Königin der Wüste (2015) | Filmkritik

Königin der Wüste

Im Jahr 1893 ist Gertrude Bell (Nicole Kidman) ihrer Zeit weit voraus. Während die meisten Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihr Leben noch ausschließlich der Familie widmen, zieht es die gebildete Engländerin im Anschluss an ihr Oxford-Studium nach Teheran, wo ihr Onkel (Mark Lewis Jones) als britischer Botschafter arbeitet.

Ursprünglich als kurzes Abenteuer geplant, wird das Reisen schon bald zu Gertrudes Passion. Überwältigt von der Natur und Kultur des Nahen Ostens beschließt sie, ihr Leben dem Land und seinen Menschen zu widmen. Als Schriftstellerin, Archäologin und Forscherin macht sie sich einen Namen und wird letztlich als politische Beraterin und Diplomatin des britischen Königreichs zu einer der mächtigsten Frauen ihrer Zeit.

In England nie verheiratet, verliebt sie sich während ihrer Reisen in den spielsüchtigen Diplomaten Henry Cadogan (James Franco). Sein tragischer Tod und der Verlust seiner Liebe hinterlassen für immer tiefe Spuren, die auch Gertruds spätere Beziehung zu dem verheirateten Major Charles Doughty-Wylie (Damian Lewis) beeinflussen.

Angezogen von der Fremde und getrieben von der Einsamkeit kämpft Gertrude Bell unermüdlich für ihre Überzeugungen und die Menschen im Nahen Osten.

Ausgerechnet im Orient, wo sich eine Frau zu verschleiern hat, schaffte es Gertrude Bell zu Ansehen und Einfluss, welcher ihr in Großbritannien sicher versagt geblieben wäre. Stark und verletzlich zugleich verkörpert Leinwand-Star Nicole Kidman (Australia, The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit) die bemerkenswerte Frau, die ihrer Zeit um Jahre voraus war.

Zuletzt sah man Kidman als Grace of Monaco im Kino, in der die Pflichten eines Fürstentitels eine Filmkarriere erschwerten. Auch in diesem Film ist sie an die Zwänge ihrer Zeit und Herkunft gebunden. Als erste Frau schloss sie ein Studium der Neueren Geschichte in Oxford ab, der akademische Titel blieb Frauen allerdings verwehrt. Freiheit fand sie erst im Nahen Osten, doch auch der aufkeimenden Liebe zu Henry konnte sie sich nicht hingeben, da ihre Familie die Verbindung nicht duldete.

Der bittere Verlust von Henry war Gertrudes stärkster Antrieb. Als sie eine Reihe gewagter Expeditionen unternimmt, um die Beduinen zu studieren, findet sie in der Wüste so Etwas wie Trost und Erlösung. Auf ihren Reisen folgte sie keiner Landkarte. Gertrude Bell bereist Palästina, Syrien und Arabien, durchquert Salz- und Sandwürsten. Den Zuschauer erwarten spektakuläre Landschaftsaufnahmen, die den Zauber und die Unberührtheit des Nahens Ostens im frühen 20. Jahrhundert vermitteln. Es fällt nicht schwer zu verstehen, weshalb sich Bell in die Wüste verliebte und die Forschung ihr Lebensinhalt werden sollte. Kameramann Peter Zeitlinger (Begegnungen am anderen Ende der Welt) fängt die wechselnden Umgebungen in beeindruckenden Bildern ein.

In der antiken Hethiter-Stadt Karkemisch an der syrischen Grenze trifft sie auf ein britisches Archäologie-Team, zu dem auch der junge T. E. Lawrence, gespielt von Robert Pattinson, gehört. Pattinson ist hier ebenso wie zuletzt in Maps to the Stars (2013) in einer kleinen, aber entscheidenden Nebenrolle zu sehen. Als ironischer Brite, der noch wie ein Schuljunge wirkt, bringt er frischen Wind in die Handlung, die mit den Reisen von einem Scheich zum nächsten mitunter etwas eintönig verläuft.

In weiteren Nebenrollen glänzen Homeland-Star Damian Lewis als verliebter Berufsoffizier und Jay Abdo (Fathers Revenge) als treuer Diener Fattuh, der Bell auf allen Expeditionen begleitet und sie mehr als einmal aus einer misslichen Lage rettet. James Franco (Every Thing Will Be Fine), charmant und ein wenig zu schmalzig wie eh und je, geht als Henry neben den anderen Darstellern etwas unter.

Regielegende Werner Herzog ist in den vergangenen Jahren für seine wegweisenden Dokumentarfilme ausgezeichnet worden, die seine Leidenschaft für ferne, teils verborgene Orte zeigten. In Begegnungen am Ende der Welt (2007) arbeitete er bereits mit Kameramann Peter Zeitlinger zusammen und erzählt von Menschen und Orten in der Antarktis und in Die Hölle der vergessenen Träume (2010) erforschte er die Chauvet-Höhle in Südfrankreich.

Nun erzählt er vom faszinierenden Leben einer Frau, die als „weiblicher Lawrence von Arabien“ Geschichte schrieb und präsentiert eine Charakterstudie voller Sehnsucht und innerer Stärke. Ihre Karriere als Forscherin und Archäologin kommt im Laufe der Handlung leider viel zu kurz. Wenn man sich tiefergehend mit der Biografie von Gertrude Bell beschäftigt wird deutlich, dass sich der Film nur auf die Anfänge im Nahen Osten und ihre Liebesgeschichten konzentriert. Überwiegend wird zudem der Eindruck erweckt, Geschenke aus dem Westen und ein wenig Hochnäsigkeiten reichen aus, um sich als Frau Respekt bei den Einheimischen zu verschaffen.

Dass sie nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich an der Entstehung des heutigen Nahen Ostens beteiligt war, die Landesgrenzen von Irak, Jordanien, Palästina, Syrien und Saudi-Arabien absteckte, und schließlich als politische Beraterin fungierte, findet im Film nur eine winzige Andeutung. Statt tiefer in ihre wertvolle Forschungsarbeit einzutauchen, thematisiert Herzog mehr die Liebesgeschichten und innere Zerrissenheit Bells.

Thematik und Erzählweise von Königin der Wüste erinnern an Klassiker wie Lawrence von Arabien (1962) und Der Englische Patient (1997) und zeigen Ähnlichkeiten zu Spuren (2013), in welchem Mia Wasikowska allein mit vier Kamelen durch die australische Wüste zog.

Allein Kidmans schauspielerische Leistung genügt mal wieder, um den Film sehenswert zu machen, weshalb man sie guten Gewissen als die „Khatun“, die Königin der Wüste bezeichnen darf. Weitere Prominent besetzte Rollen sowie grandiose Wüstenaufnahmen runden das Kinoerlebnis ab.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Werner Herzog ein durchaus gelungenes Drama, teils Abenteuerfilm, teils Liebesmelodram, über eine der außergewöhnlichsten Frauen der jüngeren Geschichte schuf. Königin der Wüste ist ein kraftvolles Plädoyer für die Schönheit des Nahen Ostens. Auch wenn sich einige Passagen in die Länge ziehen und wichtige Schlüsselmomente in Bells Leben fehlen, vermag der Film gut zu unterhalten und den Zauber der arabischen Wüsten spürbar zu machen.

Cast & Crew

Regie: Werner Herzog
Drehbuch: Werner Herzog
Musik: Klaus Badelt
Darsteller: Nicole Kidman, James Franco, Robert Pattinson, Damian Lewis, Jay Abdo, Holly Earl, David Calder, Jenny Agutter, Mark Lewis Jones, Beth Goddard

Bewertung

Trailer

Informationen
Königin der Wüste | 3. September 2015 (Deutschland) 5.7
Regisseur: Werner HerzogDrehbuchautor: Werner HerzogDarsteller: Nicole Kidman, James Franco, Robert PattinsonHandlung:

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