„Bioshock Infinite“: Ein Videospiel mit Hollywood-Budget

Ein Hollywood-Blockbuster, der ohne großes Aufregen einen dreistelligen Millionenbetrag verschlingt, ist schon seit einigen Jahren kein Novum mehr und gehört mittlerweile zum Alltag der Filmindustrie. Doch auch die Videospielwelt entwickelt sich rasend schnell und Budgets im hohen zweistelligen Millionenbereich sind zum Standard geworden. Ein Vertreter dieser Kategorie ist Bioshock Infinite, der den Rahmen sogar noch einmal sprengt.

„Booker, hast du Angst vor Gott?“ – „Nein, aber vor Dir.“ Mit diesen gleichzeitig so viel, wie auch nichtssagenden Worten beginnt der neuste Shooter von Entwickler Irrational Games namens Bioshock Infinite, der schon seit längerer Zeit von der Spielergemeinde sehnsüchtigst erwartet wurde.

Angeblich mehr als 200 Mio. Dollar soll das Projekt in seiner mehrjährigen Entwicklungszeit verschlungen haben. Die brennende Frage liegt auf der Hand: Hat sich das viele Geld gelohnt? Und ist Irrational Games das Kunststück gelungen, die beiden bereits herausragenden Vorgängerspiele noch zu übertreffen?

Story:

Anfangs ein paar einleitende Worte zur Geschichte von Bioshock Infinite, die ungewöhnlicher und innovativer wohl nicht sein könnte: Als Booker de Witt, erfolgloser Privatdetektiv, verschuldet und innerlich zerbrochen, wird der Spieler mit der Mission beauftragt, eine junge Frau aus der Wolkenstadt Columbia zu befreien.

Die Frau, Elizabeth, soll übernatürliche Kräfte besitzen und in der fliegenden Festung seit ihrer Geburt gefangen gehalten werden. Im Spielverlauf entwickeln sich Booker und die junge Frau zu einem unschlagbaren Team, unter anderem wegen Elizabeths Fähigkeit, sogenannte Risse zu öffnen, die Zugang in Parallelwelten ermöglichen. Eine regelrechte Hetzjagd quer durch die Wolkenstadt beginnt, die stets mit allerlei Ungewöhnlichem auftrumpft, sei es ein riesiger Stahlvogel, der alles kurz und klein haut, oder George Washington und Thomas Jefferson als Roboter mit Megawummen.

Weiterhin findet eine Verknüpfung von philosophischen und religiösen Themen sowie realen historischen Bezügen zu Ereignissen, wie dem Boxeraufstand von 1899, statt und bewegt sich damit auf für Computer- und Konsolenspiele eher ungewöhnlichem Terrain, zumal auch sensiblere Themen wie Rassismus und kapitalistische Ausbeutung in der amerikanischen Gesellschaft verstärkt thematisiert werden.

Gameplay:

Wer bereits die früheren Teile der Bioshock-Reihe gespielt haben sollte, wird sich in Bioshock Infinite schnell zurechtfinden. Benutzeroberfläche und Spielmechanik ähneln den Vorgängern sehr, was jedoch überhaupt nicht schlecht ist. Ganz im Gegenteil sogar, war die Bedienung doch damals bereits ausgereift, ja nahezu fehlerlos.

Booker selbst lässt sich bei Kämpfen in der Wolkenstadt immer sehr genau steuern, nie hat man das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Zwar funktioniert dies auch mit einem Gamepad gut, aber die Kombination von Maus und Tastatur auf dem PC ist nach wie vor die um Längen bessere Lösung gegenüber der Konsolensteuerung. Stellenweise überkommt einem in den mitunter nicht-linearen Levelabschnitten gar der Sammeltrieb, den man aus zahlreichen Rollenspielen kennt. Überall findet der Spieler Geld, Ausrüstungsteile – die spezielle Boni wie etwa kurzzeitige Unverwundbarkeit mit sich bringen –, Medipacks oder Schild aufladende Tränke sowie Spezialkräfte.

Letztere nehmen einen wichtigen Punkt im Spiel ein und sind Schlüsselfähigkeiten in den Kämpfen: Vom Windstoß über Blitze bis hin zu Krähenangriffen ist alles dabei. Das einzige Grundproblem des Spiels ist der zu leichte Schwierigkeitsgrad, was sich unglücklicherweise durch das ganze Spiel zieht. Obwohl Booker im Kampf durch seinen Schutzschild und die viele Gesundheit so schon ziemlich vital ist, versorgt ihn Elizabeth zusätzlich noch mit Medipacks und Munition. Auch Geldmangel ist ein Fremdwort, wodurch sich der Spieler eigentlich zu jeder Zeit alles kaufen kann, was er will.

Der großartigen Atmosphäre tut das keinen Abbruch, bewirkt jedoch, dass man bereits nach rund zehn Stunden den Abspann über den Bildschirm flimmern sieht. Generell ist es zwar für ein PC- oder Videospiel besser, sich lieber kurz und knackig als künstlich in die Länge gestreckt zu präsentieren, für 50 Euro eine Spielzeit von nur wenigen Stunden einzutauschen ist letztendlich trotzdem eher dürftig.

Technik:

Technisches Grundgerüst für Bioshock Infinite ist die mittlerweile leicht angestaubte Unreal Engine 3. Stellenweise matschige Texturen, aber auch eine generelle Detailarmut bei den Figuren stoßen negativ auf. Blöd ist auch, dass die Levels weitaus kleiner als noch in der E3-Präsentation von vor zwei Jahren ausfallen. Die Skylines – sprich stählerne Bahnen, mit denen man sich mittels eines Greifhakens schnell durch die Spielareale bewegen kann – verlieren dadurch ihren Reiz.

Aber Irrational Games‘ neuer Spross hat auch seine Schokoladenseiten. Butterweiche Animationen der Spielfiguren, grandiose Licht- und Schatteneffekte sowie eine enorme Weitsicht beeindrucken. Besonders das Leveldesign überzeugt durch seine vielen Verwinklungen und abwechslungsreichen Spielareale. In Sachen Sound kann sich das Spiel ebenfalls sehen lassen: Während der Gefechte kracht und scheppert es gewaltig. Ein großes Lob muss man 2K-Germany auch für die deutsche Vertonung aussprechen, denn diese ist schlichtweg grandios: Motivierte, prominente Sprecher wirken stets überzeugend und stellenweise sogar passender als die englischen Pendants.

Vor allem das direkte Einbeziehen des Spielers in die Handlung wirkt sehr innovativ; Booker hat eigene Motive, Stärken, Schwächen und bringt diese zutage. Auch die zeitgenössische Musik der 1910’er Jahre erzeugt wie bereits bei den Vorgängern in Kombination mit auf antiquiert getrimmten Plakaten und authentischer Architektur der vielen Bauwerke enorm viel Atmosphäre.

Fazit:

Bioshock Infinite ist das Meisterwerk, was alle erwartet haben. Ein herausragendes, innovatives Szenario, surreale Elemente, eine tiefgründige, stets aufs Neue überraschende Story, gute Grafik und eine superbe Vertonung sorgen für ein intensives, zehnstündiges Spielerlebnis, was den Spieler Columbia so schnell nicht wieder vergessen lassen wird.

Kleiner Tipp am Rande: Am besten gleich mit dem Schwierigkeitsgrad Schwer beginnen, da das Spiel dann deutlich fordernder wird und den Spaß in ungeahnte Höhen treibt.

Getestet für den PC; Bereits erhältlich;
ca. 40 Euro für den PC / ca. 48 Euro für PS3 oder Xbox 360
Publisher: 2K Games