Cloud Atlas (2012) | Filmkritik

Cloud Atlas

Wir begeben uns auf eine faszinierende Reise und erforschen, wie die Taten einer einzelnen Person in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft den Ablauf der Zeit verändern. Der Wandel einer Seele vom Mörder zum Helden – in Zeiten zwischen Frieden und Revolution. Sechs Schicksale in 500 Jahren, die durch ein einziges großes Abenteuer verbunden sind.

1849: Der amerikanische Notar Adam Ewing aus San Francisco unternimmt wegen einer Erbangelegenheit eine Reise nach New South Wales. Begleitend dokumentiert er seine Erlebnisse und Gedanken in einem Tagebuch. Nach seiner Ankunft lernt er nicht nur den Arzt Henry Goose kennen, sondern ebenfalls den Schrecken des Sklavenhandels. Als er mit dem Schiff Prophetess die Rückreise antritt und feststellen muss, dass sich ein einheimischer Moriori in seiner Kabine versteckt hält und die Flucht sucht, verändert sich seine Weltanschauung schlagartig. Adam trifft eine Entscheidung die durch die Jahrhunderte hindurch nachhallt.

© Warner Bros.

1936: Der talentierte Musiker Robert Frobisher wurde von seinem Vater enterbt und flieht verarmt zu dem unter Syphilis leidenden Komponisten Vyvyan Ayrs. Im Schloss Zedelghem hilft er dem alten Komponisten sein letztes Meisterwerk zu vollenden, welches den Titel „Das Wolkenatlas-Sextett“ trägt. Inspiration schöpft er dabei aus Ewings Reisetagebuch, welches die Schrecken der Kolonialzeit schildert. In seinen Briefen an seinen Freund Rufus Sixsmith schildert er seine Fortschritte.

1973: Die ehrgeizige Journalistin Luisa Rey versucht einem Atomskandal auf die Schliche zu kommen, der das Leben tausender Menschen bedrohen könnte. Der „Hydra-Reaktor“ auf Swannekee Island wird jedoch von einem mächtigen und korrupten Vorsitzenden geführt, der einen Attentäter namens Bill Smoke anheuert. Dieser soll verhindern, dass ein von Rufus Sixsmith verfasster Bericht über die Fehler des Reaktors ans Tageslicht gelangt.

2012: Timothy Cavendish arbeitet als wenig erfolgreicher Verleger in London. Eines Tages schafft es jedoch eine Biografie über einen Schlägertypen zum Bestseller und der verschuldete Timothy Cavendish scheint alle Sorgen abgelegt zu haben. Doch als er von dem Autoren des Buches und dessen Brüdern bedroht wird, muss er ins Exil fliehen. Durch unglückliche Umstände landet er eingesperrt im Altenheim Aurora, wo er erkennt was Freiheit bedeutet und anschließend seine Erlebnisse in einem eigenen Roman schildert.

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2144: Der weibliche Klon Sonmi~451 lebt in einer dystopischen Zukunft in Korea. Als gefügige Restaurantbedienung beginnt sie plötzlich eigene Gedanken zu entwickeln und beschließt aus ihrem Gefängnis auszubrechen. Als Gesicht der Revolution will sie die Konzernokratie stürzen und das Denken der Menschen verändern.

2346: Der Ziegenhirte Zachry lebt in einer postapokalyptischen Welt, wo Sonmi~451 als Göttin verehrt wird. Die Menschheit ist vom technischen Standpunkt in die Steinzeit zurückgefallen und das kriegerische Volk der Kona bedroht seinen Stamm. Nur die Prescients besitzen noch das Clever der Alten und besuchen die Insel Zachrys einmal im Jahr zum Tauschhandel. Die Prescients schicken eine Frau namens Meronym auf die Insel, um Nachforschungen anzustellen.

Im Jahr 1999 revolutionierten die Wachowski-Geschwister mit ihrem Science-Fiction-Film Matrix die Kinos. Ihr Film war eine intelligente Mischung aus Action sowie philosophischen und religiösen Elementen. Es folgten zwei Fortsetzungen in dem Jahr 2003. 2008 kreierten sie das bunte Rennspektakel Speed Racer, welches jedoch finanziell einen Flop darstellte. Danach wurde es ruhig um das Geschwister-Paar. Nun melden sich Lana und Andy Wachowski jedoch mit einem Paukenschlag zurück – ein Projekt, welches facettenreicher nicht sein könnte.

Der Roman Der Wolkenatlas, welcher im Jahr 2004 von David Mitchell publiziert wurde, galt bislang nicht umsonst als unverfilmbar.

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Auf 672 Seiten erzählt er das Schicksal von sechs unterschiedlichen Charakteren über einen Zeitraum von 500 Jahren. Alle Verbunden durch Reinkarnation und den menschlichen Willen nach Macht.

Bei der Verilfmung dieses umfangreichen Stoffes suchten sich die Wachowski-Geschwister Hilfe bei dem deutschen Filmregisseur und Produzenten Tom Tykwer, der 1998 mit Lola rennt ein komplexes Werk über die Auswirkungen des Schmetterlingseffektes realisierte.

Mit Cloud Atlas wagten sich die drei Filmschaffenden nun gemeinsam an ein Kunsterlebnis, welches den Zuschauer auf einen Actiontrip, eine Reise durch die Zeiten, einer aberwitzigen Komödie, einem See-Abenteuer und vielem mehr mitnimmt. Eine höhere Dichte an Geschichten und verschiedenen Genres kann man im Kino für sein Geld aktuell nicht bekommen.

I believe there is a another world waiting for us, Sixsmith. A better world. And I’ll be waiting for you there.

Robert Frobisher

Wie schon im Buch erzählt dabei jeder Charakter seine Geschichte und verfolgt dabei auch immer einen eigenen Stil und eine eigene Handschrift. Cloud Atlas entscheidet sich jedoch gegen die Bogenform der Buchvorlage und erzählt die Handlungen der Figuren parallel. Beobachter ohne Vorwissen der Erzählung haben dadurch auf jeden Fall den Vorteil, dass sie die handelnden Charaktere nicht vergessen und immer wieder an die Figuren erinnert werden.

Bei der Verteilung der Zeitalter herrscht jedoch eine kleine Unstimmigkeit. Besonders die futuristischen Ereignisse rund um Klon Sonmi~451 und Ziegenhirten Zachary übernehmen stellenweise etwas die Überhand und spielen sich in den Mittelpunkt.

© Warner Bros.

Zum Glück geschieht dies noch in dem Maße, dass man die Abenteuer der anderen Protagonisten nicht all zulang vermissen muss.

Wie es bei einer Romanverfilmung immer der Fall ist, muss natürlich an allen Ecken und Enden gekürzt werden. Gerade bei der Verfilmung von Der Wolkenatlas war es schlicht unmöglich alle komplexen Geschichten für die Leinwand zu adaptieren und das obwohl der Film eine Länge von knapp 3 Stunden aufweist.

Leser des Buches werden aber einige bedeutende Figuren und Ereignisse vermissen, welche die Entwicklungen und Hintergründe der Akteure näher beleuchtet hätten. Bei der vorliegenden Vielschichtigkeit hätte man jedoch jeder der sechs einzelnen Geschichten einen zweistündigen Spielfilm widmen können. Daher fokussiert man sich in Cloud Atlas auf die entscheidenden und folgenschweren Begebenheit.

My life amounts to no more than one drop in a limitless ocean. Yet what is any ocean, but a multitude of drops?

Adam Ewing

Unaufmerksame Beobachter können dabei mit Sicherheit schnell den Überblick verlieren und sich in Zeit und Raum verlieren. Jeder, der jedoch den Durchblick behält wird einen sich durch die Jahrhunderte ziehenden roten Faden verfolgen. Alle sechs Charaktere haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Die menschliche Natur wird in jeder Epoche von dem starken Willen nach Macht kontrolliert.

Außerdem muss jede Figur mit einer Art der Gefangenschaft umgehen. Die Verknüpfungen zwischen den handelnden Figuren werden im Film nicht nur durch die musikalische Untermalung des Werkes „Das Wolkenatlas-Sextett“ vorgeführt, sondern auch das kometenförmige Mal wird dem Zuschauer deutlich vor Augen gehalten. Die Verbindung der Figuren, welche durch das Tagebuch Ewings, die Briefe Frobishers, den Roman Luisa Reys, Cavendishs Verfilmung und Sonmis Protokoll im Buch aufgebaut wurden, hat man in Cloud Atlas leider teilweise etwas vernachlässigt.

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Bei den Schauspielern hat man ebenfalls versucht die Verbundenheit filmisch darzustellen. Jeder der Hauptakteure verkörpert bis zu sechs verschiedene Rollen in den unterschiedlichen Zeiten.

Oscar-Preisträger Tom Hanks eröffnet für uns den Film als gealterter Zachry und beginnt seine Geschichte am knisternden Lagerfeuer zu erzählen. Außerdem tritt er präsent als Dr. Henry Goose und Isaac Sachs in Erscheinung. Sein Schauspiel ist dabei wie gewohnt gekonnt und glaubhaft. Besonders als Zachry, in dessen Welt die Sprache nicht mehr als ein paar gestammelte Wörter sind, mimt er zuverlässig den futuristischen Steinzeitmenschen.

There is a natural order to this world, and those who try to upend it do not fare well.

Haskell Moore

An seiner Seite treffen wird oftmals Schauspielerin Halle Berry an, die als Luisa Rey und Meronym ihre größten Auftritte im Film hat. Sie durchlebt einen Wandel von der 70er-Jahre Kämpferin für die Umwelt bis hin zur futuristischen Amazone, die nach einer Rettung für ihr Volk sucht.

Auch Jim Broadbent konnte als Captain Molyneux, Vyvyan Ayrs oder Timothy Cavendish seine Leinwandpräsenz demonstrieren und besonders als verarmter Verleger, der in einem Altenheim eingesperrt wird, hat er seine unterhaltsamsten Momente. Die mit Abstand witzigste Geschichte in Cloud Atlas.

Hugo Weaving arbeitete bereits bei der Matrix-Trilogie mit den Wachowski-Geschwistern zusammen, wo er als Agent Smith immer mal wieder seinen Körper wechselte. In Cloud Atlas wechselt er gleich die ganze Rolle und das mehrfach.

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Ob als Haskell Moore, Tadeusz Kesselring, Auftragskiller Bill Smoke, Krankenschwester Noakes, Mephi oder teuflischer Old Georgie – Hugo Weaving hat in jeder der sechs Geschichten seinen souveränen Auftritt.

Ein Highlight an Schauspielkunst bietet uns zudem Jim Sturgess, bekannt aus 21 und Heartless, der nicht nur den erkrankten Notar Adam Ewing darstellt, sondern besonders in der Zukunft als Revolutionär Hae-Joo Chang seine stärkste Leistung abruft.

Schauspielerin Doona Bae hat weniger Rollen abbekommen, ist dafür aber als Klon Sonmi~451 ordentlich beschäftigt und entwickelt sich vom seelenlosen Wesen zum menschlichen Gesicht der Revolution.

Ben Whishaw ist aktuell noch als Erfinder Q in James Bond 007: Skyfall zu sehen, in Cloud Atlas übernimmt er den ungestümen Musiker Robert Frobisher, der all sein Leben und all sein Handeln in einem Musikstück vereint, welches die Jahrhunderte überdauern wird.

James D’Arcy in der Rolle des Rufus Sixsmith und Archivist,sowie Hugh Grant mit sechs Rollen, unter anderem als Reverend Giles Horrox, Lloyd Hooks, Seer Rhee und Kona Anführer runden den Cast ab.

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Insgesamt übernehmen diese neun Schauspieler unglaubliche 47 Rollen in dem Film. Dabei wechseln ihre Gesichter und Masken fast so häufig wie die Zeiten des Films. Oftmals erkennt der Zuschauer die Verkleidung und manchmal tappt er komplett im Dunkeln wer hinter der Maske steckt. Auf jeden Fall sollte man während des Abspannes sitzen bleiben und einige Überraschungen erleben.

Visuell hält Cloud Atlas alles was einem der Trailer vorab verspricht. Nicht nur die futuristischen und postapokalyptischen Welten können mit etlichen Effekten und einem imposanten Szenenbild beeindrucken, auch die Vergangenheit hat etliche Details und großartige Kostüme parat. Ein wahrer Augenschmaus in allen Szenen.

Ein kleines Manko ist leider die Tatsache, dass der Film ab und an ein paar Antworten zu viel herausgibt auf Fragen, die noch nicht gestellt wurden. Dadurch werden einige Entwicklungen und Wendungen, die im Buch vorherrschten leider früh vorweggenommen. Wer das Werk jedoch ohne Vorwissen genießt, wird sich an diesen Punkten nicht wirklich stören.

Fear, belief, love phenomena that determined the course of our lives. These forces begin long before we are born and continue after we perish.s

Isaac Sach

Die Wachowski-Geschwister haben es in Zusammenarbeit mit Tom Tykwer abermals geschafft einen eigenen Weg in der Filmwelt zu gehen und setzen auf volles Risiko in ihrer Erzählstruktur. Dabei ist es ihnen vollkommen egal ob sie einen Mainstream-Kassenschlager produzieren oder ein Werk schaffen, auf welches man in vielen Jahren voller Stolz und Demut zurückblicken wird.

Cloud Atlas hält uns vor Augen, das in all unserem Tun erst der Sinn der Welt ensteht – des Lebens. Jede unserer Handlungen hat weitreichende Konsequenzen, welche Zeit und Raum überdauern. Unsere Seele ist unsterblich.

Bewertung

Trailer

Informationen
Cloud Atlas | 15. November 2012 (Deutschland) 7.4

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