„Grand Theft Auto V“ – Rockstar Games sprengt alle Register

Überblick:

Gerüchten zufolge musste ein englischer Videospielhändler sein Geschäft schließen, weil die Angestellten geschlossen forderten, das jüngst erschienene GTA 5 spielen zu können. Das gab es noch nie.

Mehr noch: Über eine Milliarde Dollar Umsatz bereits drei Tage nach dem Erscheinen, mehr als 15 Millionen verkaufte Exemplare, 5 Jahre Entwicklungszeit und eine Spielwelt, die mit über 175 km² größer als Read Dead Redemption (2010), GTA San Andreas (2005) und GTA IV (2008) zusammen ist. GTA sprengt alle Rahmen.

Was 1997 im Kleinen angefangen hatte – damals noch in 2D – bestach bereits durch das simple, aber geniale Spielprinzip, sich in einer riesigen Spielwelt frei bewegen und tun und lassen zu können, was man will. Der Sprung in die dritte Dimension mit GTA 3 (2002) war revolutionär, älteren Spielern wird dabei noch der Konkurrenzkampf mit dem Gangsterepos Mafia (2002) im Gedächtnis geblieben sein.

Seitdem haben zahlreiche Entwickler den Versuch unternommen, das Original zu kopieren, scheiterten jedoch meist an einer zu großen, leblosen Spielwelt und langweiligen Missionen. Mit dem neuesten GTA-Teil zeigt Rockstar North aus Schottland, wie es geht. Aber weiß GTA V trotz all der Vorablorbeeren und Verkaufszahlen auch qualitativ zu überzeugen?

Die Charaktere:

Die wohl revolutionärste Neuerung an GTA V ist die Anzahl der zu steuernden Charaktere. Ganze drei Figuren stehen dem Spieler zur Verfügung, die wohl unterschiedlicher nicht sein könnten.

Erster im Bunde wäre dabei Michael: Mittvierziger, Ex-Highschool-Footballstar, gescheiterter Familienvater und Alkoholiker.

Franklin: Gelegenheitsdieb, gewalttätig und immer noch wohnhaft bei seiner durchgeknallten Tante.

Apropos durchgeknallt: Trevor. Psychopatisch, unberechenbar, haust er in einem versüfften Wohnmobil mitten in der Wüste und legt sich regelmäßig mit Biker-Gangs an.

Jeder Charakter besitzt unterschiedliche Spezialfähigkeiten, Michael kann beispielsweise in Feuergefechten die Zeit verlangsamen, um Kugeln auszuweichen, Franklin kann Autos auch bei höchstem Tempo wie auf Schienen steuern und Trevor gerät in einen Blutrausch, der ihn mehr austeilen und gleichzeitig mehr einstecken lässt. Auch verbessern die Charaktere durch Training ihre Attribute wie Ausdauer, Lungenvolumen oder Fahrpraxis. Spezielle Trainings für Waffen und Flugzeuge stehen überall zur Verfügung.

In fast allen Missionen und auch außerhalb kann der Spieler zwischen den drei Charakteren wechseln, wobei eine ungemeine Dynamik entsteht. Die Geschichte tut ihr übriges: Michael und Trevor kennen sich durch einen Banküberfall, wobei ersterer vermeintlich starb. Jahre später treffen sich Michael, der mittlerweile in einem Zeugenschutzprogramm ist, und Trevor zufällig wieder. Franklin lernen sie bei einem Autodiebstahl kennen. Mithilfe ihres Hackerfreundes Lester versuchen die drei, zu erneutem Reichtum zu gelangen und die harte und tragische Vergangenheit hinter sich zu lassen. Aber der Weg ist steinig und lang…

Das Gameplay:

Im Gegensatz zu den Vorgängern wenig verändert. Nach wie vor nimmt der Spieler Aufträge von verschiedenen Personen an, um sich hochzuarbeiten. Die Hauptmissionen, die die Handlung voranbringen, sind dabei an Vielfalt nicht zu übertreffen, billige „bringe Objekt A nach B und töte C“ gehören größtenteils der Vergangenheit an.

Ob rasante Autoverfolgungsjagden, bei der auf der Autobahn ein Boot gekapert werden soll, Tauchgänge mit einem U-Boot, um einen geheimen Regierungsapparat zu stehlen oder ein waghalsiges Wettrennen zwischen einem Motorrad und einem abstürzenden Flugzeug, Langeweile ist ein Fremdwort. Stellenweise schießt GTA V dabei jedoch über das Ziel hinaus und überschreitet die Grenzen des guten Geschmacks. Beispielsweise muss sich der Spieler in einer Mission zur Informationsbeschaffung verschiedener Folterinstrumente wie einer Zange zum Zähne ziehen oder einen Wasserkanister zum Waterboarding bedienen. Eine Wahl hat der Spieler dabei nicht, zumal das Verhalten letztlich ungesühnt bleibt. Auch generell überrascht das USK-18-Logo (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle), ist das Gewaltlevel doch stets sehr hoch.

Die Steuerung wurde ebenfalls verbessert. Die Spielfigur(en) lassen sich im Gegensatz zum Vorgänger GTA IV deutlich direkter steuern, auch ist das Deckungssystem nicht mehr so hakelig. Ebenso die Fahrzeuge, die nicht mehr auf der Straße „schwimmen“. Neu ist eine Art „Waffenkreis“, wobei das Spiel in einen Zeitlupenmodus schaltet und dem Spieler so genug Zeit zur Auswahl gibt, sehr komfortabel.

Ein Highlight stellen die neuen Banküberfälle dar, die sich durch das ganze Spiel ziehen. Angefangen mit sorgfältiger Planung, wobei man sich für einen Baller- oder Schleichweg entscheiden kann, weiter mit Teamrekrutierung und der Durchführung, motivieren diese Missionen ungemein. Aber auch die zahlreichen Nebenmissionen, angefangen beim Gassi gehen mit Franklins Hund, dem man sogar über eine App in der realen Welt Kunststücke beibringen kann, sowie die Abwehr einer Alieninvasion mit einer gigantischen Minigun aufgrund von übermäßigem Cannabiskonsum, unterhalten köstlich.

Der Kauf von Immobilien ist ebenfalls wieder mit an Bord; so ist es nun möglich, beispielsweise Flugplätze, Cannabisshops oder Golfclubs zu kaufen, die spezielle Missionen beinhalten und jede Woche massig Gewinn abwerfen. Zahlreiche Geschäfte warten zudem nur darauf, vom Spieler unsicher gemacht zu werden, seien es Friseursalons, Tatoostudios oder Klamottengeschäfte. Dazu existiert eine Börse, die sich an der gesamten GTA V-Welt orientiert und sich je nach Angebot und Nachfrage verändert.

Die Spielwelt: Ist schlichtweg riesig und atemberaubend. Den Entwicklern zufolge wurden während mehrerer Reisen nach L. A. und Umland über 250.000 Bilder geschossen. San Andreas, so der Name des fiktiven Bundesstaates, ist zwar nicht die größte Spielwelt, die es je gab (siehe Just Cause mit 1025 km², 2006), dafür aber bei weitem die Vielfältigste und Lebendigste: Malerische Strände, steile Gebirge, Los Santos als riesige Stadt, überwältigende Unterwasserwelten, Wüsten als auch allerhand Tierarten.

Die komplett handgebaute Welt kann dabei mit einem riesigen Fuhrpark erkundet werden. Dabei steht einem von Autos, Panzern, Motorrädern, U-Booten, Schiffen, Flugzeugen, Helikoptern bis hin zu Zügen alles zur Verfügung. Die Polizei ist sehr auf Draht; wenn man es übertreibt, rückt sogar die Armee mit Panzern an, auch wenn die KI (künstliche Intelligenz) immer mal wieder heftige Aussetzer hat.

Technik: Was Rockstar North mit GTA V aus der mittlerweile arg angestaubten Hardware von Playstation 3 und XBOX 360 herausholt ist unglaublich. Eine gigantische Sichtweite, fantastische Licht- und Schatteneffekte, flüssige Tag-, Nacht- und Wetterwechsel sowie eine Detailverliebtheit, die Ihresgleichen sucht, begeistern.

Für Konsolen typisches Kantenflimmern und stellenweise verwaschene Texturen trüben dabei den hervorragenden Gesamteindruck wenig. Die Animationen der Spielfiguren wurden per Motion-Capturing erzeugt und sehen dementsprechend authentisch aus. Auch soundtechnisch gibt es nichts zu meckern, es kracht und knallt gewaltig. Die (englischen) Sprecher machen ihre Sache sehr gut, deutsche Texte gibt es per Untertitel.

Die Radiosender – seit eh und je ein integraler Bestandteil der GTA-Reihe – bestechen durch ihre Abwechslung: Von Pop, Soul, über Reggae, Electro bis hin zum Country ist alles vertreten. Der Jazz-Sender aus GTA IV wurde jedoch leider ersatzlos gestrichen.

Fazit: Groß, größer, GTA 5. Mit dem aktuellen Teil haben sich die Entwickler selbst übertroffen. An Umfang, Vielfalt und Technik stellt GTA V alles dagewesene inklusive seiner Vorgänger in den Schatten.

Allein für die Erkundung der gesamten Spielwelt ist mindestens ein Urlaubssemester erforderlich. Dabei soll der Singleplayer-Modus nur zur Vorbereitung auf den Multiplayer-Modus dienen, der in den nächsten Tagen erscheinen wird. Also das perfekte Videospiel? Nicht ganz, aber verdammt nah dran.

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