Vom 3. bis 6. März 2016 fand in Manchester das Manchester Film Festival statt. Das 2015 erstmals veranstaltete Festival steckt zwar noch in den Kinderschuhen, konnte aber nichts desto trotz wie schon im Vorjahr mit einer großartigen Auswahl von nationalen und internationalen Filmen glänzen. Das Programm bot eine muntere Mischung aus Kurzfilmen, Dokumentationen und Spielfilmen. Ich war für euch vor Ort und habe versucht eine Gute Mischung zusammenzustellen.
Für mich begann das Festival etwas verspätet am Freitagabend. Der Dokumentarfilm Art Bastard von Victor Kanefsky stellt einen der provokativsten und aufrührerischsten Künstler unserer Zeit vor. Robert Cenedella ist ein New Yorker Maler, der mit seinen Gemälden sowohl politische als auch soziale Themen aufgreift und der Gesellschaft auf satirische Art und Weise den Spiegel vorhält. Regisseur Victor Kanefsky hat den Künstler zehn Jahre lang begleitet und zeigt in Art Bastard sowohl seinen Werdegang als Künstler als auch die Person, die hinter den knallbunten Wimmelbildern steckt.
Mit zahlreichen Interviews mit Familienmitgliedern, Kunstkritikern und Cenedella selbst wird der Film selbst zum Portrait über einen, der nicht nach den Regeln der Kunst spielt. Mit filmischen Detail erweckt Art Bastard Cenedella Bilder zum Leben und erzählt die Geschichten die hinter den riesigen Leinwänden stecken. Der Film ist nicht nur wegen seines sehr sympathischen Protagonisten sehenswert, sondern bietet auch einen wunderbaren Blick auf die Menschen in einer der kreativsten Städte unserer Welt und ihre Entwicklung in den sechs Jahrzehnten. Der Film wurde von der Festivaljury mit dem Preis für die beste Dokumentation ausgezeichnet.
Tag zwei begann für mich mit einer Reihe fantastischer Kurzfilme. Ein indischer Junge der seine geheiligten Locken abschneidet, das Portrait einer Beziehung in einem Photobooth, Spannungen an der Kriegsfront, ein Mann mit schwieriger Vergangenheit, eine pflichtbewusste Braut und ein Bienenjunge der sich in ein Blumenmädchen verliebt. Das sind die sechs studentische Kurzfilme, produziert an nationalen und internationalen Filmschulen, die es in die Auswahl geschafft haben.
Besonders beeindruckt haben mich die Filme Box von Mathais Askeland (Norwegen) und The Fantastic Love of Beeboy and Flowergirl von Clemens Roth (Deutschland). Box bietet einen recht unkonventionellen Blick auf eine nicht mehr ganz so perfekte Beziehung eines jungen Paares. Aus der Perspektive der Photobooth Kamera erleben wir Schnappschüsse eines Beziehungsstreits die zeigen, dass nicht hinter jedem Lächeln Fröhlichkeit steckt. Auf sehr minimalistische Art und Weise hat Askeland es geschafft eine Geschichte zu erzählen, die uns daran erinnern, dass Fotos nur eine Momentaufnahme sind und nie die ganze Geschichte erzählen.
The Fantastic Love of Beeboy and Flowergirl bildet einen der zwei deutschen Beiträge der Auswahl. Der Kurzfilm über die Liebesgeschichte zwischen Bienenjungen und Blumenmädchen ist unverkennbar eine Hommage an den ganz eigenen Stil der Filme von Regisseur Wes Anderson. Clemens Roth entführt uns in eine knallbunte und wunderbar symmetrische Welt in der zwei liebenswerte Charaktere ihre Eigenheiten überwinden müssen um zueinander zu finden. Natürlich sieht man wo die Inspiration zu dem Film herkam, aber nichts desto trotz beeindruckt mich die Umsetzung. Die Optik des Films ist einfach absolut gelungen.
Das zweite Set an Kurzfilmen bildeten die UK Shortfilms. Besonders gefreut habe ich mich auf Break mit John Hurt. Aber auch die anderen Filme der Auswahl waren stark. Ein Jesus aus Brüsten, Beziehungen am Wendepunkt, ein Mann unter einer Wolke, eine Frau die mit ihrem verstorbenen Vater abrechnet, gefährliche Therapie und ein Doktor mit schlechten Nachrichten. Eine bunte Mischung mit dem bekannt englischen schwarzen Humor.
Meine Favoriten aus der Sektion sind definitiv Break von Nicholas Moss und Charlie Cloudhead von Rupert Cresswell. Break erzählt die Geschichte von zwei unterschiedlichen Paaren. Billy und Martha, die gerade dabei sind sich ein junges Familienglück aufzubauen, und Jack und Phoebe, die am Ende ihres Lebens stehen. Die vier freunden sich miteinander an und trotz anfänglicher Skepsis entwickelt sich eine besondere Freundschaft. Beide Leben stehen an einem Wendepunkt, der entscheidet wie die Zukunft für die Paare aussehen wird. Wenn man sich einen Film mit John Hurt ansieht, weiß man, dass man hervorragendes schauspielerisches Handwerk geboten bekommt. Wenn seine drei Kollegen dann noch problemlos mit ihm mithalten können, dann hat man das Glück einundzwanzig Minuten lang einen fantastischen Film zu sehen.
Und tatsächlich schafft es Regisseur Nicholas Moss in dieser kurzen Zeit eine bunte Mischung aus allen möglichen Gefühlen beim Zuschauer zu wecken. Am Ende sitzt man mit Tränen in den Augen und einem Lächeln auf den Lippen im Kinosessel. Der Preis für den besten UK Kurzfilm ist mehr als verdient.
Der zweite Film den ich noch hervorheben möchte ist Charlie Cloudhead von Rupert Cresswell. Schauspieler Paul Higgins (The Wrong Mans, Line of Duty) spielt Charlie, einen ruhigen, in sich gekehrten Durchschnittstypen, der alles was mit ihm passiert scheinbar emotionslos hinnimmt. Doch je mehr er seine Probleme in sich rein frisst, desto größer wird die dunkle Regenwolke über seinem Kopf. Doch irgendwann ist Charlie an dem Punkt an dem es ihm reicht und er sagt was er denkt. Und dann bricht ein tosendes Gewitter los. Der Film steht und fällt mit Paul Higgins‘ Schauspiel. Der Regisseur Rupert Cresswell hatte beim Schreiben des Drehbuchs den Schauspieler schon fest im Kopf. „Er hat einfach eines dieser Gesichter,“ sagt Cresswell im anschließenden Q&A. Und er hat Recht.
Im zweiten Teil meines Festivalberichts stell ich euch die zwei Spielfilme The Paper Store und Despite the Falling Snow vor. Außerdem gibt’s mit dem Animationsfilm Blinky Bill einen kleinen Ausflug zurück in unsere Kindheit, und einmal Dokumentarfilm gibt’s auch noch mit der deutschen Produktion No Limits: Impossible Is Just A Word über Ex-Formel 1 Rennfahrer Alex Zanardi.