Seit dem 22. August 2013 läuft die Verfilmung Feuchtgebiete des gleichnamigen Bestsellers in den deutschen Kinos. Zusammen mit unseren Kollegen von Filmtogo, Cellurizon, CinemaForever und Wewantmedia hatten wir die Möglichkeit unsere brennendsten Fragen an Feuchtgebiete-Autorin Charlotte Roche und Regisseur David Wnendt loszuwerden.
Welche Antworten wir erhielten, könnt ihr nun nachlesen:
Charlotte Roche:
Filmtogo.net: Hast du dir damals beim Schreiben des Buches das Ganze schon so bildlich vorstellen können, dass es in deinem Kopf quasi schon ein Film war?
Beim Schreiben nicht. Da habe ich mir nur manchmal gedacht: „Oh mein Gott, wenn das veröffentlicht wird.“ Ich kam mir sehr mutig vor. Die Gedanken und das Lachen darüber, dass daraus ein Film werden könnte, kamen erst auf der Lesetour. Ich habe eine Stunde vorgelesen und eine Stunde Fragen beantwortet. Dazu gehörte auch ein Sketch mit dem ich mir ausgemalt habe, wie das Casting für den Film aussehen würde. Alle Schauspielerinnen würden da dann nackt und vornübergebeugt in einer Reihe stehen, weil es ja ein Poloch-Casting geben müsste. Das schönste Poloch bekommt die Rolle. Daran sieht man, dass ich keine Ahnung vom Filmemachen habe. Ich habe mir den Film auch insgesamt viel ekliger vorgestellt und hatte sowieso keine Ahnung, wie sie das überhaupt hätten machen wollen. 80 Prozent in einem Krankenzimmer und die ganze Zeit ein riesiges entzündetes Poloch auf großer Leinwand? Das ist kein guter Film. Auf Dauer langweilig.
Cellurizon.de: Du bezeichnest das Buch ja in weiten Teilen als autobiographisch, gab es da Überlegungen, selbst die Hauptrolle im Film zu übernehmen und (abgesehen vom mal ganz uncharmant erwähnten Altersunterschied zur Protagonistin) was hat dagegen gesprochen?
Ja. Ich hätte das alles gemacht, aber es wäre sehr schlecht gespielt gewesen. Und das wäre ja schade. Außerdem bin ich ja viel zu alt. Mein Körper ist der einer 35jährigen Mutter, die gestillt hat.
Wewantmedia.de: Waren Sie überrascht vom unglaublichen Erfolg des Romans, oder hatten Sie durch die (bewusste/gezielte?) inhaltliche Provokation schon damit gerechnet?
Ich war total überrascht und überfordert. Damit hätte ich niemals gerechnet! Mein damaliger Verlag DuMont im übrigen auch nicht, was ja die kleine Startauflage von 30.000 Exemplaren auch beweist…
myofb.de: Wie zufrieden sind Sie mit der Besetzung von Carla Juri und erkennen Sie sich in ihrer Darstellung der Helen Memel wieder?
Total! Mir war ja vorher schon klar, der Film steht und fällt mit der Hauptdarstellerin. Und Carla Juri ist einfach so gut. Sie spielt das so toll, diese Nacktheit, dieses natürliche Nacktsein. Sie ist so unglaublich unschuldig, aber auch total schön und super sexy in der Rolle. Ich finde, dass meine ganzen schlimmen Themen, die ich in dem Buch habe, viel leichter auszuhalten sind, weil Carla es macht. Meine Helen Memel im Buch, die ist härter, krasser, kaputter und auch hässlicher. Und Carla macht es jetzt nicht glatt oder langweilig, aber sie macht alles schöner und man kann die Figur im Film viel leichter lieben als im Buch.
Cinemaforever.blog.de: Inwieweit konntest du Einfluss auf den Entstehungsprozess von „Feuchtgebiete“ nehmen und warst du vielleicht mal im Gespräch, selbst die Rolle der Helen zu verkörpern?
Ich habe nicht an dem Film mitgearbeitet, das haben die alles alleine gemacht. Aber denen war wichtig, dass ich bestimmte Schritte weiß. So das ich überhaupt noch dran glaube, dass da irgendwann ein fertiger Film draus wird.
Es war eine große Leistung von mir, loszulassen. Ich bin voll der Kontroll-Heini. Beim Film wusste ich aber nun von lauter Leuten aus der Filmbranche, wie lächerlich sie Autoren finden, die die Rechte verkaufen, aber dann nicht loslassen. Film-Menschen können ja ihr Fach im Idealfall. Und sie hassen es, wenn dann ein Autor am Set rumturnt und sich als der bessere Schauspieler, Regisseur oder Produzent aufspielt. Und ich wollte einfach nicht, dass Film-Leute solche Gags über mich machen: „Oh, die Alte hat so genervt …“
Die Helen hätte ich gerne gespielt, aber das wäre sehr schlecht für den Film gewesen: ich bin viel zu schlecht und außerdem habe ich den Körper einer 35jährigen Mutter, die gestillt hat.
David Wnendt:
Filmtogo.net: In „Kriegerin“ hast du bereits mit einer starken weiblichen Figur gearbeitet, jetzt in Feuchtgebiete wieder. Magst du solche Protagonistinnen oder ist das eher Zufall?
Starke Frauenfiguren finde ich spannend – keine Frage. Aber ich bin jetzt nicht darauf spezialisiert. In meinen ersten Kurzfilmen gibt es eigentlich immer eine männliche Hauptfigur.
Ich plane jetzt auch nicht unbedingt im nächsten Film wieder eine Frau ins Zentrum zu rücken. Wenn mir allerdings ein guter Stoff angeboten wird, in dem das so ist, schließe ich es aber auch nicht aus.
Cellurizon.de: Dem Buch haftete ja seinerzeit der „Skandal“-Begriff an. Wirkt sich das als Regisseur auf die Wahrnehmung des Stoffes aus? Wie bewusst ist man sich des möglichen Tabubruchs oder geht es einfach darum, der literarischen Quelle gerecht zu werden und nicht ihren Ruf zu bedienen?
Viele der Reaktionen in den Medien und auch in den Kommentarspalten des Internets sind sehr heftig wenn es um „Feuchtgebiete“ geht. Meistens sind diese Reaktionen aber völlig losgelöst vom tatsächlichen Inhalt. Da wird der Untergang des Abendlandes von Leuten ausgerufen, die weder das Buch gelesen noch den Film gesehen haben. Das ist ziemlich bizarr und sagt mehr über diese Leute aus, als über Feuchtgebiete.
Bei der Umsetzung ging es mir nicht darum, dem Buch noch eins draufzusetzen oder noch krasser zu sein. Der Film ist nicht prüde, aber ich wollte zeigen, dass es im Buch nicht nur um Ekel und Porno geht. Da steckt so viel Humor drin, so eine schillernde, sich jeder endgültigen Interpretation entziehende Hauptfigur, so viele Beobachtungen und kluge Gedanken, wo auch ich mich wiedererkenne. Diesen Reichtum des Buches wollte ich im Film zeigen und nicht es auf einen vermeintlichen Skandal reduzieren.
Wewantmedia.de: Was reizte Sie nach der sehr ernsten, vielschichtigen Handlung von „Kriegerin“ an der Thematik des inhaltlich völlig anderen Projekts „Feuchtgebiete“?
Klar, die Themen scheinen unterschiedlich, doch es gibt Gemeinsamkeiten. Bei beiden Filmen steht eine rebellische weibliche Hauptfigur im Vordergrund. Beide Figuren sind vielschichtig und widersprüchlich. Beide stark aber auch verletzlich. Das macht sie (hoffentlich) für den Zuschauer spannend und genauso für mich als Autor und Regisseur.
myofb.de: Wie eng haben sie während der Dreharbeiten den Kontakt zu Autorin Charlotte Roche gehalten?“
Charlotte hat am Anfang eine ganz wichtige Entscheidung getroffen. Statt wie bei Bestsellern üblich an den Höchstbietenden zu verkaufen, hat sie sich einen Produzenten ausgesucht, der nicht das meiste Geld hat, aber dessen Filme sie schätzt. Das gab es bei deutschen Bestsellern nur sehr selten, wenn überhaupt. Normalerweise gehen die Rechte alle an die großen Firmen.
Charlotte hat es ermöglicht, dass in diesem Fall ein unabhängiger Produzent diesen Roman umsetzen kann.
Danach hat sich Charlotte aber konsequent rausgehalten. Sie wollte den fertigen Film dann als ganz normale Zuschauerin sehen und erleben.
Cinemaforever.blog.de: Mit „Kriegerin“ und „Feuchtgebiete“ hast du bisher zwei Filme komplett unterschiedlicher Genres abgeliefert. Wirst du auch in Zukunft keinem Genre treu bleiben und können wir vielleicht bald mal einen Horrorfilm von dir erwarten?
Es macht mir großen Spaß in unterschiedlichen Genres zu arbeiten. Und ich wünsche mir, dass wir da auch in Deutschland eine größere Vielfalt erreichen können. SciFi, Thriller und Fantasy würden mich persönlich aber mehr reizen als Horror.
Natürlich werden wir nie über die riesigen amerikanischen Budgets verfügen, aber es wäre toll, wenn man den Mangel an Geld durch Kreativität und einen eigenen Weg ausgleichen könnte.
Im Bereich SciFi muss es ja gar nicht „Transformers“ sein, aber zum Beispiel etwas kammerspielartiges , intelligentes wie „Moon“ oder „Dark Star“ – why the hell not?
Sie experimentiert beim Masturbieren gern mit Gemüse. Körperhygiene ist ihrer Ansicht nach weit überschätzt. Sie provoziert ihre Umwelt, indem sie ganz unmädchenhaft ausspricht, was andere nicht einmal zu denken wagen: Das ist Helen Memel!
Helen (Carla Juri) ist eine Herausforderung für ihre geschiedenen Eltern – und wünscht sich doch nichts sehnlicher, als eine wiedervereinte Familie. Geborgenheit findet sie nur bei ihrer Freundin und Blutsschwester Corinna, mit der sie kein gesellschaftliches Tabu auslässt.
Als Helen sich eines Tages bei einer missglückten Intimrasur verletzt, muss sie ins Krankenhaus. Dort ist sie nicht nur für Chefarzt Prof. Notz ein ungewöhnlicher Fall. Ihr ungestümer Witz und ihre Wahrhaftigkeit machen sie zu einer Sensation im ganzen Krankenhaus. Helen wittert die Chance, ihre Eltern am Krankenbett wieder zu vereinen und findet in ihrem Pfleger Robin einen Verbündeten, dem sie dabei gehörig den Kopf verdreht…
Trailer: