Filmfestspiele von Cannes 2015 – Tag 8

Wie gestern angekündigt, begann der Tag für mich mit dem amerikanischen Wettbewerbsteilnehmer Sicario, was im deutschen Auftragskiller bedeutet. Emily Blunt spielt die junge FBI-Agentin Kate, die daran mitwirken soll, ein mexikanisches Drogenkartell zu schwächen. Bald wird klar, dass ihre Spezialeinheit um Söldner Alejandro (Benicio del Toro) und Matt (Josh Brolin) eigene Pläne verfolgt und sich die Grenzen zwischen Gut und Böse im Laufe der Operation verschieben.

Dieser Drogenthriller ist nichts für Zartbesaitete. Die Welt voller Korruption und Gewalt wird kompromisslos und brutal dargestellt, direkt und ohne jegliche Ausschmückungen. Actionszenen spielen hier eine größere Rolle als tiefsinnige Dialoge. Wie erwartet liefert Deakins erstklassige Bilder, die ihren Höhepunkt erreichen, als er durch Nachtsichtgeräte und mit Röntgenblick einen Höllentrip durch einen Tunnel filmt. Bei diesem stellt sich heraus, dass die Mission nur als Ablenkungsmanöver dient, um das wahre Ziel der Drogenkrieger zu erreichen.

Tragisch ging es mit der Inzestliebesgeschichte Marguerite & Julien von Valérie Donzelli weiter. Anais Demoustier (Eine neue Freundin) und Jérémy Elkaim (Das Leben gehört uns) spielen die liebenden Geschwister, welche sich nach Versuchen der Unterdrückung ihren Gefühlen ergeben.

Meine Erwartungen an ein emotionsgeladenes Drama wurden nicht enttäuscht und besonders die Erzählweise als ein von jungen Mädchen weiterverbreitetes Märchen ist positiv hervorzuheben. Aber vor allem in der Ausstattung gaben sich die Macher Mühe: Zwar spielt die Geschichte im 17. Jahrhundert, jedoch verfügen die Darsteller über Mikrophone, Hubschrauber, Colts und Flipper-Tische, was der ganzen Tragik ein leicht komische Note verleiht.

Um mir vom heutigen Drama und Geballere eine Pause zu gönnen, ging ich wieder auf Entdeckungstour rund um die Côte d´Azur. Genau zwischen Cannes und Nizza ist die drittgrößte Stadt der Region gelegen: Antibes. Sie hat eine Küstenlinie von 20 Kilometern und ich erkundete heute bei strahlendem Sonnenwetter den nord-westlichen Teil.

In vielen kleinen Buchten aalen sich sonnenhungrige Touristen am Strand und die Aussicht von Antibes einstigen Festungsmauern ist einfach wunderschön. Auch Woody Allen hat den Zauber der französischen Riviera erkannt und im letzten Jahr seinen Film Magic in the Moonlight vor allem in Nizza und Antibes gedreht. Innen- und Außenansichten des Filmanwesens wurden u. a. in der Villa Eilenroc in Cap d’Antibes gedreht.

Das riesige Fort Carré war einst die Verteidigungsanlage der Stadt. In der Festung aus dem 16. Jahrhundert war sogar Napoleon inhaftiert und in den 80ern war die Anlage Schauplatz für den Film James Bond 007 – Sag niemals nie (1983). In diesem diente sie als Kulisse für die Festung in Palmyra, wo James Bond in einem Verlies gefangen war. Heute steht die Festung mit ihrem umliegenden Park unter Denkmalschutz.

Der nebengelegene Yachthafen Port Vaubane wird auch der Milliardärshafen genannt. Dort legen die allergrößten Yachten an und er war ebenfalls u. a. im James Bond Filmkulisse.

Vom beeindruckenden Fort Carré aus konnte ich auf die lange Küste der Kleinstadt Cagnes-sur-Mer bis nach Nizza blicken. Dort gelegen ist auch der Wasserpark Marineland. In diesem werden Shows mit Walen, Robben und Delfinen veranstaltet und in einem Museum die Welt der Meeresbewohner gezeigt.

In Antibes direkt und im Marineland wurde für den Film Der Geschmack von Rost und Knochen gedreht, den ich nur wärmsten empfehlen kann zu schauen. Ein Vater wider Willen (Matthis Schoenaerts) versucht in Antibes Fuß zu fassen und Waltrainerin Stéphanie (Marion Cotillard) erleidet bei einer ihrer Show einen tragischen Unfall. Er lief 2012 ebenfalls im Wettbewerb von Cannes und erzählt vom Weg nach einem Schicksalsschlag zurück ins Leben.

In Antibes ging ein entspannter Nachmittag voller Eindrücke für mich zu Ende. Natürlich möchte ich niemanden neidisch machen, aber schon morgen zieht es mich in die nächste Traumstadt und hoffentlich auf weitere spannende Spuren der Filmgeschichte: Nizza. Bis dahin!

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