Die Poetin (2013) | Filmkritik

Die Poetin

Auf der Suche nach neuer Inspiration reist die New Yorker Dichterin Elizabeth Bishop Anfang der 1950er Jahre nach Brasilien. In einem Land mit fremder Kultur und Menschen voller Herzlichkeit hofft sie ihre Schaffenskrise zu überwinden. Ihre Reise führt die in sich gekehrte Elizabeth nach Rio de Janeiro, wo sie ihre Studienfreundin Mary besucht, die dort mit ihrer Lebensgefährtin, der temperamentvollen Architektin Lota, lebt.

Die anfänglichen Differenzen, welche die unterschiedlichen Charaktere von Elizabeth und Lota mit sich bringen, legen sich bald. Während ihres Aufenthalts kommen sich die beiden Frauen immer näher und verlieben sich schließlich ineinander. Doch Lota ist nicht bereit Mary aufzugeben und es entwickelt sich ein Liebesdreieck zwischen den drei Frauen.

Die Beziehung mit Lota hilft Elizabeth ihre Krise zu überwinden. Lota entwirft für sie ein eigenes Studio, in dem sie schreiben kann, und es dauert nicht lange bis Elizabeth wieder zu ihrer alten schriftstellerischen Stärke zurückfindet. Sie verfasst ihre Gedichtsammlung „North & South. A Cold Spring“, für die sie den Pulitzer Preis bekommt.

Doch mit dem Erfolg und den wachsenden Erwartungen kehrt auch Elizabeths Alkoholproblem zurück. Ihr Trinken wirkt sich auf ihre Beziehung zu Lota aus. Deren Karriere als Architektin erreicht ebenfalls ihren Höhepunkt, als sie von Gouvaneur Carlos Lacerda gebeten wird einen großen Park mitten in Rio zu errichten, der später der weltbekannte Parque do Flamengo werden sollte.

Doch nicht nur in ihrer Liebesbeziehung ziehen Wolken auf. Auch politisch gibt es einen Umbruch in Brasilien. Es kommt es zu einem Militärputsch an dem Lacerda aktiv beteiligt ist. Angesichts der Ereignisse bittet Elizabeth Lota mit ihr nach New York zu kommen, doch die Brasilianerin ist fest entschlossen in ihrem Land zu bleiben.

Regisseur Bruno Barreto (Dona Flor and Her Two Husbands) erzählt von der Kunst des Verlierens. Inspiriert von Elizabeth Bishops Gedicht “One Art”, das mit der Zeile beginnt “The art of losing isn’t hard to master”, zeigt er die Höhen und Tiefen im Leben der Dichterin selbst, die noch heute als eine der größten Dichterinnen der USA bezeichnet wird.

Barreto wollte keine monotone Biografie verfilmen, die die Jahre und Ereignisse chronologisch abarbeitet. Vielmehr sollte Die Poetin eine Geschichte werden. Eine Geschichte über die Liebe zweier Frauen, aber auch über Erfolg und Verlust. Der Film betrachtet die 15 Jahre, die Elizabeth Bishop in Brasilien verbrachte und in denen sie ihre größten Erfolge feierte.

Miranda Otto (Der Herr der Ringe) beeindruckt in ihrer Rolle als anfangs schüchterne Dichterin, die mit dem Erfolg zwar immer selbstbewusster wird, jedoch auch mit Problemen wie Alkohol und Eifersucht zu kämpfen hat. Besonders in den stillen Szenen zeigt Miranda Otto was für eine großartige Schauspielerin sie ist.

In einem Film, in dem, so der Regieseur, “der Subtext wichtiger ist als der Text” ist es entscheidend, genau darauf zu achten was zwischen den Zeilen passiert. Und genau das gelingt ihr auf eine wunderbare Weise. “Miranda Otto gab 500%. Oder mehr. Sie wurde zu Bishop.” schwärmt der Regieseur. Und das merkt auch der Zuschauer. Bereits zu Beginn des Films vergisst man die Schauspielerin und sieht nur noch den Charakter.

Aber auch Glória Pires (Se Eu Fosse Você), die vor allem für ihre zahlreichen Rollen im brasilianischen Fernsehen bekannt ist, überzeugt mit ihrer Darstellung von Lota de Macedo Soares. “Der Film war eine große Herausforderung, in vielerlei Hinsicht.” so die Schauspielerin. Schwierig war für sie vor allem die Sprache. “Ehrlich gesagt war ich so besorgt wegen des Englischen, wie ich die Sätze sagen und wie ich mich an unterschiedliche Leute wenden sollte, dass ich mich nicht allzu sehr um die Körpersprache kümmerte.” Solche Unsicherheiten bemerkt der Zuschauer jedoch, wenn überhaupt, kaum.

Ein zentrales Thema im Film ist die Dreiecksbeziehung zwischen Elizabeth, Lota und Mary. Die Darstellung ihrer Liebe ist weder prüde noch überzogen und wirkt genau deswegen echt. Auch ihre Umwelt geht sehr tolerant mit ihrer Beziehung um, obwohl die Geschichte in den 1960er Jahren spielt. Auf Szenen mit Konflikten oder Diskriminierung aufgrund ihrer Sexualität wurde verzichtet.

Die gleichgeschlechtliche Liebe ist ein Thema, jedoch wird dies den Zuschauern nicht ständig vor Augen geführt. Im Mittelpunkt steht der Mensch mit seinen Ängsten und Fehlern, wie sie in jeder Beziehung vorkommen können.

Getragen wird die Geschichte neben den Charakteren auch von der wunderschönen Umgebung in der sie erzählt wird. Ein großer Teil des Films spielt in einem Landhaus außerhalb der Metropole Rio de Janeiro. Umschlossen von Bergen und Wäldern hat die Architektin Lota eine Oase geschaffen, die sich optimal an ihre Bewohner anpasst. Auch das Studio, das sie für Elizabeth baut, liegt lichtdurchflutet mitten in der Natur und trägt maßgeblich zu Elizabeths Erfolgen als Dichterin bei.

Genau wie Elizabeths Studio ist auch der Film lichtdurchflutet. Bruno Barreto gelingt es allein mit Licht und Farben den Charakter und die Lebensfreude eines ganzen Landes einzufangen. Untermalt wird das ganze mit der Musik von Marcelo Zarvos (Der Dieb der Worte).

Die Handlung des Films erstreckt sich über 15 Jahre. Zwar bemerkt der Zuschauer durch die äußerliche Veränderung der Charaktere, dass die Zeit vergeht, aber auf genaue Zeitangaben hat Barreto absichtlich verzichtet. “Ich wollte, dass dem Publikum zwar bewusst ist, dass die Zeit vergeht, aber nicht genau klar ist, in welchem Jahr wir uns gerade befinden.” Es ist eine zeitlose Geschichte und genau so soll sie auch erzählt werden. Aber ganz orientierungslos schickt er den Zuschauer nicht durch die Zeit. Erwähnungen wie die Ermordung von Kennedy, die Verleihung des Pulitzer Preises an Elizabeth Bishop und der Staatsstreich in Brasilien geben dem Zuschauer zumindest eine grobe zeitliche Orientierung.

Mit Die Poetin gelang Bruno Barreto die bewegende Filmbiographie einer beeindruckenden Frau. Er kreierte die Porträts zweier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber genau deswegen zusammenfanden. Eingebettet in wunderschöne Bilder eines Landes und seiner Menschen lernen wir Elizabeth Bishops Texte kennen, und begreifen was diese für ihre Autorin bedeuteten.

Regie: Bruno Barreto
Drehbuch: Matthew Chapman, Julie Sayres
Musik: Marcelo Zarvos
Darsteller: Glória Pires, Miranda Otto, Tracy Middendorf

Handlung:

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