Everest (2015) | Filmkritik

Everest (2015)

Der isländische Regisseur Baltasar Kormákur wagt sich nach seinem Actionabenteuer 2 Guns (2013) nun an einen Katastrophen-Film, der auf den wahren Begebenheiten des Frühsommers 1996 beruht. Everest erzählt das Schicksal des Expeditionsleiters Rob Hall (Jason Clarke), der mit seiner Firma „Adventure Consultants“ und einer Truppe Gipfeltouristen das erbarmungslose Klima des einzig wahren Bergriesen zu spüren bekommt.

Auf dem zweistündigen Weg zum Dach der Welt begegnet einem dabei z.B. der geschiedene Doug (John Hawkes) und der texanische Lebemann Beck (Josh Brolin), der Familie und Kinder zurücklässt, um noch einmal den „Lone Ranger“ in sich zu suchen.

Nach einigen Montagen vom Bergtraining, geht es eine Stunde, nachdem der Vorhang gefallen ist, endlich in luftige Höhen. Und dort bahnt sich eine Tragödie an, als der Konkurrenzkampf zwischen „Adventure Consultants“ und der Firma „Mountain Madness“, angeführt vom exzentrischen Scott Fischer (Jake Gyllenhaal), zum Fallstrick der Bergsteiger wird.

Das Basiscamp um Helen (Emily Watson) und Guy (Sam Worthington) muss hilflos dabei zusehen, wie das Überleben ihres Trupps am seidenen Faden hängt, der in fast 9000 Metern Höhe zu reißen droht. Immer wieder wechselt die Kamera zu den Familien der Bergsteiger, rund um Rob Halls Gattin Jan Arnold (Keira Knightley), die schwanger zu Hause sitzt und in ihr Kissen weint. Zum Schluss entpuppt sich der Film als ein Wettlauf gegen die Naturgewalten des Himalayas, gegen die es keinen Sieg zu erringen gibt.

Neben einer Starriege an Schauspielern gewann Regisseur Kormákur auch Simon Beaufoy als Autor für das Projekt, der für die Arbeit an Slumdog Millionaire sogar einen Oscar einheimste. Auch dessen Co-Schreiber William Nicholson kennt den roten Teppich bereits von seiner Nominierung für Gladiator.

Was hatte der Trailer Laune gemacht, nicht wahr? Doch leider verliert sich der Film schnell im Schnee. Es ist freilich kein schlechter Vertreter seines Genres, den uns die Filmproduktionsgesellschaft „Working Title Films“ 2015 da vorsetzt. Das eine oder andere Bild versprüht ebenjene unendliche Weite, die man vom Bergsteigen erwartet. Der eine oder andere Moment kitzelt einen mit Spannung. Doch das war es dann auch schon!

Wenn die Macher tatsächlich ein überzeugendes Drama aus dem Berg hauen wollten, dann ist ihnen das auf ganzer Linie misslungen. Da hat man mit Josh Brolin, für den Everest nur einer von drei Auftritten im deutschen Kinojahr 2015 ist (Inherent Vice, Sicario), Jason Clarke und Jake Gyllenhaal schon drei Hollywood-Schwergewichte der letzten zwei Jahre vor der Kamera und schafft es trotzdem nicht, dass der Funke überspringt.

Das liegt vor allem an Zweierlei. Zum einen erfuhr der Zuschauer beinahe alles Nennenswerte über die Charaktere bereits im Trailer. Doug ist der gebrochene Mann, der den Everest als seine Katharsis sieht, Beck der Draufgänger, dem seine Midlife-Crisis zusetzt, Scott Fischer das sympathische Arschloch und Rob Hall natürlich der opferbereite Süßholzraspel-Held. Im Film kommt letztendlich so gut wie nichts mehr hinzu außer dieser Mindmap-Zuweisung an Eigenschaften. Die Figuren wirken über Strecken sogar so schwach gezeichnet, dass es einem schwer fällt, sie zwischen all dem Schnee und der Ausrüstung überhaupt noch zu unterscheiden.

Und so ist es kein Wunder, dass Everest äußerst wenig Mitgefühl für seine Protagonisten beim Zuschauer erweckt. Emily Watson als Helen im Basiscamp und die von Keira Knightley gespielte Jan Arnold bieten dafür noch am ehesten einen Anker. Doch, wo soll eine Träne herkommen, wenn die Expeditionsleiter den Tod ihrer Bergsteiger praktisch billigend in Kauf nehmen und manche von denen, ihre Familie Zuhause mit einer Heidenangst zurücklassen?

Everest mag visuell in einer höheren Liga spielen als so mancher Katastrophen-Film, doch in anderen Belangen kickt er nicht über der Kreisklasse. Er widmet sich weder den Charakteren ausführlich genug, noch beäugt er den Gipfeltourismus kritisch.

Außerdem ist er ein schmerzlich tiefer Griff ins Portmonee, wo es ihn doch nur in 3D zu sehen gibt. Alles in allem wäre diese wahre Geschichte besser ein Dokumentarfilm geworden, denn auf der Blockbusterleinwand ist er nichts weiter als harmlos und halbgar. Sir Edmund Hillary, Reinhold Messner und ich sind enttäuscht von diesem Mittelmaßmachwerk.

Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: William Nicholson, Simon Beaufoy
Musik: Dario Marianelli
Darsteller: Jason Clarke, Josh Brolin, John Hawkes, Robin Wright, Emily Watson, Keira Knightley, Sam Worthington, Jake Gyllenhaal

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