Stolz und Vorurteil, Sinn und Sinnlichkeit, Emma. Wenn eine Romanverfilmung der Schriftstellerin Jane Austen in die Kinos kommt, weiß der Zuschauer, dass der Film very british wird. Mit Emma. ist 2020 nun abermals ein Vertreter dieser Kategorie erschienen. Doch kann sich das Werk von Regisseurin Autumn de Wilde aus der Masse der Austen-Adaptionen hervorspielen?
England, Anfang des 19. Jahrhunderts: Die junge Emma Woodhouse lebt gemeinsam mit ihrem ebenso greisen wie gut betuchten Großvater in einem verschlafenen Dorf. Die clevere Frau steht dort an der Spitze der besseren Gesellschaft und verbringt ihren Alltag damit ihre Weggefährten zu verkuppeln oder mit ihrem Großvater und George Knightley, einem Freund der Familie, vor dem Kamin zu lesen.
Mit Harriet Smith hat Emma auch schon ihre neueste Spielpuppe gefunden, die es zu manipulieren gilt. Während Harriet die reiche und kluge Freundin tagein tagaus anhimmelt und sich zum Vorbild nimmt, scheint Emma merkwürdigerweise noch nie die eigene, perfekte Partie über den Weg gelaufen zu sein. Doch dann kommt der wohlhabende und angesehene Frank Churchill in das entlegende Dorf und Emma setzt alles daran zu zeigen, dass es keine bessere Partie als sie gibt.
Aber trotz Emmas geübter Menschenkenntnis laufen ihre wohlgemeinten Intrigen schief. Die ausgesuchten Liebhaber beißen nicht an, unstandesgemäße Nebenbuhler tauchen auf, und schließlich muss sich sogar Emma selbst ungewollter Avancen erwehren.
Die Verfilmung von Jane Austens zeitlosem Klassiker versucht Gesellschaftskomödie, Romanze und Charakterstudie zugleich zu sein. Manche dieser Elemente werden besser bedient, manche schlechter. Vor allem Anya Taylor-Joy (Split) ist das Herzstück des Films. Die junge Darstellerin spielt die ebenso manipulative wie verletzliche Hauptfigur der Emma in jeder Szene gekonnt und authentisch.
Während Emma zunächst als scharfzüngiges Biest mit eigentlich guten Absichten in Erscheinung tritt, wandelt sich ihr Charakter zum sensiblen Mädchen. Gerade diese Entwicklung wird in Emma. hervorragend in Szene gesetzt. Die Romantik allerdings bleibt oftmals auf der Strecke.
Das Liebesdreieck rund um Emma wird von George Knightley und Frank Churchill vervollständigt. Hierbei sind die Zeichnungen der Figuren recht simpel gehalten. Während Knightley schon durch sein Erscheinungsbild und die langen Haare als Rebell hervorsticht, der zudem immer zu Fuß unterwegs ist und nicht die Kutsche nimmt, wird Churchill als Vorzeige-Schwiegersohn des Adels präsentiert. Ebenso elegant wie aber auch spießig.
Die Darsteller Johnny Flynn (Die Wolken der Sils Maria) und Callum Turner (Green Room) füllen ihre Rollen soweit gekonnt aus, aber leider leidet das Zusammenspiel mit Anya Taylor-Joy. Zwischen keiner Partie will so wirklich der Funke überspringen und jeglicher Dialog wirkt, als würden die Figuren aneinander vorbei sprechen. Gerade die Romantik hätte bei Emma. feiner und sensibler herausgearbeitet werden müssen.
Was die Nebenfiguren betrifft haben wir Mia Goth (Suspiria) in der Rolle der Harriet Smith, die als Spielfigur der Vorzeige-Dame Emma aufblüht und nach und nach einen eigenen Willen entwickelt, sowie die etwas überspitzt dargestellten Charaktere des Geistlichen Mr. Elton (Josh O’Connor) und Mr. Woodhouse (Bill Nighy). Während der Mann Gottes als bizarrer Dorfpfarrer leider etwas negativ und übertrieben heraussticht, kann der zerstreute Großvater immerhin für ein paar wenige amüsante Momente sorgen.
Doch auch wenn der Weg bis ans Ziel teils etwas mau ist, überzeugen die Bilder und Kostüme auf diesem. Die Szenerie und die Trachten der Figuren sind wunderschön anzusehen und entführen den Beobachter von Anfang an in das England des 19. Jahrhunderts. Hier wäre es nicht verwunderlich, wenn sich die Kostümdesignerin Alexandra Byrne (Guardians of the Galaxy) in Zukunft über die ein oder andere Auszeichnung freuen darf.
Alles in allem ist Emma. eine durchaus schöne, wenn auch nur solide Neuverfilmung des Romans von Jane Austen. Das größte Highlight sind auf jeden Fall Anya Taylor-Joy und die beeindruckenden Kostüme. Der Rest des Films hat dann leider doch nur den Geschmack eines lauwarmen englischen Tees. Wer sich lieber eine modernisierte Interpretation der Roman-Vorlage geben möchte, sollte sich Clueless – Was sonst! (1995) mit Alicia Silverstone in der Hauptrolle anschauen.
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