Hagen (2024) | Filmkritik

Hagen - Im Tal der Nibelungen

Der deutsche Film ist seit Jahrzehnten in einem Bermudadreieck gefangen: schwermütige Dramen über historische oder gesellschaftliche Themen, blutleere Komödien über verkorkste Beziehungen oder Kultur-Clashs und Fernsehkrimis nach Schema F kesseln die Kreativität ambitionierter Filmemacher mitunter stark ein.

Die größte Sage aller Zeiten im Kino

Nicht ohne Grund hat Deutschland dahingehend auf internationaler Ebene inzwischen kaum noch Relevanz, von einigen wenigen Ausnahmen wie bspw. Toni Erdmann oder herausstechenden Werken aus genannter Drama-Rubrik abgesehen.

© Constantin Film

Ja, es gibt gute deutsche Kinofilme, zuletzt z.B. Sonne und Beton. Aber besonders vielseitig ist diese Filmlandschaft schon lange nicht mehr. Förderanstalten investieren lieber in den Einheitsbrei, den die Masse schon seit Jahren wiederkäut.

Spektakuläre Nibelungen-Verfilmung aus Deutschland

Besonders hat man sich den Genres entfremdet, die die Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen und dem Fantastischen entfachen. Sich auf der Leinwand verlieren, der Realität entfliehen, fast wirkt es, als sei dies nicht mehr erlaubt im deutschsprachigen Kino.

So geht es auch dem Fantasy-Genre. Der fantastische, der epische Film hat im Nachkriegsdeutschland fast gänzlich an Bedeutung verloren, von wenigen Werken wie z.B. Petersens Die unendliche Geschichte abgesehen. In den letzten Jahren ist er fast völlig ausgestorben, nimmt man die halbgar produzierten und mitunter hässlich aussehenden Kinderfilme mal außen vor, die scheinbar noch einen Markt haben. Zu groß scheint der Respekt vor einem möglichen Versagen an den Kinokassen, denn eines ist natürlich klar: Fantasy ist teuer und damit ein hohes finanzielles Risiko.

© Constantin Film

Constantin Film gebührt allein deshalb schon der Respekt, dass sie es mit Hagen – Im Tal der Nibelungen in Kooperation mit der tschechischen Studio Wilma Film endlich wieder geschafft haben, ein solches Werk in der heutigen Zeit auf Zelluloid zu bannen. Der Film basiert auf der wohl bekanntesten deutschen Sage, an der sich schon einige deutsche Filmemacher versucht haben und auch viele gescheitert sind.

Hagen von Tronje als tragischer Antiheld

Genauer gesagt basiert er auf einem Roman von Wolfgang Hohlbein, der die Geschichte um Siegfried, Hagen und Kriemhild aus einer neuen Perspektive erzählt. Aus dem titelgebenden Hagen, dem hinterhältigen Mörder Siegfrieds (so die Ursprungssage) wird ein tragischer Antiheld.

Hagen von Tronje (Gijs Naber) ist ein treuer Krieger und Berater des Burgunderkönigs Gunther (Dominic Marcus Singer). Er gilt als strategisch versiert und unerbittlich, und seine Loyalität zu Gunther ist unumstößlich. Als eine Bedrohung gegen das Burgunderreich aufkommt, wird er beauftragt, den Thron und das Reich seines Königs zu schützen. Die Spannungen nehmen zu, als sich ein Bündnis zwischen Gunther und dem mächtigen Helden Siegfried von Xanten (Jannis Niewöhner) anbahnt, der durch seine Tapferkeit beeindruckt, aber auch mit seiner Arroganz und Egomanie aneckt.

Siegfrieds Präsenz am Hof hat nicht nur Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Hagen und Gunthers Schwester Kriemhild (Lilja van der Zwaag), sondern führt zur Konfrontation mit alten Mächten, in deren Folge Hagen sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt. Als Gunther beschließt eine Ehe mit der kriegerischen Walküre Brunhild (Rosalinde Mynster) einzugehen, um sich vor dem drohenden Angriff der Hunnen zu rüsten, spitzen sich die Konflikte zu.

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Die Regisseure Cyrill Boss und Philipp Stennert schaffen das, was sich schon lange kein deutscher Filmemacher mehr getraut hat. Sie erzählen Hagen als düsteres und vor allem ernsthaftes Epos mit jeder Menge Pathos, tosender Musik, aufwendigen Schlachten und großen Bildern. Die Locations in Tschechien und Island tun dazu ihr Übriges, und so steht der Film auf handwerklicher Ebene in großen Teilen den Hollywood-Vorbildern in nichts nach.

Dramaturgische Stolpersteine im Epos

Die Schwächen des Films offenbaren sich da schon eher auf der erzählerischen Ebene. Gerade die Charakterisierung Siegfrieds als arroganter Rüpel wird zu Anfang fast schon karikaturesk überzeichnet, sodass man der Figur keinen Raum für Sympathie lässt.

Zwar fängt sich das im Laufe des Films, allerdings sind es genau diese dramaturgischen Inkonsequenzen, die einen dann wieder an manch anderer Stelle etwas aus der Geschichte reißen. So bleibt auch Kriemhilds Motivation ein wenig oberflächlich, genau wie die ambivalente Beziehung zwischen Hagen und Siegfried.

Das mag damit zusammenhängen, dass für 2025 eine Miniserie auf RTL+ geplant ist, quasi eine Special Extended Version des Films, die durch mehr Laufzeit etwas Licht in manch Schatten bringen könnte. Ob die Serie auch über die Ereignisse des Kinofilms hinausgeht, bleibt abzuwarten.

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Dennoch muss man dieser Kinofassung zugutehalten: Das Pacing funktioniert im Großen und Ganzen vor allem in der zweiten Hälfte, und man kann den Film für sich stehend als eigenständiges Werk genießen.

Der Mut zum Genre-Film – Wie Hagen die Vielfalt im deutschen Kino belebt

Hagen ist unterhaltsames und durchaus spannendes Blockbuster-Kino aus Deutschland. Der Niederländer Gijs Naber, bisher international ein eher unbeschriebenes Blatt, gibt zudem als Hauptfigur Hagen eine ansehnliche Performance ab.

Fazit: Hagen – Im Tal der Nibelungen ist kein wirklich herausragender Film, aber er nimmt das Genre endlich wieder ernst, schafft es eine packende Geschichte zu erzählen und sie auf optisch hohem Niveau einzufangen. Dem muss man schlichtweg Tribut zollen und hoffen, dass durch solche Projekte die Genre-Diversität wieder gefördert wird und vielleicht endlich wieder die Attraktivität für das Fantastische ins deutsche Kino zurückkehrt.

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Bildrechte: © Constantin Film

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