Snowpiercer (2013) | Filmkritik

Snowpiercer

Endzeitfilme und düstere Zukunftsaussichten gibt es in der Filmgeschichte bereits mehr als genug. Sei es das, durch mehrere Filme etablierte, Mad Max-Universum oder Klassiker wie 1984. An Endzeitszenarios mangelt es wahrhaftig nicht in der Filmlandschaft, doch mit Snowpiercer bietet der südkoreanische Erfolgsregisseur Joon Ho Bong (The Host) einen neuen Blickwinkel und eine erfrischende neue Idee in der Welt des Sci-Fi.

Die Erde leidet seit Jahren unter einem unaufhörlichen Blizzard, welcher den Planeten schließlich völlig mit einer Eisdecke belegt und so die Menschen von der Oberfläche verscheucht hat. Stattdessen leben die wenigen Überlebenden in einem Zug, welcher unaufhörlich die Erde umkreist und den Letzten, vor dem Winter geflohenen, Schutz bietet.

Seit nunmehr 18 Jahren ist der Snowpiercer auf der Erde unterwegs. Doch mit der Beladung des Zuges wurden auch unterschiedliche Ebenen geschaffen. Menschen werden in zwei Klassen unterteilt und in die einzelnen Waggons des Zuges versetzt. Die Unterschicht findet sich am Ende des Snowpiercer auf engstem Raume zusammen gepfercht, während die obere Schicht den vorderen Teil des Zuges sein Eigen nennen kann. Doch der aufständische Curtis (Chris Evans) hat genug gesehen und beschließt schon seit geraumer Zeit einen Umsturz. Als die Oberschicht ein weiteres Mal zwei Kinder ohne erdenklichen Grund entführt, beginnt die Gruppe rund um Curtis, Edgar (Jamie Bell) und Gilliam (John Hurt) einen gewaltsamen Übernahmeversuch des Zuges.

Der Trupp kämpft sich in der Arche immer weiter nach vorne durch und behauptet sich durch List und Planung gegen die sonst übermächtige obere Gesellschaft. Doch der Weg durch den Zug ist weit und so sehen sich die mutigen Aufständischen immer wieder mit Problemen und schweren Konflikten konfrontiert.

Snowpiercer erzählt die so typische Geschichte eines Aufstands in einem totalitären Regime. Die Klassen und Grenzen sind visuell wie erzählerisch schön und anschaulich präsentiert und die Kämpfe im Verlaufe des Putschversuches sind großartig choreographiert. Der Zug scheint einfach kein Ende zu nehmen und aus dem tristen, deprimierenden Endstück des Zuges eröffnet sich den Meuterern plötzlich eine ganz neue Welt als sie der Spitze des Zuges näher kommen. Immer mehr wird ihnen die Ungerechtigkeit klar, die ihnen erfahren ist und je weiter sie voran rücken, desto mehr soziale Abgründe eröffnen sich den starken Kämpfern.

Visuell ist Snowpiercer ein absoluter Augenschmaus. Die verschiedenen Abteile zeigen große Unterschiede und bieten dem Zuschauer immer wieder etwas Neues. Das Design der Sets ist so vielseitig wie einfallsreich und die neuen Sphären, die der Zug offenbart, zeigen immer wieder, vor allem verglichen zu dem zu Beginn sehr prominenten, kargen Ende des Zuges eine grandiose Vielfalt von Ideen. Der Zug ist nicht nur eine letzte Arche, sondern zeigt sich immer mehr als ein in sich geschlossener, funktionierender ökologischer Haushalt. Auch die Welt, die den Zug umgibt ist als verlassene, karge und raue Winterlandschaft beeindruckend wie furchterregend gestaltet. Auch wenn einige CGI-Effekte des Zuges von außen eher weniger beeindruckend sind, so ist die Welt dennoch glaubwürdig und nachvollziehbar gestaltet.

Leider täuscht genau dieses schöne Design und Aussehen häufig über die sonstige Banalität des Filmes hinweg. Viele Charaktere, speziell die Gegenspieler des Aufstands, sind gesichtslos und bleiben so meist in ihren Handlungen nicht nachvollziehbar. Häufig werden neue Antagonisten einfach aus dem Blauen vorgestellt und entpuppen sich zu neuen starken Gegenspielern ohne jemals zu beweisen, wie sie zu dieser Stellung gekommen sind, welche sie innehalten und weswegen ihre Taten von ihrem Umfeld geduldet werden. Glücklicherweise sind die Leiter des Zuges wie Wilford (Ed Harris) und Mason (Tilda Swinton) formvollendet charakterisiert und zeigen auch klare Motive. Persönlichkeiten, die speziell zu Beginn wie wichtige Drahtzieher wirken, entpuppen sich dagegen lediglich als Handlanger und Mithelfer.

Durch die zahlreichen, unterhaltsamen und grundverschiedenen Sphären des Zuges geben sich auch immer wieder starke Diskrepanzen im Sinne der Größe der Wagons. Zeigen sich die Dimensionen des Snowpiercer von außen an allen Stellen gleich, so variiert die tatsächliche Größe innerhalb eines Waggons zwischen einem kleinen, engen Gang bis hin zu einem riesigen Aquarium. Erklärungen hierfür gibt es nicht, stattdessen fokussiert man sich auf die wunderbaren Abwechslungen und das visuelle Spektakel. Allgemein arbeitet der Film häufig mit Pacing und Zeitmanagement, wie es in den meisten Hollywoodfilmen unüblich ist. Das Exposé zu Beginn des Films könnte nicht schneller erzählt werden, während einige spätere Szenen unnötig lang gezogen wirken. Dies ist aber dem bekannten Stil des Regisseurs zuzuschreiben und keinesfalls einem Unvermögen.

Man kann nicht oft genug erwähnen wie viel Liebe in Snowpiercer steckt. Auch wenn der Film durch seinen starken Cast wie eine Hollywoodproduktion wirkt, so ist er ganz klar ein typisches Stück asiatische Filmkunst. Die Choreographien sind zwar häufig unübersichtlich aber wunderschön inszeniert, die Designs der unterschiedlichen Fraktionen sind haarsträubend aber faszinierend zugleich.

Es gibt zahlreiche Wendungen, hinterhältige Spiele und Sabotagen auf diesem grandiosen Weg zur Front des Zuges. Tilda Swinton (Die Chroniken von Narnia) ist genauso anstrengend wie unterhaltsam und Chris Evans (The Avengers) brilliert in seiner Rolle als unfreiwilliger Führer seiner Truppe.

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Auch wenn sein Charakter zum Ende des Filmes einige seltsame Eigenschaften aufweist und auch sein Monolog sehr weit hergeholt scheint, so zeigt der Schauspieler einen glaubwürdigen, verzweifelten Kämpfer für Gerechtigkeit. Der internationale Cast um Jamie Bell (Billy Elliot) und Kang-ho Song (The Host) rundet das Paket ab und malt ein buntes Bild eines Zuges, welcher die letzten Überlebenden einer globalen Katastrophe beheimatet.

Joon Ho Bong hat mit diesem Film einen weiteren klaren, unterhaltsamen Hit gelandet. Nicht nur zeichnet er eine neue Interpretation der nahen Zukunft in einem Endzeitszenario, sondern tut dies mit einem nachvollziehbaren, wunderschönen Stil, der funktioniert und den Zuschauer schnell in seinen Bann zieht. Die Diskrepanzen zwischen arm und reich, schwach und mächtig werden visuell deutlich veranschaulicht und der Beobachter stellt sich niemals gewollt die Frage, wer in diesem Film Pro- oder Antagonist ist.

Doch kämpft der Film mit zahlreichen Logikfehlern. Angefangen bei den verwendeten Waffen, der Größe des Zuges bis hin zu den letztendlichen Intentionen wie auch Fähigkeiten einiger Figuren. Doch Snowpiercer lebt ohnehin vielmehr von dem erstaunlichen Spektakel, welches er dem Zuschauer bietet. Der Film ist Feuerwerk an Action, Sci-Fi auf hohem Niveau und die Zeichnung einer komplexen, verworrenen Welt, wie es nicht oft der Fall ist. Die Welt ist so detailreich und bedacht kreiert, dass man sich nur zu gerne in ihr verliert. Der Snowpiercer ist
für jeden Freiwilligen definitiv eine Reise wert.

Regie: Bong Joon-ho
Drehbuch: Bong Joon-ho, Kelly Masterson
Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Chris Evans, Song Kang-ho, Tilda Swinton, Jamie Bell, Octavia Spencer, Ewen Bremner, Go Ah-sung, Alison Pill, Vlad Ivanov, Luke Pasqualino, John Hurt, Ed Harris

Handlung:

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Bildrechte: Ascot Elite

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