Bluffen, aber richtig

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Heute schon geblufft? Laut Definition verbirgt sich dahinter die Täuschung und bewusste Irreführung eines Gegenübers – etwas, das in den meisten Bereichen des Alltagslebens verbreitet ist. Im Gegensatz zur ungeschminkten Lüge ist der Bluff nicht nur vielfach gesellschaftsfähig, wer ihn strategisch anwendet, kann dafür sogar Lorbeeren ernten.

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Doch ein geschickter Bluff passiert nicht von ungefähr. Die hohe Kunst der Irreführung will gelernt sein, um tatsächlich damit durchzukommen und den gewünschten Nutzen daraus zu ziehen.
Obwohl vieles von der Bereitwilligkeit des Gegenübers abhängt, sich bluffen zu lassen, ist Maß halten angesagt. Wer seinen Lebenslauf etwas ausschmückt, um einen besseren Job zu bekommen, ist dabei keine Ausnahme. Wenn jedoch die Übertreibungen und Andeutungen überhandnehmen und der Kandidat jede Errungenschaft unter der Sonne verzeichnen kann, glaubt kein Mensch mehr an die Aussagen.

Gezieltes Bluffen ist subtiler und kann gelernt werden. Je seltener, aber dafür strategischer das Mittel eingesetzt wird, desto wahrscheinlicher ist der Erfolg. Das gilt auch beim Pokerspiel, das mit dem Wort Bluff am häufigsten in Verbindung gebracht wird. Dass gewiefte Zocker so manchen Pott dank raffiniertem Bluffen beim Poker kassieren, ist unbestritten. Bei einem Spiel, dass eine Mischung aus mathematischem Verständnis und Psychologie darstellt, ist das alles andere als überraschend. Was hingegen nicht so bekannt ist, ist wie selten die besten Zocker tatsächlich bluffen, um den Gegner nicht vorzuwarnen. Ein geschickter Bluff beruht auf Beobachtungsgabe, Menschenkenntnis und dem richtigen Timing, um Erfolg zu haben.

Die erste Frage dabei sollte immer sein, ist der Bluff nötig? Das gilt bei Geschäftsverhandlungen genauso wie beim Poker. Fliegt der Bluff nämlich auf, leidet die Glaubwürdigkeit, und das Ergebnis kann schnell ins Gegenteil des gewünschten Ziels umschlagen. Ein Pokerspieler, der leicht und oft blufft, wird berechenbar. Ein Verhandlungspartner, der leicht und oft blufft, wird nicht mehr ernst genommen oder gar von vornherein auf die schwarze Liste gesetzt.

Doch auch wenn der Bluff nur selten und aus gutem Grund genützt wird, braucht er Vorbereitung.
Dabei gibt es diverse Arten von Bluffs. Im Alltag sind “Namedropping”, also das bewusste Fallenlassen von bekannten Namen, und locker von der Zunge fließende Fachbegriffe weit verbreitete Methoden, um sich selbst zu profilieren, selbst wenn die einzige Verbindung mit den genannten Personen oder Fachbereichen die Artikel sind, die man gerade gelesen hat. Hauptsache, es bleibt plausibel. Das funktioniert in den meisten Lebensbereichen. Wer beim Poker den Fachjargon von Deuces bis zum gefloppten Monster so nebenbei erwähnt, erweckt den Eindruck von Expertise, genau wie beiläufig benutzte Terminologie aus dem Börsenbereich, der Juristerei und anderen Branchen den Anschein von Weisheit erweckt. Allerdings kommt es auf das richtige Umfeld an. Hochstapelei selbst mit Understatement hat ihren Platz und Zeitpunkt. Was auf einer Party oder an der Bar Eindruck schinden mag, ist unangebracht, wenn das Gegenüber unter Stress steht oder mit gezielten Fragen die Seifenblase zum Platzen bringen kann. Ein Bluff sollte stets im Rahmen des Möglichen bleiben. Wer wie damals Bill Gates ein Software-Programm verspricht, sollte es auch liefern können, selbst wenn hinter dem eigentlichen Code ein anderer kluger Kopf steckt.

Ein Bluff mit schlechten Karten jeglicher Art wird im Normalfall zum Eigentor. Mit guten Karten, Ideen oder Fachwissen hingegen kann ein Bluff der letzte Anstoß sein, den das Gegenüber braucht. Das funktioniert unter anderem, wenn vorgegaukelt wird, dass es noch andere Interessenten für die angepriesenen Dienste gibt oder dass die Entscheidungsfrist vor dem Ablaufen steht. Schwachstelle vieler Bluffs ist die Körpersprache. Wer seine Gesichtsmuskulatur unter Kontrolle hat und mit bestem Pokerface oder einem charmanten Lächeln Optimismus verbreitet, aber durch seine Fußstellung oder die Schultern Anspannung verrät, hat schon verloren. Dabei muss der Verhandlungspartner oder Gegenspieler nicht einmal Experte in Sachen Körpersprache sein, um durch unverkennbare Anzeichen gewarnt zu werden. Sogar wenn ein Bluff nicht wirklich durchschaut wird, reicht ein latentes Misstrauen, um den Trick scheitern zu lassen.
Wer einmal gewarnt ist, fällt zudem nicht so leicht ein weiteres Mal herein.

Zum Glück lässt sich Körpersprache studieren, so dass die gewünschten Effekte auf subtile Art verstärkt werden können. Das fängt mit einem Vertrauen erweckenden Händedruck an. Ausdrucksweise, Sitzhaltung, gezwungenes oder echtes Lächeln – jedes bisschen Mimik und jede Geste vermittelt Aufschlüsse. Weil Körpersprache für Eingeweihte ein offenes Buch sein kann, ist es wichtig, zu entscheiden, was genau das Gegenüber zu lesen bekommt. Je länger ein Treffen dauert, desto schwieriger ist es, jeden Aspekt unter Kontrolle zu halten. Bei einem Zoom-Meeting oder beim Online-Poker beschränken sich die preisgegebenen Informationen auf wenige Bereiche. Im gleichen Raum hingegen ist es kompliziert, sich selbst völlig zu beherrschen. Requisiten können helfen. Akten und Notizbücher auf dem Schreibtisch können mehr Beschäftigung vortäuschen als wirklich vorhanden ist und bieten zudem die Gelegenheit, sich darin zu vertiefen, um sich eine Pause zu verschaffen oder einen bestimmten Gesichtspunkt zu betonen. Wer vor dem Schreibtisch sitzt, kann da nicht mithalten. Ein Tablet in den Händen ist in dem Fall ein nützliches Requisit, um die Hände zu beschäftigen und gegebenenfalls zu beweisen, dass man selbst etwas nachschauen könnte, es jedoch nicht nötig hat, weil die Informationen sämtlich im Kopf vorhanden sind.

Je nach Situation und Art der Verhandlung gibt es verschiedene Ansprüche an die Körpersprache, die unter anderem in Kursen erlernt werden können. Das hilft nicht nur dabei, den Gesprächspartner zu analysieren, sondern vor allem, sich selbst und seine eigenen Schwachstellen kennenzulernen. Nicht alle Blößen lassen sich völlig kaschieren, aber meist gibt es nützliche Ablenkungsmanöver, die sich gewinnbringend anwenden lassen.

Psychologische Rückendeckung bietet auch der Kleiderschrank. Wer sich unpassend gekleidet fühlt, ist von vornherein im Hintertreffen. Das gilt genauso, wenn man im korrekten Anzug vor jemandem sitzt, der Jeans und Hemd zur Arbeitsuniform gemacht hat, wie wenn man im geliehenen Sakko auf einen James-Bond-Typ im Smoking trifft. Je mehr auf dem Spiel steht, desto entscheidender ist es, jeden Aspekt unter die Lupe zu nehmen, ehe geblufft wird.

Einige der besten Pokerspieler der Welt haben deshalb das Studium der Körpersprache genauso intensiv betrieben wie das eigentliche Pokerstudium. Der damals erst 22 Jahre alte Pius Heinz, der 2011 als erster Deutscher in der Pokergeschichte in Las Vegas zum Pokerweltmeister gekürt wurde und auf einen Schlag 8,7 Millionen Dollar gewann, nahm sich vorher die Zeit, mit einem FBI-Profiler zu üben. Jedes noch so kleine Muskelzucken wurde dabei zum wichtigen Signal, wobei Heinz lernte, seine Gegner zu lesen und zugleich seine eigene Körpersprache auf stumm zu schalten. Eine Bewegung des Mundwinkels soll Heinz’ letzten Kontrahenten schließlich verraten haben. Heinz ging aufs Ganze und gewann.

Die Kunst des Bluffens beschränkt sich aber nicht nur auf die Menschen. In der Tierwelt sind ausgefeilte Kniffe Überlebenstaktiken. Wer sich als gefährlich oder ungenießbar ausgibt, kann andere Tiere in den meisten Fällen abschrecken, und wer sich als harmlos ausgibt, hat bessere Chancen beim Anlocken von Beute. Obwohl in dem Fall die Täuschungsmanöver nicht erlernt werden müssen wie die besten menschlichen Bluffs, haben sie das gleiche Ziel, nämlich sich einen Vorteil zu verschaffen. Insofern ist das Bluffen vielleicht auch den Menschen angeboren. Weit verbreitet genug ist es.

Beitragsbild: Marin Tulard auf Unsplash

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