Die verschüchterte Schneiderin Montse (Macarena Gómez) fristet ein Leben, das von ständiger Angst bestimmt ist. Angst davor, dass ihre kleine Schwester (Nadia de Santiago), die mit ihr zusammenwohnt, auf einen Mann hereinfällt. Angst davor, dass ihre Medizin zur Neige geht und Angst davor, ihr Heim zu verlassen. Seit Jahren hat sie das nämlich nicht mehr getan. Bereits die Türschwelle zum Hausflur erscheint ihr wie eine unüberwindbare Schlucht.
Über die Zeit sind die Ängste für sie jedoch zur Gewohnheit geworden und sie hat gelernt mit ihnen zu leben. Alles soll sich schließlich ändern, als Carlos (Hugo Silva) aus dem Obergeschoss das Treppenhaus herabstürzt. Er strandet mit gebrochenem Bein und Gehirnerschütterung auf ihrem Türvorleger und klopft um Hilfe. Zunächst will Montse den Fremden sich selbst überlassen, doch schließlich siegt die gute Katholikin in ihr.
Sie beginnt Carlos in ihrem Zimmer zu pflegen. Doch der gut aussehende Charmeur ist nicht gekommen, um zu bleiben. Inzwischen ist er für Montse allerdings schon längst zu einer Obsession geworden. Eine neue Angst gesellt sich zu denen, die sie ohnehin schon beherrschen: Die Angst davor, dass Carlos mithilfe ihrer Schwester ein düsteres Geheimnis aufdeckt, das schon so lange im Verborgenen schwelt.
Einem Horrorfan fällt beim Schauen ziemlich schnell die erzählerische Nähe zu zwei der berühmtesten Stephen-King-Verfilmungen ins Auge. Wie bei Carrie (1976) findet sich in Shrew’s Nest die religiöse Tyrannei einer älteren Frau über die jüngere wieder und wie bei Misery (1990) das Motiv des verletzen Mannes, den eine psychisch verwirrte Dame ans Bett fesselt. Leider hat der spanische Streifen vom Regie-Duo Juan Fernando Andrés und Esteban Roel nichts von der Genialität dieser Vorlagen.
Filmisch bieten die 91 Minuten Laufzeit nur äußerst wenig Substanz. Die Atmosphäre eines Kammerspiels ist dabei lediglich die Ausgangssituation des Plots, wird aber weder kameratechnisch noch musikalisch in irgendeiner Weise eingefangen. Klaustrophobisch ist hier kaum etwas. Das noch junge österreichische Meisterwerk Ich seh, ich seh erzeugt mit einem Landhaus genau wie Kubricks The Shining sogar mit einem ganzen Hotel wesentlich mehr Enge und Beklemmung als Shrew’s Nest. An einer Stelle sagt unsere Protagonistin Montse zwar: „Ich habe diese Wohnung in einen riesigen Sarg verwandelt“, nur leider ist davon nie etwas zu spüren.
Das Werk will sich offenkundig zwischen den Genres Drama und Horror bewegen, überzeugt aber in keinem von beiden. Für ein Drama ist die Handlung zu vorhersehbar und dünn erzählt, sodass sich der Zuschauer nicht emotional involviert fühlt. Die Wendungen sind dabei absehbar und unkreativ inszeniert. Hierfür benutzen die Regisseure nämlich ein Stilmittel, das in den Horrorfilmen unserer Zeit schon längst zu einer schlechten Angewohnheit geworden ist: 10 Minuten vor Schluss erklärt ein Charakter jedes Mysterium der Geschichte. Zauber zerstört! Platt! Das ist alles, was mir dazu einfällt. Dafür braucht keiner das Medium Film.
Für ein Drama handeln die Figuren außerdem viel zu oft genauso, wie ein echter Mensch wohl niemals reagiert hätte. Carlos ist z.B. nicht im Geringsten darüber erschrocken neben einer wildfremden und offensichtlich psychisch labilen Frau zu erwachen. Ihre Lüge, dass der Arzt bereits zur Untersuchung erschienen sei, schluckt er einfach so herunter, obwohl sein gebrochenes Bein mit einem Wanderstock geschient ist. Stattdessen führt er einen Dialog, der so nur in einem Film vorkommen kann und keinen Hauch von Realität versprüht. Nadia de Santiagos Charakter wirkt neben Montse beinahe durchsichtig. Sie darf nichts weiter sein als ein erstauntes Gesicht ohne jeglichen Tiefgang. Mission Drama ist also gescheitert!
Für einen Horrorfilm fehlt Shrew’s Nest schlichtweg der Gruselfaktor. In den letzten 20 Minuten schlägt einem ein kleines Splatter-Fest entgegen, das macht aber noch lange keinen guten Genrevertreter aus. Hier und da gibt es zwar Momente, die damit spielen was der Zuschauer nicht sieht, sondern nur hört, oder vermutet, doch sie bleiben die absolute Seltenheit. Es kommt nie für längere Zeit Schauer, Grusel oder Spannung auf. Mission Horror ist also ebenfalls gescheitert!
Wenn man dennoch etwas loben will, bleibt da noch Macarena Gómez Schauspielleistung. Sie verkörpert Montses Neurosen in detailverliebter Manier und transportiert sie in jeder Geste und jedem Blick. Da allerdings sonst nur wenig in diesem Film stimmt, geht einem das ewige Tränenvergießen und Schreien schon ziemlich bald auf die Nerven.
Da ich weder mit den Charakteren mitfühlen, noch die Atmosphäre oder künstlerischen Schauwerte bestaunen konnte und nicht einmal einen besonders mitreißenden Plot serviert bekam, gibt es nur ein Gefühl, das mein Filmerlebnis treffend beschreibt. Langeweile und das ist in keinem Genre angebracht.
Es bleibt festzuhalten, dass Spanien bereits deutlich bessere Horrordramen gesehen hat. Da wäre zum Beispiel Das Waisenhaus (2007), um nur einen gelungenen Streifen zu nennen. Shrew’s Nest hingegen mag zwar der Gewinner des „Fresh Blood Audience Awards“ auf dem „Fantasy Film Fest 2015“ gewesen sein, bekommt aber von mir keinen Blumentopf.
Regie: Juan Fernando Andrés, Esteban Roel
Drehbuch: Juan Fernando Andrés, Sofía Cuenca
Musik: Joan Valent
Darsteller: Macarena Gómez, Nadia de Santiago, Hugo Silva, Luis Tosar
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