Men & Chicken (2015) | Filmkritik

Men & Chicken

Mads Mikkelsen in einem Film von Anders Thomas Jensen. Bereits zum vierten Mal vereinigen sich der dänische Ausnahme-Mime und der eigenwillige Regisseur gemeinsam mit ihren Kollegen Nicolas Bro und Ole Thestrup vor der Kamera. Und wieder kreiert das Team von Blinkende Lichter (2000), Dänische Delikatessen (2003) und dem Geheimtipp Adams Äpfel (2006) eine absurde Komödie, die vor schwarzem, hintersinnigem Humor und denkwürdigen Charakteren nur so strotzt. Mit der Familien-Groteske, die bisweilen zu einer philosophischen Evolutions-Farce wird, gelingt dem Team zwar kein neuer Geniestreich, eine unterhaltsame und provokante Komödie ist ihnen aber dennoch gelungen.

Die Brüder Gabriel und Elias könnten verschiedener kaum sein: Während Ersterer ein gebildeter Professor für Philosophie und Evolutionspsychologie ist, verbringt Taugenichts Elias seine Tage damit Frauen nachzujagen und zwanghaft zu onanieren. Eines verbindet sie jedoch: Beider Gesichter sind von einer markanten Hasenscharte gekennzeichnet und wirken leicht entstellt.

Als ihr Vater nach langer Krankheit stirbt und ihnen in einem Abschiedsvideo verkündet, gar nicht ihr leiblicher Vater zu sein, machen sich die Brüder zum 40-Seelen-Örtchen Ork auf, um nach ihrem vermeintlichen Erzeuger namens Evilio Thanatos zu suchen. Dort angekommen führt sie der kauzige Bürgermeister Flemming zum Haus ihres Vaters. Was sie dort jedoch erwartet sind die drei ungewöhnlichen und überaus rabiaten Brüder Franz, Gregor und Josef. Nach einer handfesten Begrüßung stellt sich schnell heraus, dass es sich um ihre Halbbrüder handelt. Gabriel und Elias beschließen, auf der Insel zu bleiben und mithilfe der eigentümlich-brüderlichen Zweckgemeinschaft dem Rätsel ihrer Herkunft auf die Spur zu kommen.

Wer die vorherigen Werke des Anders Thomas Jensen kennt, dem wird der abseitige und teils tiefschwarze Humor des Dänen bekannt sein und der wird wissen worauf man sich auch bei Men & Chicken erneut einstellen muss. Wem noch keiner der genannten Filme bekannt ist, dem sei bereits hier mit auf den Weg gegeben: Charaktere und Humor des Films sind gewöhnungsbedürftig und klar Geschmackssache. Eine Mitte gibt es bei den Filmen wohl kaum. Entweder man kann sich mit der grotesken Art anfreunden und amüsiert sich über die am Rande der Geschmacklosigkeit taumelnden Figuren oder man wird bereits nach wenigen Minuten verstört den Kopf abwenden. Beim zweiten Fall wird sich der Eindruck auch im Laufe des Films, so viel sei hier als Prognose gewagt, nicht ändern. Bei wem Jensen jedoch mit seinem schrägen Machwerk einen Nerv trifft, den erwartet mit diesem Film eine köstlich-amüsante Komödie, die nebenbei noch über den Wert des Lebens philosophiert.

Was Jensen bereits bei Adams Äpfel herausragend gelang und ihn zu einem geschätzten Kleinod machte, gelingt ihm auch in diesem Fall wieder grandios: Mögen die Charaktere auch noch so verschrobene, abstoßende Außenseiter und komische Käuze sein, über die man im ersten Moment nur den Kopf schüttelt oder, hier bei Elias, sich gar geekelt abwendet. Mit der Zeit schafft es Jensen doch, dass sie dem Zuschauer alle ans Herz wachsen. Auch die einheimischen Halbbrüder von Elias und Gabriel wirken auf den ersten Blick wie rabiate, beinahe idiotische Inseltölpel, werden jedoch trotz ihrer Macken zu echten Sympathieträgern.

So erschafft Jensen mit den ungleichen Brüdern eine sympathische Gruppe unwahrscheinlicher Helden, deren Verhalten nach und nach immer mehr allzu verständlich wird. Überhaupt gelingt es Jensen auf brillant-charmante Art und Weise jedem der Brüder Charakterzüge und Verhaltensauffälligkeiten zu geben, die in der Nachbetrachtung des Films einige AHA-Momente ergeben und ein zweites Ansehen besonders wertvoll machen. Aus Spannungsgründen sei an dieser Stelle nicht mehr verraten, doch soviel ist sicher: Ein zweiter Blick lohnt sich definitiv.

Des Weiteren gelingt es Jensen immer wieder, in die absurden Situationen und Dialoge auch einige ruhige und nachdenkliche Zeilen einzubauen. Das sorgt hin und wieder auch dafür, dass der Film nicht zu sehr in seiner Verrücktheit versinkt, in der er sich hier und da zu verlieren droht. Diese Verrücktheit ist es allerdings auch, die für Freunde dieser Humorrichtung einige grandiose Lacher bereithält. Dem dänischen Ensemble gelingt beispielsweise der kongeniale Schachzug, ein Badminton-Match oder ein Abendessen so absurd ausarten zu lassen, dass kein Auge trocken bleiben kann. Dabei wechseln sich trockene One-Liner, visueller Slapstick oder auch pure Eskalation gekonnt ab und bilden ein wahres Potpourri der absurden Komik.

Ein weiterer Pluspunkt, der zum Gelingen des wirren Treibens beiträgt, ist die verschrobene Heimstätte der Brüder. Das von allerhand Bauernhoftieren bevölkerte Anwesen bildet die perfekte Kulisse für die außergewöhnliche Familien-Zusammenführung. Dass die Tiere hierbei selbst eigentlich eine Rolle im Film einnehmen erklärt einerseits den schrägen Titel und sorgt andererseits ebenso für spannende Beobachtungen. Hat man sich jedoch daran gewöhnt, dass hier nichts ist, wie es zunächst scheint, wird man auch mit den tierischen Nebencharakteren seinen Spaß haben. Auch diese nutzt Jensen hierbei wieder um die Geschmacksgrenzen seiner Zuschauer auszutesten.

Ganz nebenbei und unbemerkt erzählt der Däne in Men & Chicken aber auch eine spannende und zumindest in Teilen tiefgründige Geschichte über Familie, den Wert des Lebens, Philosophie und Abstammung. Bei aller Verschrobenheit hat auch dieser Film wieder einen interessanten Kern, der an der ein oder anderen Stelle zum Nachdenken anregt.

Wer schon Adams Äpfel mochte, der wird sich auch mit Men & Chicken köstlich unterhalten fühlen. Gegenüber seinem letzten Film dreht Anders Jensen die Schrauben des Absurden diesmal allerdings noch ein Stückchen weiter und erschafft einen noch weiter vom Massengeschmack entfernten, aber noch komischeren Film. Dass er dabei die Grenzen der Absurdität weiter verschiebt sorgt jedoch dafür, dass aus Men & Chicken bisweilen ein zweischneidiges Schwert wird. Für Fans des außergewöhnlichen Regisseurs oder auch Mads Mikkelsen ist Men & Chicken allerdings uneingeschränkt zu empfehlen.

Regie: Anders Thomas Jensen
Drehbuch: Anders Thomas Jensen
Musik: Frans Bak, Jeppe Kaas
Darsteller: David Dencik, Mads Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas, Søren Malling, Nicolas Bro

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