Carol (2015) | Filmkritik

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Erscheinen des Romans Salz und sein Preis, den Patricia Highsmith unter dem Pseudonym Claire Morgan schrieb, fand das lesbische Liebesdrama Einzug in die Kinos.

In New York im Jahre 1952 prallen die Welten zweier Frauen aufeinander. Carol Aird (Cate Blanchett) ist verheiratet, Mutter einer kleinen Tochter, erfahren, elegant und reich. Ihre Ehe mit Harge (Kyle Chandler) steht kurz vor der Scheidung – obwohl er verbissen um die Verbindung kämpft. Im Weihnachtstrubel trifft Carol in einem Warenhaus auf die unerfahrene Verkäuferin Therese Belivet (Rooney Mara). Sie ist Anfang zwanzig, hat einen Freund, den sie nicht liebt, und einen Beruf, in den sie gerade erst hineinwächst.

Beim Kauf eines Geschenks lässt Carol mit Absicht ihre Handschuhe liegen, um mit Therese in Kontakt zu kommen. Und tatsächlich freunden sich die beiden so ungleichen Frauen schnell an und verlieben sich allmählich ineinander – sehr zum Unwillen von Carols Mann, der immer noch geschockt von einer früheren Affäre seiner Frau mit ihrer besten Freundin Abby (Sarah Paulson) ist. Zudem stellt er ihre Fähigkeiten als Mutter in Frage und will das alleinige Sorgerecht für die Tochter. Sind unter diesen Umständen die Hindernisse um Alter, Status, Vermögen und der gleichgeschlechtlichen Liebe überwindbar?

Patricia Highsmiths Roman aus dem Jahr 1952 gehört zu den frühesten und einflussreichsten Büchern lesbischer Literatur. Erst achtunddreißig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung gab sich die Schriftstellerin als Verfasserin des Buchs zu erkennen. In der prüden amerikanischen Gesellschaft der 50er Jahre ist die gleichgeschlechtliche Liebe ein Tabuthema.

Regisseur Todd Haynes (I’m Not There) thematisierte in seinem Drama Dem Himmel so fern schon einmal eine moralische Schranke der 1950er Jahre, in dem er die Beziehung einer weißen Frau zu einem schwarzen Mann porträtiert. Und auch in der Miniserie Mildred Pierce thematisierte er eine starke Frau und Mutter zur Zeit der Großen Depression. Nach dem Blau ist eine warme Farbe (2013) als lesbischer Skandalfilm bei den Filmfestspielen von Cannes 2013 gefeiert wurde, konnte mit Carol im Mai 2015 erneut ein lesbisches Liebesdrama für Aufmerksamkeit in der Filmbranche sorgen. Jedoch schuf Haynes mit diesem Werk keineswegs einen Skandalfilm, sondern erzählt mit viel Ruhe, Präzision und gemäßigtem Tempo das zarte Entstehen inniger Gefühle und unterdrückter Leidenschaft, die eigentlich nicht sein dürfte.

Die Kamera von Ed Lachman, der bereits in I´m not there (2007) und Dem Himmel so fern (2002) mit Todd Haynes zusammenarbeitete, bleibt stets nah an Therese und zeigt die unnahbare und zugleich anziehende Carol allein aus ihrer Perspektive. Die Hauptfigur, die von Blanchett hervorragend inszeniert wird, beeindruckt von Beginn an durch ihre Eleganz, Reife und Attraktivität. Doch der Bann um die mysteriöse wie umwerfende Frau löst sich allmählich auf und die statuenhafte Gestalt von Carol beginnt mit der Zeit etwas zu ermüden. Als Zuschauer wartet man gespannt darauf, wie die angestauten Emotionen aus der so beherrschten Frau herausbrechen. Jedoch wirkt Carol selbst in ihren emotionalsten Momenten kontrolliert.

Vielmehr mausert sich Rooney Mara (Verblendung, Side Effects) als wahrer Gewinn für den Film, die für ihre Darstellung der Therese beim Festival in Cannes 2015 eine Palme als beste Darstellerin erhielt. Ihre Figur erlebt im Gegensatz zu Carol eine Entwicklung und ist um Weiten vielschichtiger. Zu Beginn wirkt sie wie ein verschüchtertes Reh, ist überwältigt und verunsichert von den eigenen Gefühlen. Doch sie entpuppt sich im weiteren Verlauf als intelligente und willensstarke Frau, die durch die Beziehung zur reiferen Wohlstandsdame Carol wächst. Bis kurz vor Schluss des Films sieht der Zuschauer immer mit ihren Augen und verfolgt die zarten Annäherungen, bis die Gefühle dann endgültig nicht mehr aufzuhalten sind.

Dabei schafft die sexuelle Beziehung der beiden Frauen, die fast beiläufig wirkt, unüberwindbare Hürden. Diese zeigen sich in der Rolle von Kyle Chandler (Zero Dark Thirty), der als Noch-Ehemann seine Frau bespitzeln lässt, um ihr das Sorgerecht über die gemeinsame Tochter zu entziehen. Er vertritt die Ansichten der damaligen Gesellschaft mit Vorurteilen und Intoleranz. Die Rolle von Sarah Paulson, die schon in American Horror Story: Asylum eine lesbische Frau in den 60er Jahren verkörperte, kommt hier als ehemalige Geliebte von Carol etwas zu kurz und hätte durchaus mehr Potenzial gehabt.

Das lesbische Liebesdrama geht mit sechs Nominierungen als Anwärter auf den diesjährigen Oscar ins Rennen, darunter auch für das beste Kostümdesign. Dieses ist von der eleganten Pelzrobe und langen Handschuhen Carols zu Strickpullis und Weihnachtsmütze der schüchternen Therese bis ins letzte Detail abgestimmt. Die vorweihnachtliche Szenerie und winterliche Landschaft schafft eine stimmige Atmosphäre, in die sich das Mysterium Carol einfügt und die wunderbar zu den unterdrückten Gefühlen beider Frauen passt.

Todd Heynes schuf mit Carol eine hochkarätige und erstklassig gespielte Liebesromanze zwischen zwei Frauen, die sich den Konventionen ihrer Zeit widersetzen. Die Ausstattung, die darstellerische Leistung und die sehnsuchtsvolle Anziehung beider Protagonistinnen verstehen trotz gemächlichem Erzähltempo zu fesseln und den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen.

Bewertung

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Informationen
Carol | 17. Dezember 2015 (Deutschland) 7.2
Regisseur: Todd HaynesDrehbuchautor: Phyllis Nagy, Patricia HighsmithDarsteller: Cate Blanchett, Rooney Mara, Sarah PaulsonHandlung:

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