„Der Freischütz“ – modern seit 190 Jahren

Wenn die Opernwelt der Gegenwart einen Wunsch frei hätte, so würde sie sich mit Sicherheit die Popularität und den Zuspruch wünschen, den sie zu Zeiten eines Carl Maria von Weber genoss. Seinerzeit war das Musiktheater äußerst populär und erreichte ein sehr großes Publikum. Gemessen an heutigen Verhältnissen kann man die Wirkung der Oper vor 200 Jahren nur mit der eines modernen Blockbusters vergleichen. Umso schöner ist es, dass mit „Der Freischütz“ seit dem 23. Dezember 2010 endlich ein Opernjuwel vom Feinsten als Filmoper im Kino erlebbar gemacht wird – endlich entfällt der Dress-Code und man darf hemmungslos mit der Popkorntüte rascheln, ohne von Schlipsträgern strafend angeguckt zu werden.

Carl Maria von Weber – ein klassischer Popstar

Die Oper stellte in der vorindustriellen Zeit ein unvergleichbares Gesamtkunstwerk aus Dichtung, Musik, Malerei und Bildhauerei dar. Keine andere Kunstform vermochte soviel Pracht, soviel Glanz und soviel kreative Energie gleichzeitig freizusetzen und das Publikum in und vor den Opernhäusern so nachhaltig in seinen Bann zu ziehen.

Als am 18. Juni 1821 die letzten Töne des „Freischütz“ am Gendarmenmarkt durchs nächtliche Berlin verhallten, war die Welt der Oper eine andere geworden. Die Uraufführung wurde zu einem tosenden Erfolg und machte den Opernkomponisten Carl Maria von Weber zur Weltberühmtheit. Noch monatelang pfiffen die Menschen diese unerhört eindringlichen Melodien. Und nicht nur in Berlin: Über alle europäischen Grenzen hinweg, von London über Paris, von St. Petersburg bis Wien… Heinrich Heine erschienen seine Zeitgenossen plötzlich „wie besessen“ von den teuflisch guten Klängen des Herrn von Weber. „Der Freischütz“ wurde zu einem Welterfolg und gilt bis heute als der Inbegriff der deutschen romantischen Oper.

Seine an musikalischen Ideen reiche Musik, schnörkellos, farbig, rasant, mit eingehenden Melodien hatte von Weber schlagartig unsterblich gemacht. Darüber noch hinaus gehend, war es aber die Geschichte des „Freischütz“, die das Opernpublikum so unheimlich fesselte. Weder Götter noch Könige oder Fürsten, sondern zwei sich Liebende junge Menschen aus dem einfachen Volk sind die Helden der Handlung. Historisches mischt sich mit Phantastischem und Dämonen treten auf den Plan – genau diese Mischung aus Realität und Phantasie verzaubert damals wie heute das Publikum.

Posttraumatisches Belastungssyndrom goes Oper

Die großen, zeitlosen Themen Angst, Verzweiflung, Neid, Verführung und Liebe werden im „Freischütz“ verhandelt. Eine heute nicht minder aktuelle Situation steht am Beginn des Geschehens: Der junge Jäger Max kehrt aus dem Krieg nach Hause zurück. Obwohl äußerlich unversehrt, ist er in seinem Inneren schwer verletzt. Das Grauen des Erlebten hat ihn hart getroffen und völlig desillusioniert. Seine angeschlagene Seele interessiert seine Mitmenschen zu Hause nicht im Geringsten. Für sie ist die Welt in Ordnung, schließlich ist der Krieg weit weg und das Leben zu kurz, um es nicht ausgelassen zu feiern. Allein diese Konstellation gemahnt heute zwangsläufig an das Schicksal vieler aus Afghanistan heimkehrender Bundeswehrsoldaten.

Der einzige Hoffnungsschimmer in Max’ dunklem Dasein ist Agathe. Seine große Liebe hat auf ihn gewartet und sie sorgt sich um den Geliebten. Die beiden wollen heiraten, doch ein alter Brauch will es, dass nur derjenige Jäger um ihre Hand anhalten darf, der vorher einen schwierigen Probeschuss trifft. Doch ausgerechnet das macht Max Angst. Er verabscheut die Waffen, er trifft nicht mehr und versinkt in Hoffnungslosigkeit. Seine Verzweiflung weckt das heimtückische Interesse seines vermeintlichen Freundes Kaspar. Neidisch auf Max, da Agathe sich nicht für ihn interessiert, will Kaspar Max um jeden Preis Schaden zufügen und seinen schwächelnden Freund vernichten. Also treibt er den Freund in einen Bund mit dem Teufel. Ein hochdramatisches Finale steht bevor.

Der Film hat der Oper mittlerweile vielleicht den Rang als Unterhaltungsmedium Nummer 1 abgelaufen, doch zur absoluten Höchstform laufen beide Gattungen gemeinsam seit dem 23. Dezember auf, wenn die Filmoper „Der Freischütz“ die deutsche Romantik mit einem Paukenschlag auf die ganz große Kinoleinwand zaubert.

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