenrhythmus mit zum Überleben notwendigen Utensilien versorgt, scheint eine mystische Figur, die immer wieder Gegenstände herbeizaubern kann, die Jack sich zutiefst wünscht. Im Fernsehen sieht der kleine Junge immer wieder Menschen und Tiere, die für ihn auf anderen Planeten leben. All die Tiere und Dinge die er in dem Gerät erkennt sind jedoch nicht real. Lediglich zweidimensionale Projektionen von sagenhaften Geschichten. Nur was in seinem Raum zu finden ist, ist auch wirklich real.

Joy kennt die Welt außerhalb des Raumes. Hoffnungsvoll, irgendwann aus dem Raum entkommen zu können, versucht sie ihrem Sohn eine eigene kleine, glückliche Welt zu schaffen, anstatt ihn mit dem blanken Horror zu konfrontieren, den sie Beide erfahren. Abgemagert und schwach versucht sie auf jede mögliche Weise ihrem Sohn eine so wunderbare, makellose Welt zu malen, dass dieser niemals an ihren Worten zweifeln kann. Kennt er doch außer ihr nur „Old Nick“ und von dem hält seine Mutter ihn fern.

Als Jack fünf wird beschließt seine Mutter jedoch zum ersten Mal ihr Schweigen zu brechen. Sie heckt einen geschickten Plan aus, um ihrem Kidnapper zu entkommen und endlich zurück in die Freiheit zu gelangen. Doch als ihr Coup gelingt und sie es schließlich schafft mit ihrem Sohn aus dem Verlies zu fliehen, erkennt die junge Frau, dass ihre Freiheit viel mehr mit sich bringt, denn plötzlich sieht sich der kleine Jack mit einer Welt konfrontiert, die er nicht kennt. Voller Gesichter und neuer Dinge, die den kleinen Jungen immer wieder überfordern. Und auch Joy ist zurück in einer Welt, die ihr fremd ist. Die junge Mutter durchlebt mit ihrem Sohn einen herzzerreißenden Kampf um Verständnis und den Versuch sich in eine Welt einzugliedern, die sie nicht versteht und die niemals nachvollziehen kann, was ihnen angetan wurde.

© Universal Pictures

Raum ist eine wunderschöne, sowie tragische Geschichte um eine Mutter mit ihrem Kind, die sich Herausforderungen stellen müssen, welche sich normale Menschen wohl nicht mal vorstellen könnten. Inspiriert nach der wahren Geschichte um Josef Fritzl erzählt die Handlung das Leben der bereits jung entführten und festgehaltenen Joy, die von ihrem Entführer immer wieder missbraucht wird. Irgendwann gebärt sie sogar sein Kind, welchem der Vergewaltiger ebenfalls die Freiheit verwehrt. Unsicher über ihre eigene Zukunft beginnt die junge Mutter, ihrem Sohn Jack eine Welt zu malen, wie sie in ihrer Situation niemals schöner sein könnte. So ist nichts außerhalb des Raumes wirklich real. Tiere, Bäume, all die Dinge die wir als selbstverständlich erachten, kennt der kleine Junge nur aus dem Fernseher. Und genau das ist es für ihn: Fantasie. Jack malt sich seine eigene Welt, in der er schon alles weiß, in der er der klügste und stärkste ist und eine, in welcher er sich wohl fühlt. Denn er kennt das Leben gar nicht anders.

Brie Larson (Short Term 12 – Stille Helden) ist in ihrer Rolle unglaublich. Die Verbindung einer starken, hoffnungsvollen Mutter und einer überforderten, seelisch wie körperlich zerstörten, jungen Frau ist überzeugend und erschreckend. Die Liebe, die sie ihrem Sohn zeigt, indem sie ihn von den unfassbaren Untaten und der Perversion schützt, ihm ein Bild einer Welt malt, welches ihm Zuversicht schenkt, ist unfassbar herzzerreißend inszeniert. Und vor allem als Kinderschauspieler zeigt Jacob Tremblay (Die Schlümpfe 2) eine grandiose Leistung. Sein Bild der Welt, in welcher er lebt, seine Gefühlsausbrüche und sein Kampf, als die Beiden endlich frei kommen, ist grandios inszeniert.

© Universal Pictures

Raum ist mitreißend, spektakulär und doch so simpel. Wenig Schauplätze, wenige Schauspieler und auch eine sehr simple Geschichte bauen ein wunderschönes Gesamtpaket, welches auch an mehreren Punkten auf die Tränendrüse drückt. Die wunderbare kleine, vollkommene Welt des Jungen, der innere Konflikt der Mutter und die Schwierigkeiten der Familie, die versucht, sie wieder in das normale Leben einzugliedern. All das ist so rund und nachvollziehbar inszeniert, dass man fast meint Brie Larson hätte das Grauen am eigenen Leibe erlebt.

Die schauspielerische Leistung aller Darsteller ist nahezu perfekt und lässt dem Zuschauer niemals Ruhe oder einen Moment des Zweifels. So ist es auch kein Wunder, dass sich Raum als Oscar-nominierter Film etabliert hat. Trotz des komplexen, wie traurigen Materials gelingt es dem Film eine wunderschöne Geschichte zu erzählen, die auch abseits der tragischen und einzigartigen Geschehnisse einige lehrreiche Momente bietet. Vielleicht gleiten dem Film aufgrund von starker Konkurrenz einige Preise durch die Finger, doch wir drücken Brie Larson aufgrund ihrer Performance fest die Daumen.

Bewertung

Trailer

Informationen
Raum | 17. März 2016 (Deutschland) 8.1
Regisseur: Lenny AbrahamsonDrehbuchautor: Emma DonoghueDarsteller: Brie Larson, Jacob Tremblay, Sean BridgersHandlung:

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Bildrechte: Universal Pictures

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