Zack Snyder’s Justice League (2021) | Filmkritik

Teil 1: Gott ist tot

Ein Schrei geht um die Welt. Der Schall erschüttert Metropolis und Gotham City, durchschneidet die Meere, trifft jedes Wesen für einen Moment tief bis ins Mark und erreicht dabei sogar die verborgenen Königreiche Atlantis und die Amazoneninsel Themyscira. Gott ist tot.

Der Mann mit dem roten Cape, der Sohn Kryptons, der eigentlich Unverwundbare, Superman (Henry Cavill) hat seinen letzten Atemzug ausgehaucht. Doch Zeit zum Trauern bleibt seinen Mitstreitern, die mit ihm die Welt verteidigten, kaum. Bruce Wayne alias Batman (Ben Affleck) kann die Ahnung in sich nicht zum Schweigen bringen, dass irgendetwas im Verborgenen lauert und nur auf den Tod Gottes gewartet hat.

© Warner Bros. / HBO Max

Und während Batman gemeinsam mit Diana Prince alias Wonder Woman (Gal Gadot) um die Welt reist, in der Hoffnung andere Metawesen für den Kampf gegen das noch gesichtslose Böse zu gewinnen, erhebt es sich bereits.

Steppenwolf (Ciarán Hinds) ist durch die Dimensionen gepilgert und taucht nun plötzlich mit einer Armee geflügelter Dämonen im Amazonenkönigreich auf. Es gelingt ihm ein mysteriöses Artefakt zu stehlen, das hier fernab von allen menschlichen Augen jahrtausendelange verwahrt gewesen war. Zwei weitere dieser sogenannten Mutterboxen wird er brauchen, um seinen Meister Darkseid zur Erde zu bringen.

Noch sind sie versteckt, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie nach ihrem Meister zu rufen beginnen. Die Uhr für Batman, um seine Justice League zur Verteidigung der Erde zusammenzustellen, tickt.

© Warner Bros. / HBO Max

Teil 2: #releasethesnydercut

Es war eine der wichtigsten popkulturellen Bewegungen der 2010er-Jahre. Nachdem Marvel-Comics 2008 seinen Triumphzug mit Iron Man auf der Kinoleinwand begann und 2019 mit 23 Filmen die erste übergreifende Handlung des MCU (Marvel Cinematic Universe) zum Abschluss brachte, nur um damit damals alle Box-Office-Rekorde zu brechen, wollte DC – der zweite Big-Player in der Comic-Branche – nachziehen.

Als Mastermind erwählte sich das Studio Warner 2013 schließlich Zack Snyder (300, Watchmen, Sucker Punch). Er sollte als Produzent maßgeblich den Verlauf des sogenannten DCEU (DC Extended Universe) betreuen und landete als Regisseur des ersten Filmes Man of Steel einen Hit zum Start.

Der zumindest kommerziell erfolgreiche Film ließ Kritiker und Kritikerinnen zwar unbeeindruckt, stellte allerdings die Fans zufrieden und weckte die Hoffnung auf einen neuen, großen Stern am Franchise-Himmel.

© Warner Bros. / HBO Max

Doch dann begann eine Schlitterpartie, die 2017 im Chaos gipfeln sollte. 2016 erschienen mit Batman v Superman: Dawn of Justice, wo wieder Snyder auf dem Regiestuhl Platz nahm, und David Ayers Suicide Squad zwei überfrachtete, erzählerisch derart unausgegorene Machwerke, die bei der Kritik auf ganzer Linie durchfielen und auch viele Fans enttäuschten.

Kommerziell waren die Filme zwar profitabel, aber spielten durch die schlechte Mundpropaganda weniger ein als man auf Seiten von Warner erhofft hatte. Wonder Woman schaffte 2017 eine Kehrtwende, vor allem weil der Film entgegen seiner Vorgänger aus 2016 narrativ schnörkellos funktionierte und einer Mainstream-Actionheldin endlich einen ganzen Film widmete, was Marvel mit 23 Filmen nicht gelungen war.

Doch dann kam Justice League. Es sollte das erste epische Aufeinandertreffen von Superman, Batman, Wonder Woman und den Neulingen Aquaman (Jason Momoa), The Flash (Esra Miller) und Cyborg (Ray Fisher) werden. Die Helden und Heldinnen trafen tatsächlich aufeinander und es entwickelte sich zum epischen Desaster.

Snyder und sein Studio waren sich schon längst nicht mehr einig, was für eine Vision sie auf die Leinwand bringen wollten. Es knirschte gewaltig zwischen den Verantwortlichen. Als schließlich Snyders Tochter Autumn mit kaum mehr als 20 Jahren verstarb, zog er sich gänzlich aus dem Projekt zurück und schien auch sonst dem DCEU den Rücken zu kehren.

The bell’s already been rung. And they’ve heard it… out in the dark, among the stars. Ding dong, the God is dead.

Seiner eigenen Legende nach soll er allerdings damals seine über fünf Stunden Filmmaterial, die er bereits mit Affleck, Gadot, Cavill und Co. gedreht hatte, halblegal auf einer Festplatte mitgenommen haben. Joss Whedon sprang für ihn ein, drehte viele Szenen neu und verpasste dem Film einen marvel-esken Drive – Whedon hatte schließlich selbst die ersten beiden Avengers-Teile inszeniert –, der am Ende kaum jemandem gefallen sollte.

Der Film trieb das Computereffektgewitter, das auch schon bei Batman v Superman sauer aufgestoßen war, auf die Spitze und bot mit Supermans digital wegretuschiertem Oberlippenbart Anlass für hämische Memes. 655 Millionen US-Dollar an der Kinokasse waren das bisher schlechteste Einspielergebnis des DCEU zu diesem Zeitpunkt, obwohl man eigentlich einen vorläufigen Höhepunkt einkalkuliert hatte.

Bei 300 Millionen Dollar reinem Produktionsbudget – dazu kommen in der Regel noch einmal genauso viel Marketingkosten – verbuchte Warner den Film als finanziellen Misserfolg.

© Warner Bros. / HBO Max

Im Nachbeben entwickelte sich der Social-Media-Hashtag Release the Snyder Cut zum Internetphänomen. Ob die Corona-Pandemie nun schließlich den entscheidenden Grund dafür bot, dass dieser Traum der Snyder- und DC-Fan-Community tatsächlich am 18. März 2021 Wirklichkeit wurde, lässt sich wohl nicht endgültig klären. Klar ist allerdings, dass man auf Seiten von Warner gemeinsam mit dem US-amerikanischen Fernsehriesen HBO Ende Mai 2020 den hauseigenen Streamingdienst HBO-Max in Konkurrenz zu Netflix, Amazon-Prime und Disney-Plus eröffnete.

Während, abgesehen von Tenet (2020), die allermeisten Warner-Produktionen wegen der Pandemie auf Halde lagen, suchte man nach den großen Prestige-Projekten zur Abonnenten-Akquise. Und tatsächlich scheint sich die Rechnung gelohnt zu haben – der Snyder-Cut sollte es werden. Das Streaming-Portal verzeichnete in der Woche nach dem Release tatsächlich einen zumindest kurzzeitig sprunghaften Anstieg bei Mobil-Aufrufen und Downloads.

Für seinen Justice League-Cut nutzte Snyder ausschließlich eigens gedrehte Szenen und behandelte Joss Whedon damit so, als hätte der nie eine Version des Filmes gemacht. Er ließ wenige Szenen für den Epilog – der neue Schnitt ist in Kapitel unterteilt – nachdrehen und holte dafür sogar Jared Leto als Joker aus den Trümmern der Suicide Squad-Rezeption zurück. Ansonsten veränderte er das Format auf 4:3 und verdoppelte die Laufzeit auf nahezu vier Stunden.

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Teil 3: Die Auferstehung des Zack Snyder

Ob diese Fassung von Justice League nun besser ist als die aus 2017, müssen andere beurteilen. Ich war tatsächlich einer der DC-Fans, die bereits von Man of Steel ernüchtert waren – von den beiden Nachfolgern ganz zu schweigen – und deswegen nach den überwiegend vernichtenden Kritiken gar nicht erst ins Kino gegangen ist.

Dennoch regte sich in mir das Interesse am Snyder Cut, nicht nur, weil Batman v Superman neben dutzenden Schwächen durchaus visuell berauschende Unterhaltung gewesen war, sondern weil ich seit jeher ein Verteidiger des viel gescholtenen Regisseurs bin. Weniger Größen in Hollywood haben so einen markanten Stil wie Snyder.

Um bei dem sich aufdrängenden Vergleich zu bleiben: Marvel hat mit über 23 Filmen ihre Marke sehr erfolgreich gepusht. Sie wollten einen MCU-Stil, der aber zu einer Nivellierung der Einzelvisionen führen musste und damit nicht zuletzt auf visuell gestalterischer Ebene Potenzial verschenkt hat.

I know we’re all thinking the same thing right now. Who’s gonna say it? I’m not gonna say it.

Einen Snyder-Film erkennt man hingegen sofort: da wären das einzigartige Color-Grading, die mythologischen Stoffe oder die überlebensgroßen, minutiös organisierten Bilder, die auch deswegen so oft in Slow-Motion ablaufen, damit die Zuschauerinnen und Zuschauer sie wie Gemälde bestaunen können. Und gewiss ist das alles auch in diesem Film unfassbar dick aufgetragen, wenn Batman beispielsweise auf dem Rücken eines Pferdes wie in der Arthus-Saga auf einem verschneiten Bergkamm entlangreitet oder Aquaman wie Moses beim Durchzug durch das Rote Meer dasteht und ihn von rechts und links die Springflut verschluckt.

An anderer Stelle ist es ein Football-Spiel, das sich wie eine Schlacht schaut. Egal wie pathetisch aber diese Bilder auch sein mögen: In ihnen begegnet einem echte Kinomagie. Da klappt einem die Kinnlade herunter. In diesen Bildern möchte und kann man dank der Slow-Motion versinken.

Zack Snyder’s Justice League hätte deswegen ins Kino gehört, auch wenn er da mit seinen vier Stunden Laufzeit vielleicht zu wenige Anhänger gefunden hätte. Der Film bietet zusammen mit den wunderschönen und wiedererkennbaren Leitmotiven, die Tom Holkenborg (Batman v Superman, Mad Max: Fury Road) alias Junkie XL orchestriert hat, Momente, die an eine mythologische Oper erinnern.

Es sollte mehr Werke im Mainstream-Kino geben, die ihre vielen Millionen dafür investieren, solche audiovisuell innovative wie herausragende Leinwandunterhaltung zu erschaffen. Gerade die erste Stunde ist genau in dieser Hinsicht starkes Actionkino.

© Warner Bros. / HBO Max

Teil 4: Style over Substance

In mir sträubt sich alles, diese Überschrift zu benutzen, aber ich muss es tun. Ich sträube mich deswegen, weil bei mir in der Vergangenheit der Eindruck entstanden ist, dass dieser Satz zu oft benutzt wurde, um populärer Unterhaltung wie z.B. den Superheldenfilmen die künstlerische Berechtigung abzusprechen. Dabei ist der Satz selbst eigentlich als Gradmesser für einen guten Film untauglich, denn Film ist ein Medium, das nach dem Prinzip Substance through Style, also Substanz oder Tiefe durch seinen kinematographischen Stil, funktionieren sollte.

Dahinter verbirgt sich dann nichts anderes als das, was man nach dem Film-ABC oftmals als Show, don’t tell bezeichnet. Es ist der Appell an Filmschaffende, das Medium Film mit seinen Stärken zu benutzen, nämlich dem bewegten Bild. Über Bilder soll die Geschichte im Film zum Zuschauer gelangen. Im Idealfall transportiert dabei ein guter Stil echte erzählerische Tiefe. Und doch muss ich nun dem Snyder-Cut genau das vorwerfen, was Style over Substance eigentlich meint: Außen schön und innen hohl.

Tell him to respect the storm next time.

Auf narrativer Ebene läuft Zack Snyders Potenzial nicht selten ins Leere. Chris Terrios (Argo, Batman v Superman, Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers) Drehbuch ist auf One-Liner zugeschnitten, die im Einzelnen die Epik des Aufrisses natürlich noch verstärken, aber im Zweifelsfall eher nerven. Es sind Sätze wie „Du kannst alles werden, was du willst“ (so Wonder Woman wortwörtlich im Film), die kein erwachsener Mensch wirklich ernst nehmen kann. Auf der Ebene der Figurenzeichnung sind die vier Stunden Zeit, die man dafür hatte, verschenkt.

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Faktisch erhalten natürlich vor allem die bisher ohne eigenen Film gebliebenen Charaktere Cyborg und The Flash ihre Bühne und doch bleibt die Substanz auf der Strecke. Die Zuschauerinnen und Zuschauer bekommen – wie so oft im Blockbusterkino unserer Zeit – kaum mehr als einen emotionalen Anker vorgesetzt, der sich in einem Satz zusammenfassen lässt: Cyborg muss sich selbst akzeptieren lernen und sich mit seinem Vater versöhnen.

Steppenwolf wurde von seinem Idol verstoßen und will sich dessen Anerkennung zurückverdienen. Andere Charaktere, wie Wonder Woman, Aquaman und Batman, haben überhaupt keine eigenen inneren Proben zu bestehen. Sie hatten ja schließlich auch schon ihren eigenen Film. Die Figur des Flash ist in ihrer Zeichnung so rudimentär, dass daran auch der hier und da erfrischende Witz, den er mitbringt, nichts ändert.

Lois Lane (Amy Adams) stolpert inklusive Justice League nun bereits seit drei Filmen vollkommen belanglos durch das DCEU, während die anderen Charaktere in ihrer Abwesenheit ihre Wichtigkeit herbeireden. Hatte Batman v Superman bei all seinen filmischen Problemen noch interessante Fragen gestellt (z.B. „Was würde es mit der Menschheit machen, wenn ein Halbgott mitten unter ihnen leben würde?“, „Wie verheerend könnte die Macht eines Tech-Tycoon wie Lex Luthor für die Gesellschaft sein, wenn er sie für das Böse einsetzen würde?“, „Welche Kollateralschäden bringt ein Zeitalter der Superhelden mit sich?“), so ist Justice League der Menschenwelt und ihrer Probleme nun vollkommen entrückt.

Es fehlen die ethisch relevanten Fragen; es fehlen über weite Strecken echte, verwundbare Figuren, die Empathie erwecken. Stattdessen begutachten wir wieder einmal nur Übermenschen, die sich durch die Gegend boxen und den letztlich doch nichts passieren kann.

© Warner Bros. / HBO Max

Dabei ist der Film in seiner Länge gerade in der zweiten Hälfe erschreckend spannungsarm. Es dauert eine geschlagene Spielfilmlänge, bis Batman erstmals in seinem Anzug zu sehen ist. Das große Finale erstreckt sich über eine Dreiviertelstunde und bietet dabei emotional wenig Neues.

Das Franchise-System entblößt damit selbst bei so einem querschießenden Vertreter wie dem Snyder-Cut seine größte Schwäche. Wenn eine auf viele Einzelwerke gestreckte Geschichte – nach bisheriger Planung wird das DCEU bis 2023 aus insgesamt 15 Filmen bestehen – eine möglichst große Gewinnmarge erzielen soll, braucht sie auch eine ebenso große Zielgruppe, die man nach den Strategien der Markenbindung kontinuierlich für jedes seiner Produkte gewinnen muss. Deswegen darf kein wichtiger Charakter sterben und wer stirbt, sollte am besten nur einen halben Film lang tot bleiben.

Echte Charakterbildung geht zwischen immer mehr und immer neuen Figuren verloren. Zu gewagte Schritte in der Handlung oder eine ambitionierte künstlerische Gestaltung entpuppen sich als wirtschaftliche Risiken, weil sie potenzielle Kunden abschrecken könnten und werden deswegen vermieden. Das auch Zack Snyders Vision der Justice League von diesen Krankheiten nicht verschont bleibt, liegt sicherlich nicht nur daran, dass er ein Filmuniversum weiterführt. Schließlich hat Warner explizit betont, es werde keine Fortsetzungen des Snyders-Cuts geben. Es liegt mitunter auch daran, dass der visuelle Meister weiterhin darauf wartet, dass er endlich mit einem genauso meisterhaften Drehbuchschreiber zusammenkommt.

Mein Epilog

Mit gemischten Gefühlen blicke ich auf das Happening zurück, das dieser überlebensgroße Directors-Cut zweifelsohne war. Zum einen ärgert es mich, dass ein Studio einfach so 70 Millionen ausgeben kann, um seine Marke, mit der es bereits 655 Millionen eingenommen hat, einfach noch einmal herauszubringen und so noch einmal in Form von Streaming-Abbos abzukassieren. Es gibt viele innovative Ideen in der Filmwelt, die niemals an solche Budgets gelangen, obwohl sie eine tiefsinnige Geschichte zu erzählen hätten.

Dann fällt mir Sucker Punch (2011) ein, der nur wenig mehr kostete. Zack Snyder inszenierte diesen meiner Meinung nach originellsten (vor allem als Extended Cut) und zugleich am meisten unterschätzten seiner Filme nicht nur, sondern schrieb ihn auch selbst. Und deswegen ermutigt mich der neue Justice League auch. Denn möglicherweise schenkt Warner auch dem Hashtag-Schrei Restore the Snyderverse, der momentan durch das Internet schallt, Gehör und holt Snyder zurück in das DCEU.

Wenn ein Tom Holkenborg die Musik schreiben würde, Zack Snyder sein gestalterisches Talent als Regisseur ausüben darf und ein zukünftiges Drehbuch sich mehr traut, aber weniger vornimmt, dann wäre das Grund zur Vorfreude.

Justice League von 2021 ist eine Geschichte ohne erzählerische Trittsicherheit, die als ein visionäres Kunstwerk aber meine Bewunderung verdient. Das gibt in Hinblick auf das DCEU Grund zur Hoffnung.

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