Nachdem der südkoreanische Regisseur Chang-dong Lee im Jahr 2010 sein Werk Poetry veröffentlichte, wurde es stiller um den Filmschaffenden. 2018 meldete sich mehrfache Gewinner aus Cannes nun mit seinem neuesten Spielfilm Burning zurück, der vor allem von Kritikern hoch gelobt wurde und weltweit auf Filmfestspielen für Furore sorgte.
Als Vorlage des Drehbuchs dient bei Burning die Kurzgeschichte Scheunenabbrennen von Haruki Murakami aus dem Jahr 1983. Das kuriose hierbei: Chang-dong Lee kommentierte die Geschichte zunächst damit, dass in dieser eigentlich überhaupt nichts passiert. Doch gerade diese geheimnisvollen Lücken waren es, die er in seiner filmischen Adaption aufgreifen und als Spiegel unserer Gesellschaft nutzen wollte. Doch reicht dieser Ansatz aus, um 148 Minuten Geschichte zu erzählen?
Der junge Jongsu hat gerade sein Studium beendet und kehrt in sein altes Heimatdorf zurück. Kurz nach seiner Ankunft trifft er auf seine alte Schulkameradin Haemi, welche den ruhigen Jongsu zu einer gemeinsamen Nacht ausführt. Schnell erwachen in Jongsu starke Gefühle gegenüber Haemi und auch diese scheint alles andere als abgeneigt zu sein. Doch der Zeitpunkt des Treffens ist ungünstig – Haemi steht kurz vor einem lange geplanten Trip nach Afrika.
Und so beginnt für Jongsu, nach einer gemeinsamen Nacht mit seiner alten Freundin, eine sehnsüchtige Wartezeit. Als er Haemi endlich wieder am Flughafen abholt, muss er feststellen, dass diese nicht alleine aus Afrika zurückgekehrt ist. Auf der Reise hat sie den wohlhabenden und mysteriösen Ben kennengelernt, der von nun an nicht mehr von ihrer Seite weicht. Als Haemi eines Tages plötzlich spurlos verschwindet, stürzt die verzweifelte Suche nach ihr Jongsu in ein Labyrinth aus Misstrauen und Paranoia.
Chang-dong Lee versucht mit seinem neuesten Werk den Zeitgeist einer Generation auf Zelluloid zu bannen. Burning erzählt eine Geschichte der Wut und des Suchens. Während die Welt immer komplexer und rätselhafter wird, steigt die Jugendarbeitslosigkeit in Südkorea und Jongsu sowie Haemi gehören zu den Opfern dieser Entwicklung. Doch wollen sie überhaupt etwas gegen diese Fortentwicklung unternehmen?
Jongsu hat erfolgreich studiert und während sein Vater aufgrund seines Stolzes im Gefängnis sitzt, kümmert er sich um die ländliche Behausung. Sein Alltag setzt sich jedoch primär aus kleinen Arbeiten und den regelmäßigen Treffen mit Haemi zusammen. Der südkoreanische Star Ah-in Yoo übernimmt hierbei die Darstellung des ewig suchenden Jungen, der zu jeder Zeit überfordert und verloren wirkt.
Gerade durch Ben wird das Ungleichgewicht der Gesellschaft verstärkt verdeutlicht und ebenso entstehen viele Fragen; auf die wenigstens aber gibt Burning seinem Zuschauer eine direkte Antwort. Regisseur Chang-dong Lee spielt mit diesen Rätseln und präsentiert dem Publikum immer wieder Szenen, die zum nachdenken anregen sollen.
Was hat es mit der Katze von Haemi auf sich? Welche Bedeutung wird der Pantomime zugerechnet? Werden wirklich Gewächshäuser in der Gegend niedergebrannt? Und wie ist Ben mit all dem verbunden?
Der offene Fragenkatalog des Films ist lang und endlos. Doch immer wieder drängen sich giftige Männlichkeit, Konsumerismus, der Wert der Frau in Südkorea und das Aussterben der ländlichen Gebiete in den Vordergrund. Vielleicht steckt in dieser Masse der Themen aber auch ein Knackpunkt des Films, denn Burning wirkt wie seine Protagonisten selbst zu verworren und ziellos. Ein Meer aus Fragen ohne Antworten lässt einen als Zuschauer unbefriedigt und mit einem Gefühl der Ratlosigkeit zurück.
Und auch wenn dies die Absicht von Regisseur Chang-dong Lee zu sein scheint, ist es doch als Gesamtwerk so lückenhaft wie die Buchvorlage. Und so verbleibt Burning als mysteriöse Mischung aus Realität und Illusion, in welchem Wichtigkeit und Nichtigkeit kaum zu unterscheiden sind. Jedes gesprochene Wort kann eine Antwort auf eine elementare Frage sein oder lediglich inhaltloses Geschwafel. Am Ende muss doch jeder selbst beurteilen, welchen Themen und Worten er Beachtung schenkt und welche Botschaft er aus diesen zieht.
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