Oscar (Nathaniel Brown) lebt zusammen mit seiner jüngeren Schwester Linda (Paz de la Huerta), zu der er eine sehr intensive Beziehung führt, in der Millionenmetropole Tokio. Das Leben in dieser Welt hat seinen Preis und Linda arbeitet als Stripperin und lässt sich dabei immer wieder mit zwielichtigen Gesellen ein. Um die Wohnung zu bezahlen arbeitet Oscar, gegen den Willen seiner Schwester Linda und seines Freundes Alex (Cyril Roy), als Drogendealer. Damit Oscar sich seiner Geistlichkeit öffnet, schenkt ihm Alex ein tibetisches Totenbuch, welches ihn von seinem Drogenmissbrauch abbringen soll.
Als Oscar jedoch wieder allein in seiner Wohnung ist, greift er zu seinen Drogen und beginnt einen minutenlangen Rausch mit verschiedensten Halluzinationen. Erst das klingeln seines Handys lässt ihn aufschrecken und in die Normalität zurückkehren. Einer seiner Abnehmer, Victor, will sich mit ihm treffen. Kurze Zeit nach dem Anruf trifft auch Alex bei Oscar ein und gemeinsam machen sich beide auf den Weg. Dabei erklärt Alex Einzelheiten aus dem tibetischen Totenbuch: „der Geist einer toten Person versucht manchmal unter den Lebenden zu bleiben, bis diese von Alpträumen heimgesucht werden, danach beginnt die Reinkarnation.“
Immer noch berauscht von seinem Trip gelangt Oscar zu der Bar „The Void“, wo er sich mit Victor treffen will, um ihm die Drogen zu verkaufen. Alex beschließt während der Übergabe draußen zu warten. Oscar betritt allein den Laden und entdeckt einen beunruhigten Victor, der ihm nur entgegen murmelt: „Es tut mir Leid“. Augenblicke später stürmt die Polizei schreiend die Bar. Entgeistert rennt Oscar auf die Toilette, schließt sich ein und versucht seine Pillen in der Toilette herunter zu spülen. Als die Spülung jedoch nicht funktioniert, schreit er den Polizisten entgegen, dass er eine Waffe bei sich trägt und versucht sich so etwas Zeit zu verschaffen die Drogen in der Toilette zu vernichten. Doch die Polizei eröffnet daraufhin das Feuer und getroffen sackt Oscar auf den dreckigen Boden der Toilette. Sein Körper liegt im Sterben.
Oscars Geist verlässt seinen Körper, weigert sich jedoch die Welt der Lebenden zu verlassen. Eine verstörende Reise durch seine Vergangenheit und die Gegenwart beginnt.
Falls die folgenden Themen euch beunruhigen, raten wir euch von Enter the Void energisch ab:
Stroboskoplicht, Drogenkonsum, eine wackelige Handkamera, intensive Sexualität, Sperma, herumwirbelnde Kamerafahrten, psychedelische Bilder, Blut, Homosexualität, Abtreibung, Stillen oder ein entsetzlicher Autounfall.
Alle, die diese Inhalte verarbeiten können – Willkommen in der Leere. Nach dem Skandalfilm Irreversibel entführt uns der französische Regisseur Gaspar Noé nun in die Halbwelt von Tokio und attackiert 156 Minuten lang unsere Augen und Ohren mit grellen Farben und schrillen Tönen. Nach einem blinkenden Intro, bei dem schleunigst alle Namen der Crew über den Bildschirm flimmern, beginnt auch schon der Trip, welcher das Publikum quasi in den Film saugt. Im Fokus stehen die Geschwister Oscar und Linda, welche von den relativ unbekannten Schauspielern Nathaniel Brown und Paz de la Huerta (Boardwalk Empire) verkörpert werden. Besonders Letztere rückt nach dem Tod ihres Bruders aktiv in den Vordergrund.
Eingeteilt in drei Kapitel begibt sich der Zuschauer auf eine Reise durch das Nichts. Zu Beginn befinden wir uns in der Ego-Perspektive des Hauptcharakters Oscar und erleben mit ihm einen minutenlangen Rausch aus Farben und Formen. Danach begleiten wir Oscar auf einem seiner wichtigsten Lebenseinschnitte. Seinem Tod. Doch seine Seele verlässt die Erde nicht, sondern schwirrt über die Dächer der Stadt und begleitet seine Schwester Linda. Der Zuschauer erlebt diese intensive Reise durch eine Vogelperspektive und bekommt konfuse und beeindruckende Kamerafahrten zu Gesicht. Der Geist von Oscar bewegt sich jedoch nicht nur im Hier und Jetzt, sondern überwindet auch Raum und Zeit. Konfrontiert mit Ereignissen aus seiner Vergangenheit erlebt der Zuschauer die folgenreichen Augenblicke aus Ocars Kindheit und Jugend aus einer aus Computerspielen bekannten 3rd-Person Ansicht, also einer Position hinter dem Charakter. So blicken wir durchgehend auf den Hinterkopf des Jungen und verfolgen seine Vergangenheit als stiller Beobachter. Durch diese unterschiedlichen Erzählperspektiven hat das Publikum immer einen Anhaltspunkt um verstehen zu können, in welchem Stadium der Reise wir uns momentan befinden.
Doch trotz alledem werden sich viele Zuschauer in der Geschichte von Regisseur Gaspar Noé verlieren oder die Reise schon vor ihrem Ziel abbrechen, denn Enter the Voidbietet sehr viel, aber keine Unterhaltung für den gewöhnlichen Mainstream. Sicher ist, dass der Film polarisiert, seine Nische und treue Fangemeinde finden wird. Der Regisseur selbst beschrieb sein Werk mit den Worten:
„Der komplette Film ist ein Traum von jemanden der das tibetische Totenbuch gelesen hat und kurz vor seinem Tod sich an dieses erinnert. Es ist nicht die Geschichte von jemandem der stirbt und dann als Geist umherfliegt bis er wiedergeboren wird. Es ist die Geschichte von einer Person, welche auf einem Trip ist, angeschossen wird und eine Intonation seines eigenen Traums hat.“
Wer sich also auf einen bizarren Trip in das Reich der Sinne, vereint mit einer außerkörperlichen Erfahrung und so eine Seele auf ihrem Weg zur Reinkarnation begleiten möchte, derjenige wird mit Enter the Void ein einzigartiges Erlebnis feiern und ein knapp dreistündiges Werk mit verstörenden und verblüffenden Bilder erhalten, welche einem noch lange im Gedächtnis bleiben. Andere werden nach dem Ende nur über Kopfschmerzen klagen. Daher verzichten wir dieses Mal auf eine Bewertung und empfehlen jedem Leser, sich selbst ein Bild von Gaspar Noés Enter the Void zu gestalten, denn um einen Film anhand von filmischen Maßstäben zu bewerten, muss er erstmal einer sein. Enter the Void hingegen ist ein Trip und da muss jeder für sich selber entscheiden, ob es das Richtige für ihn ist.
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