Pom Poko (1994) | Filmkritik

Pom Poko (1994)

Der Marderhund, eine Mischform aus Marder und Hund, lebte zunächst in Teilen Sibiriens, China und Japan. Doch durch die Einführung in Westrussland haben sich die Tiere mittlerweile auch in der Ukraine, Finnland und Deutschland ausgebreitet. Aber warum erzähle ich euch das eigentlich?

Zum einen zeigt es wie anpassungsfähig die hundeartigen Raubtiere sind, zum anderen bilden sie den Mittelpunkt des Studio Ghibli Films Pom Poko aus dem Jahr 1994. In den späten 1960er Jahren benötigen die Menschen in Tokio immer mehr Platz zum leben. Platz, der eigentlich bisher den Waldbewohnern und den friedlichen Marderhunden zustand. Der Wohnungsbau auf den Tama-Hügeln zerstört ihre Heimat immer stärker und zwingt sie dazu sich zurückzuziehen.

Als Lebensraum und Nahrung immer geringer werden, beschließen die weisesten des Stammes auf einem Treffen, dass man die alte Kunst der Verwandlung wiederbeleben muss, um den Menschen Einhalt zu gebieten. Nach einer harten Zeit des Trainings schaffen es zahlreiche Marderhunde die Kunst der Metamorphose zu erlernen und kurzzeitig sieht es wirklich so aus als könne man die Baupläne der Menschen stoppen.

Doch schon bald rollen die Bagger und Planierraupen wieder. Eine letzte Hoffnung besteht in drei weisen Lehrern, die die Menschen schon einmal mit Hilfe der Magie vertreiben konnten. Aber reicht ihr Zauber aus, um endlich wieder Frieden ins Tama-Hügelland zu bringen?

Die Schlacht der Marderhunde in der Heisei-Ära, wie das Werk übersetzt richtig heißt, stammt von den Gründervätern des Studio Ghiblis, Isao Takahata und Hayao Miyazaki. Während ersterer auf dem Regiestuhl Platz nahm und das Drehbuch verfasste, war Miyazaki für die Idee verantwortlich. Wie schon so oft in den Filmen dieser beiden ist der Dreh- und Angelpunkt die Natur, welche hier ungeschönt durch die Menschen bedroht und zerstört wird.

Die Protagonisten in Form der Marderhunde bilden jedoch den Fokus und hierbei bedient sich Pom Poko einem besonderen Mittel. Immer wieder wechselt der Film zwischen der lustigen, freundlichen Darstellung der Tiere und einer wilden, realistischen, die die Menschen zu Gesicht bekommen. Erzählerisch wird die Geschichte der Marderhunde ähnlich einer Dokumentation aufgebaut und der Zuschauer erfährt neben der Rettung der Heimat auch so einiges über die Nahrung, Paarung und Lebensart der Tiere.

Abseits davon handelt der Film von den verschiedenen Ansätzen, die unternommen werden, um die Menschen zu vertreiben. Selbst vor Gewalt wird letztendlich nicht zurückgeschreckt und Pom Poko arbeitet durch und durch daran seinem Publikum zu verdeutlichen, welche Auswirkungen bereits kleine Taten auf die Natur haben. Um dabei durchgehend die Emotionen aufrecht zu halten, die man als Beobachter der Marderhunde entwickeln muss, nimmt sich der Film viel Zeit, um das Leben der tierischen Protagonisten anschaulich und ausführlich zu erzählen. Bei fast zwei Stunden Laufzeit kommen dabei leider durchaus ein paar Längen auf und manche Situationen scheinen sich oft zu wiederholen.

Was die gestalterische Ebene anbelangt, präsentiert sich das Studio Ghibli wie so oft von seiner stärksten Seite. Detaillierte Hintergründe lassen den Zuschauer beinahe die Waldluft schnuppern und das Charakterdesign der Marderhunde und ihrer Verwandlungen ist so wechselhaft und liebevoll wie schon die Animationen in Mein Nachbar Totoro (1988).

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Auch wenn die wichtigsten Figuren mit Kleidungsstücken ausgestattet wurden, kann man jedoch gerne ab und an den Überblicken bei der großen Gruppe verlieren. Ein Höhepunkt der Geschichte ist zudem die Geisterparade, bei welcher die Marderhunde all ihre Magie einsetzen und in Form alter Geister und Dämonen durch die Stadt ziehen. Dieses farbenfrohe Spektakel erfreut die Stadtbewohner Tokios ebenso wie die Zuschauer.

Inhaltlich entwickelt sich Pom Poko mit fortschreitender Handlung immer stärker zu einer Moralpredigt. Während anfangs das Leben der Marderhunde noch schlicht und einfach erscheint, können auch sie bald nicht mehr die Augen vor ihrer Vernichtung schließen und wo der Zuschauer zu Beginn noch viele fröhliche Momente mit den haarigen Waldbewohnern teilen konnte, wird das Ende von Trauer und düsteren Momenten heimgesucht. Regisseur Isao Takahata schafft es hier gekonnt Mitleid und Verantwortungsbewusstsein zu wecken. Ähnlichkeiten zu dem düsteren Zeichentrickfilm Unten am Fluß (1978) oder der Fernsehserie Als die Tiere den Wald verließen sind unverkennbar.

Die Marderhunde stehen sinnbildlich für eine Vielzahl von Tieren, die dem Wachstum der Menschheit zum Opfer fallen. Pom Poko schlägt einen ernsteren Ton an im Vergleich zu anderen Werken des Studios und hinterlässt den Zuschauer am Ende mit gemischten Gefühlen über seine Einstellung zum Leben. Jung und Alt können aus dem Werk etwas mitnehmen und sehen die Natur vielleicht im Nachhinein mit anderen Augen.

Seit dem 19. Februar 2016 gibt es Pom Poko in einer Neuauflage auf Blu-ray, als Teil der Studio Ghibli Collection. Neben dem Hauptfilm in deutscher Sprache und japanischen O-Ton, sind ebenso Extras wie das komplette Storyboard zum Film und drei Postkarten enthalten.

Cast & Crew

Regie: Isao Takahata
Drehbuch: Isao Takahata
Musik: Shang Shang Typhoon
Stimmen (deutsch): Walter von Hauff, Anita Höfer, Mike Carl, Stefan Günther, Werner Uschkurat, Oliver Mink

Bewertung

Trailer

Informationen
Pom Poko | 16. Juli 1994 (Japan) 7.3

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Bildrechte: Universum Film

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