Underwater Love – A Pink Musical (2011) | Filmkritik

Asuka arbeitet in einer Fischfabrik und ist kurz davor, ihren Chef zu heiraten. Doch dann begegnet sie einem Kappa, einem japanischen Wasserdämon, der im nah gelegenen See wohnt. Es stellt sich heraus, dass das Fabelwesen ihr wiedergeborener Schulfreund und Jugendschwarm Aoki ist, der vor siebzehn Jahren ertrank.

Aoki ist seit dem Unglück natürlich nicht mehr gealtert und macht dem japanischen Kappa-Mythos alle Ehre. Er liebt Gurken mehr denn je, genauso wie Schwimmen, Tanzen, Fische naschen, er planscht gern in Badewannen, ist überaus frech und sucht nur Spaß. Zu gern würde er bei Asuka einziehen, aber wie soll sie den Dämon vor ihrem Fast-Ehemann verstecken?

Um Asuka (oder Chage – ihr Spitzname) nahe zu sein, sucht sich Kappa-Aoki sogleich Arbeit in der Fischfabrik, getarnt mit Maske und Brille, Michael-Jackson-Style! Gleichzeitig lässt er sich aber auch nicht ungern von einem anderen Mädchen verführen oder hängt Sake saufend mit einem eigenartigen Hippietypen ab. Dieser eröffnet ihm auch, dass Chage schon am nächsten Abend sterben soll. Aoki will sich aber nicht damit zufriedengeben. Er ist entschlossen, seine Jugendliebe zu retten, koste es, was es wolle …

Nur die deutsch-japanische Freundschaft kann solch ein verrucht albernes und doch nachdenklich machendes Porno-Märchen hervorbringen. In nur fünfeinhalb Tagen, im bescheidenen „One take only“-Stil, kreierten das deutsche Studio Rapid Eye Movies und die japanische Kokuei Company dieses … ähem … schmutzige Musical-Kunstwerk um ein kindsköpfiges, Gurken futterndes Schildkrötenwesen und seine unvergessene Liebste. Einzuordnen ist das ganze Spektakel unter dem Stichwort Pink Film (Pinku eiga), ein japanisches Filmgenre mit Erotik- und Kunstfilmelementen, das hier, siehe Titel, mit dem Musicalgenre vereint wurde.

Regisseur Shinji Imaoka (Lunch Box, Frog Song) hat sich bereits im Pink-Film-Bereich etabliert und werkelte hier einmal mehr, in Überlänge sozusagen (meist sind diese Art Filme nur knapp über eine Stunde lang), an einem weiteren Low-Budget-Film. Er wird nicht ohne Grund zu den „Seven Lucky Gods of Pink“ gezählt, einer Gruppe von Regisseuren des 21. Jahrhunderts, die sich in dieser feuchtfröhlichen Nische einen Namen gemacht haben. Dabei hat sich dieser hier durch eine leichte Abwendung von der Bedeutung von Kopulationsszenen und hin zu Gefühl und Motivation hinter dem ganzen Treiben nicht wirklich beim üblichen Pink-Film-Zuschauer, dafür besonders bei Kritikern und einem breiteren Publikum beliebt gemacht.

87 Minuten füllt diese fantastische Liebesgeschichte, dazu gibt‘s kitschiges Behindertenballet mit schlechten Gesangseinlagen, begleitet von primitiver Musik aus der Punkrock-Synthi-Müllbox … sinnlos-profane Texte übers Essen, Schlafen, Träumen … und Softcore-Sexszenen, die bis ins Absurd-Komische überzogen sind (FSK16) – genau: Underwater Love ist einfach nur klasse!

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In Sachen Musik fiel die Wahl genialerweise auf Stereo Total, ein französisch-deutsches Electro-Duo mit Berliner Wurzeln, den meisten sicher durch den Ohrwurm „Wir tanzen im Viereck“ bekannt. Der Soundtrack mit japanischem Text untermalt perfekt den Film während irrer Tanzeinlagen, wobei das Klangspektrum passende Assoziationen mit Wasser auslöst. Lustig: Die Texte waren nicht einmal den Schauspielern wirklich bekannt, wie man in den total improvisierten Gesangs-Szenen sieht, was darauf hindeutet, dass Authentizität und Spontanität nicht der Perfektion zum Opfer fallen sollten. Das Konzept geht auf, erfrischt, überrascht, amüsiert. Der ganze Blödsinn wurde mit schlichten, scheinbar planlosen Kameraeinstellungen von Genie Christopher Doyle (Hero, 2046, Dumplings) eingefangen, der trotz kleinem Budget die Geschichte stimmungsvoll in Szene setzt. Nicht zuletzt heben auch die guten Leistungen der Darsteller (bedenken wir ruhig das gesamte vielfältige Leistungsspektrum!) den Film auf eine qualitativ sehr solide Ebene.

Auch wenn Elemente der herzerwärmenden, unschuldigen Storyline hin und wieder keinen Sinn ergeben mögen, sodass man einfach mal ‘nen Lachkrampf bekommt, reißt dennoch der rote Faden nie ab, und die avantgardistische Geschichte behält ihren Handlungsbogen unter Spannung.

Poesie oder Schund? Gute Frage, nächste Frage! Dieses Werk zu beurteilen, obliegt wirklich jedem selbst. Müsste man sich auf eine Bewertung einlassen, träfe es der Begriff „Analperle“ wohl ganz gut (Achtung – das ist tatsächlich eine unterschwellige Referenz zur Handlung). Der Film ist krass poetisch auf seine eigene bescheuerte Art und Weise, wenn er auch möglicherweise nicht für den zartbesaiteten Zuschauer geeignet ist. Wer aber auf verrückte Filme steht, vielleicht schon mal heimlich ‘nen richtigen Porno gesehn hat und High School Musical so echt nix abgewinnen konnte, der wird sich für Underwater Love begeistern können. Hinweis auf der Packungsbeilage: Hilft gut bei Flüssigkeitsmangel. Muss nicht mit Alkohol eingenommen werden, haut auch so ganz gut rein. Daumen hoch!

Regie: Shinji Imaoka
Drehbuch: Shinji Imaoka, Fumio Moriya
Musik: Stereo Total
Schauspieler: Sawa Masaki, Yoshiro Umezawa, Ai Narita, Mutsuo Yoshioka, Fumio Moriya, Hiroshi Sato, Hiroshi Onishi, Emi Nishimura

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