Über dem Magic Castel Motel in Kissimmee, Florida, hängt die Sonne flirrend vom Himmel. Auf den ersten Blick scheint man hier in einer Eiscreme-Werbung gelandet zu sein. Die Welt dort in den Suburbs von Orlando ist in bonbonpink und himmelblau, in mintgrün und schreiendem Lila getüncht.
Das unbemerkte Leben in Florida
Anders aber als in Orlando, wo konsumistische Märchenträume im Disneyland ihre Entsprechung finden, blättert in Kissimmee, wo man dieser märchenhaften Ästhetik vor Jahren nacheifern wollte, die Farbe von den Wänden.
Das Magic Castle Motel ist eines der Motels, die im Umkreis von Disneyland für Touristen gebaut wurden, die nach der Rezession 2008 aber ausblieben.
Letzte Zuflucht: Magic Castle Motel
Nun bevölkert ein anderes Klientel die zu mietenden Zimmer, in denen mittlerweile der Putz von den Wänden bröckelt. Motels, die in Roadmovies oft der Wind der romantischen Absteige umweht, haben in den USA noch eine ganz andere Tradition.
Für viele, die durchs soziale Netz gefallen und in prekäre Situationen geraten sind, dienen sie als letzter Zufluchtsort vor der Obdachlosigkeit. Der jüngste Film von Sean Baker (Tangerine L.A.) The Florida Project erzählt die Geschichte der 6-jährigen Moonee, die mit ihrer viel zu jungen Mutter Halley in besagtem Motel gestrandet ist, in dem Menschen sich kurz vor ihrem totalen Absturz nochmal ans Leben krallen.
The Florida Projekt ist dabei weder klassische Milieustudie, noch bedeutungsschweres Arthouse Kino. Vielmehr ist es ein Film, der zeigt wie sich kindliche Unbedarftheit noch den schwierigsten Bedingungen widersetzt. Man sieht hier niemandem von oben herab beim Scheitern zu. Die Hauptfigur und Star des Films, eine vor Energie strotzende 6-jährige, ließe das gar nicht zu.
Sie streunert unter Nichtbeaufsichtigung ihrer völlig überforderten Mutter mit ihren gleichaltrigen Freunden durch das Viertel. Gemeinsam verkehren sie das schlichtweg Prekäre zum Abenteuerspielplatz und erkunden die Welt, in die sie geworfen wurden.
Ein einzigartiger Blick auf die Armut
Im Gegensatz zu ihren Eltern, sind die sich selbst überlassenen Kinder noch nicht befangen von der sozialen Realität, in der sie aufwachsen. Davon lebt der Film, der hier nicht denunziatorisch einfängt, was gemeinhin „White Trash“ genannt wird, sondern sich seinen Charakteren liebevoll nähert.
Zu Schlucken hat man als Zuschauer trotzdem. Natürlich weiß man was das Leben der schwierigen Verhältnisse noch für die jungen Abenteurer bereit halten wird. Und Vielleicht steckt auch in der infantilen Naivität, mit der die Kinder durch die unwirtschaftliche Welt vor den Toren des für sie unerreichbaren Disneylands gehen, eine Ahnung dessen.
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