Straight Outta Compton (2015) | Filmkritik

Straight Outta Compton

Wer sich mit dem Hip Hop-Genre auskennt, kommt in den frühen Jahren der Musikrichtung nicht an N.W.A (Niggaz Wit Attitudes) vorbei. Die Gruppe darf sich nicht nur mit der Erfindung des ‚Gangsta Rap‘ brüsten, sondern gilt vielmehr als eine der wichtigsten Einflüsse nicht nur für Musikrichtungen, sondern vielmehr für ganze Bewegungen und Trends. Die Raptruppe war bereits zu ihrer Zeit nicht nur aufgrund ihres neuen Stils bekannt und berüchtigt, sondern sprach vielen Menschen, gefangen in einem unfairen Rechtsstaat, aus der Seele und schien so einer ganzen Bevölkerungsschicht eine Stimme zu geben.

Straight Outta Compton ist nicht nur ein Musikfilm, sondern ein Werk, das berühren wie aufwecken soll. Denn Themen wie Rassismus und Polizeigewalt sind auch heute heikle Themen, mit denen sich unzählige Menschen tagtäglich konfrontiert sehen.

Die Geschichte der Gruppe um Dr. Dre, Ice Cube und Eazy-E ist komplex. Nicht nur aufgrund der vielen Mitstreiter in verschiedensten Labels, sondern auch wegen den Drahtziehern hinter den Kulissen, welche immer wieder die Entscheidungen und Beweggründe einzelner Figuren entscheidend beeinflussen. So beginnt der Film mit den Hintergründen der einzelnen Charaktere. Während sich Andre, alias ‚Dr. Dre‘, sein Geld damit verdient in einem Club aufzulegen, dessen Besitzer er nicht leiden kann, besucht der junge ‚Ice Cube‘ sogar noch die Schule und vertreibt sich seine Freizeit damit, an Texten für seine eigene Rapgruppe zu feilen. Eric, der von seinen Freunden nur als ‚E‘ oder ‚Eazy E‘ angesprochen wird, hingegen verdient sein Geld damit, Drogen zu dealen und macht so mit seinen kriminellen Machenschaften mehr Geld als der gesamte Rest der Truppe. Eines Tages schafft es Andre dann schließlich ihn dazu zu überreden ein erstes Album zu finanzieren.

Mit dem ersten Erfolg der Gruppe zeigen sich aber auch erste Spannungen innerhalb der Truppe und die Kritik am Management, sowie an den Beziehungen innerhalb der Gruppe wird lauter. Wie im realen Vorbild kommt es schließlich auch zu ernsteren Auseinandersetzungen und die Bandmitglieder bieten sich in wahrer Rap-Manier einen verbalen Kampf durch mehrere Musikstücke, die immer wieder auf andere NWA-Mitglieder abzielen. Doch mit dem Start eines neuen Genres treten auch immer wieder neue Mitspieler und Talente auf den Schirm. Schon bald sind nicht nur die Gründungsväter hinter dem Gangsta-Rap die einzigen wichtigen Figuren im Musikgeschäft.

Gute Musikfilme und Biographien gibt es mittlerweile reichlich. Erzählt Walk the Line (2005) noch die Geschichte von Johnny Cashs Jugend, seinen Problemen und persönlichen Hindernissen durch Drogen und Alkohol, so spielt sich Eminem in seinem Film 8 Mile (2002) sogar selbst und zeigt die Herausforderungen, welche sein Leben im Ghetto Detroits und den Weg eines weißen Hip Hop Künstlers in einem schwarzen Umfeld zeichnen. Straight Outta Compton jedoch limitiert sich selbst nicht nur auf die musikalische Karriere von mehreren jungen Rappern in Kalifornien, sondern erzählt die Geschichte von Polizeigewalt, Volksaufständen und den Rebellen, die sich gegen das rassistische System stellen. Ähnlich wie schon Michaels Manns Ali (2001), konzentriert sich der Film auf die Personen hinter den Künstlern und den Schwierigkeiten, mit denen sie sich aufgrund ihrer Hautfarbe auseinandersetzen müssen. Dabei wird unter anderem der Fall um Martin Luther King angesprochen und die darauf reagierenden Aufstände in und um die Großstädte Kaliforniens.

Straight Outta Compton funktioniert wunderbar als genau das, was es sein möchte. Nicht nur weist es auf die klaren und auch, traurigerweise, sehr aktuellen Missstände im amerikanischen Alltag hin, sondern erzählt diese, eingewoben in eine Geschichte rund um Rebellen, die ihre Wut nicht in Gewalt, sondern in ihrer Kunst äußern. Regisseur F. Gary Gray (Verhandlungssache, The Italian Job) gelingt hier ein Spiel zwischen Historie und Gesellschaftskritik, die in Zeiten von großen Aufständen in Ferguson und andernorts durchaus angebracht ist. So sieht sich der Zuschauer immer wieder mit klassischen Bildern der 80er und 90er Jahre konfrontiert, doch blenden sich die Bilder auch schön mit den Problemfällen der heutigen Zeit.

Der Film kann zudem klar durch seine Auftritte und sein grandioses Casting überzeugen. Speziell Corey Hawkins als Dr. Dre und Jason Mitchell in der Rolle von Eazy-E sind genial besetzt und auch O’Shea Jackson Jr., Sohn von originalem NWA-Mitglied Ice Cube, zeigt als Laienschauspieler eine absolute Glanzleistung in der Rolle seines Vaters. Doch noch viel mehr ist vor allem der Auftritt von Marcc Rose hervorzuheben. Dieser hat zwar kaum Text oder Dialoge in dem Film zu bieten, erscheint dem originalen Tupac Shakur aber so unglaublich ähnlich, dass der Zuschauer wirklich zweimal hinsehen muss, um zu erkennen, dass es sich lediglich um einen Schauspieler handelt. Dieser Auftritt zählt als klares Exempel für die unfassbar gut eingefangene Welt rund um die Rapper aus Kalifornien.

Zwar punktet Straight Outta Compton mit seiner starken Geschichte und seinem überzeugenden Szenario, jedoch ist dem Film ein gewaltiges Manko anzumerken: Seine Länge. Die Gesamtdauer des Films von etwa 2 ½ Stunden wirkt konstruiert und unnötig. Geschichten um die Familien der Bandmitglieder wirken sehr aufgesetzt, einige kleinere Charaktere bleiben völlig irrelevant und die Vorstellung derselben völlig unergründlich. Speziell hier ist das Mitwirken als Produzent von Ice Cube und Dr. Dre immer wieder stark erkennbar. Der Fokus liegt klar auf den beiden Rappern und ihren Einflüssen auf das Entstehen der Band und genau dies geht teilweise auf Kosten andere Mitbegründer der Gruppe. Vor allem ‚MC Ren‘, ‚DJ Yella‘ und ‚Arabian Prince‘ treten deutlichst in den Hintergrund der Geschichte.

Alles in allem ist das neueste Werk von F. Gary Gray nach langer Zeit wieder ein ernst zunehmendes Werk um das Musikgenre des Hip Hop. Die Geschichte der Gruppe N.W.A ist mitreißend und einfühlsam gestaltet. Auch wenn einige Story Elemente lang gezogen oder unnötig wirken, so bleibt der Film dennoch stets unterhaltsam. Die Entstehung einiger bekannter Songs wird immer wieder in Szene gesetzt und bietet so vor allem Fans des Genres kleine Easter Eggs im Verlauf des Filmes.

Doch auch abseits des Genres erzählt der Film eine emotionale sowie mitreißende Geschichte, für die sich auch Laien der Musikrichtung begeistern lassen sollten. Straight Outta Compton ist damit neben Klassikern wie 8 Mile und Walk the Line ein absolutes Muss unter den Musikbiographien und darf schon heute als moderner Klassiker gehandelt werden.

Cast & Crew

Regie: F. Gary Gray
Drehbuch: Jonathan Herman, Andrea Berloff
Musik: Joseph Trapanese
Darsteller: O’Shea Jackson Jr., Corey Hawkins, Jason Mitchell, Paul Giamatti, Aldis Hodge, Neil Brow, Jr., Corey Reynolds

Bewertung

Trailer

Informationen
Straight Outta Compton | 27. August 2015 (Deutschland) 7.8

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Bildrechte: Universal Pictures

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