Im Jahr 1960 hat der italienische Regisseur Federico Fellini der oberen Gesellschaft den Spiegel vorgehalten und in seinem Oscar-prämierten Meisterwerk Das süße Leben – La dolce vita die Leere ihres Handelns zusammengefasst.
Die Bitterkeit des süßen Lebens
Der Film präsentiert in knapp 174 Minuten eine Reihe von Vorfällen im Leben des römischen Boulevardjournalisten Marcello Rubini (Marcello Mastroianni) – und obwohl jeder Vorfall inhaltlich sehr unterschiedlich ist, zeichnen sie das Porträt eines intelligenten, aber oberflächlichen Mannes, der nach und nach von dem Süßen Leben verzehrt wird.
Er greift nach Reichtum, Berühmtheit und Zügellosigkeit, über die er tagtäglich berichtet und nach der er sich sehnt.
Der charismatische Marcello, ein römischer Klatschjournalist, ist fasziniert und geblendet vom verführerischen, jedoch sinnentleerten Lifestyle der Reichen und Schönen auf der Via Veneto.
Worin liegt der Sinn, Dinge zu wollen, wenn man diese sowieso nie bekommt?
Während Zuhause seine Verlobte Emma (Yvonne Furneaux) auf ihn wartet und vor Trauer über die Abwesenheit einen Suizidversuch unternimmt, wandelt Marcello zwischen reizvollen Frauen und charismatischen Intellektuellen umher.
Auf seinen Streifzügen verbringt er die Nacht unter anderem mit der gelangweilten Erbin Maddalena, führt den schwedisch-amerikanisch Filmstar Sylvia (Anita Ekberg) durch die Stadt und verführt eine Amerikanerin während einer Party in einem unbewohnten Schloss.
Nach und nach entpuppt sich das von Marcello angestrebte Leben der High Society als eine Welt des Scheins und der Vergänglichkeit. In seinen stillen Momenten hinterfragt Marcello auch sein eigenes Dasein und seine Arbeit, will er doch als ernsthafter Schriftsteller wahrgenommen werden.
Der Schwarzweißfilm von Regisseur Federico Fellin mit Marcello Mastroianni (Das große Fressen) in der Hauptrolle kritisierst das Leben der Schönen und Reichen gleichermaßen wie das der normalen Bürger und die Arbeit der Presse.
Womit soll man die Leere im Leben füllen?
Abweichend von der üblichen Drei-Akt-Struktur besteht Fellinis Geschichte aus acht Episoden, die alle nachts beginnen und mehr oder weniger im Morgengrauen ihr Ende finden. In jeder Geschichte wird eine eigene Krise behandelt. Und das einzige, was diese Episoden zu einem zusammenhängenden Ganzen vereint, ist der Protagonist der Geschichte, Marcello.
Eine der erinnerungswürdigsten Episode ist die rund um Starlet Sylvia – eine glamouröse Figur, die im Scheinwerferlicht lebt und abseits der Presse keine Substanz hat. Hinzu gesellen sich wunderschöne Aufnahmen am Petersdom, in den Caracalla-Thermen und vor allem am und im Trevi-Brunnen. Nicht ohne Grund sorgte die nächtliche Badeszene im Brunnen dazu, dass die damals 29-jährige Anita Ekberg zum Sexsymbol der 1960er Jahre und zum Urbild der Weiblichkeit avancierte.
Welche weitreichende Wirkung Das süße Leben – La dolce vita nach seiner Veröffentlichung hatte, zeigt sich auch an der Figur des Paparazzo, des Fotografen von Rubini. Der Begriff Paparazzo wurde durch den Film in vielen Sprachen zum Synonym für einen Pressefotografen, der Jagd auf Bilder von Prominenten macht.
In einer weiteren Folge des Films behaupten zwei Kinder die Madonna – die Mutter Jesu – hätte zu ihnen gesprochen. Als sich eine Menge aus Reportern und Gläubigen daraufhin versammelt, um selbst Zeuge des Wunders zu werden, beginnt eine Jagd im nächtlichen Regen ohne Erfolg. Glück, Selbstverwirklichung, religiöse Visionen – sie alle sind Irrlichter in La dolce vita. Und so vermittelt der Film von Episode zu Episode ein Gefühl von zunehmendem Pessimismus und Zynismus.
Seht mal wie er uns anspart!
Bildlich und akustisch wird all dies durch starke Kontraste, die Schwarzweiß-Visualisierung und durch die eindrucksvolle Musik dargestellt. Federico Fellini hat jede Menge Filmkunst in sein Werk gezaubert. Wahrlich stilvoll melancholisch.
Die letzte Szene des Films, in der Marcello zusieht, wie ein monströs hässlicher Rochen aus dem Meer gezogen wird, und dann wenige Minuten später versucht, mit einem zwölfjährigen blonden Engel zu kommunizieren, und scheitert, ist ebenso herzzerreißend wie zusammenfassend für sein Tun und Handeln.
Die bittersüßen Momente des Lebens in einer Welt des Scheins und der Vergänglichkeit.
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