No Turning Back (2013) | Filmkritik

No Turning Back (2013)

84 Minuten. Ein Mann. Ein Auto. Eine Freisprechanlage. Mehr nicht. Unter dieser Prämisse macht sich No Turning Back, der im Original den kurzen Titel Locke trägt, auf, Tom Hardy (Inception, Mad Max: Fury Road) als titelgebendem Charakter Ivan Locke auf seiner Fahrt durchs nächtliche England zu begleiten.

Ivan Locke ist ein ob seiner Zuverlässigkeit und Kompetenz geschätzter Bauleiter einer nicht weiter benannten Baufirma in deren Auftrag er für eine der größten Baustellen Europas zuständig ist. Doch in der Nacht vor der wichtigen Lieferung des gesamten Betons, trifft der Familienvater eine folgenschwere Entscheidung. Und so muss sich der mitten im Leben stehende Mann nicht nur mit der Organisation der Betonlieferung am nächsten Morgen, sondern auch mit seiner eigenen Vergangenheit, seiner Zukunft, des Lebens seiner Familie und der eigenen Verantwortung für einen früheren Fehler stellen. Auf der wichtigsten Fahrt seines Lebens wird so seine Freisprechanlage zum wichtigsten Begleiter, wenn sich das Schicksal von Ivan Locke für immer ändert…

© StudioCanal/Arthaus

Regisseur Steven Knight, bisher vor allem als Drehbuchautor in Erscheinung getreten, setzt in diesem Thriller-Drama einzig und allein auf die Mimik, Körpersprache und Worte des britischen Ausnahme-Mimen Hardy. Die Beschränkung des Handlungsraumes alleine auf den Innenraum des Autos ist Minimalismus pur und stellt in ihrer Begrenztheit selbst berühmte Kammerspiele wie Die zwölf Geschworenen oder Das Fenster zum Hof in den Schatten. Dies führt dazu, dass wir als Zuschauer uns vollkommen auf die Gespräche der Hauptfigur und die Gesichts- und Oberkörpermuskulatur von Tom Hardy verlassen müssen.

Dass hierbei dennoch ein durchweg spannender und packender Film bei herauskommt, verdanken wir in erster Linie natürlich eben Hardys grandiosem Schauspiel, andererseits aber der tollen Atmosphäre, die Knight mit der nächtlichen Fahrt über die Autobahn zu kreieren weiß. Der Handlungsverlauf mag nach einigen elementaren Telefongesprächen in der Mitte des Films durchaus zu erahnen sein, doch Knight und Hardy schaffen es dennoch, dass der Zuschauer weiter gebannt die emotionale Achterbahnfahrt der Hauptfigur spürt. Immer wieder schafft es Tom Hardy durch Bewegungen und Worte, dem Zuschauer Mitgefühl und Verständnis für Ivan Locke zu entlocken.

Besonders auffällig sind zudem die zwischenzeitlich immer wieder eingestreuten Selbstgespräche, die Locke mit einer, aus Spannungsgründen hier nicht weiter genannten, Figur aus der Vergangenheit führt. Auf den ersten Blick wirken diese Monologe etwas konstruiert und außer der Reihe, sind jedoch im großen Ganzen unerlässlich um die Entscheidungen der handelnden Figur zu verstehen und dem Film einen emotionalen Hintergrund zu geben. Den schwierigen Spagat, trotz der ausschließlichen Fokussierung auf den Charakter des Ivan, die Nebenfiguren nicht zu reinen Stichwortgebern zu degradieren, schafft der Film ebenso durchgehend. Auch dank der Tatsache, dass die allermeisten seiner Gesprächspartner mehrmals anrufen und auftauchen.

© StudioCanal/Arthaus

Schwerwiegende Schwachpunkte lassen sich in Steven Knights erst zweiter Regiearbeit kaum ausmachen, womit sich durchaus konstatieren ließe: Das Experiment, welches dieser minimalistische Film darstellt, ist geglückt. Die Handlungen und Gesprächsverläufe mögen das ein oder andere Mal die Grenzen des Realismus leicht strapazieren, sind jedoch immer geerdet genug, um den Zuschauer nicht aus der emotionalen Welt des Films herauszureißen. Den Fehler, den Film zu lange werden zu lassen und die Handlung wie einen Kaugummi auseinander zu ziehen, begehen die kreativen Köpfe hinter dem Projekt glücklicherweise nicht. Und so fühlen sich die 84 Minuten Laufzeit zu keinem Zeitpunkt langweilig oder gar unnötig an und das Empfinden, mit Ivan Locke im Auto zu sitzen, durch die Nacht zu fahren und hilflos bei der Entfaltung der Ereignisse zuhören zu müssen, ergriff mich als Zuschauer.

Alles in allem ist No Turning Back definitiv einen Blick wert und weiß über die gesamte Laufzeit emotional zu packen. Ein mehrmaliges Ansehen mag ob der begrenzten Szenerie weniger Unterhaltung bieten, aber dennoch ist es einmal mehr der Beweis, dass Tom Hardy einer der fähigsten Darsteller seiner Generation ist und in der Lage ist einen kompletten Film alleine zu tragen.

Regie: Steven Knight
Drehbuch: Steven Knight
Musik: Dickon Hinchliffe
Darsteller: Tom Hardy

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Bildrechte: StudioCanal/Arthaus

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