Baby Driver (2017) | Filmkritik

Baby Driver

Für längere, kreative Pausen zwischen seinen Filmen ist der britische Regisseur Edgar Wright ja eigentlich bekannt. Zwischen den ersten beiden Ablegern der Cornetto-Trilogie Shaun of the Dead (2004) und Hot Fuzz (2007) lagen bereits stolze drei Jahre. Trotzdem wirkt es nach dem Regie-Debakel rund um Ant-Man (2015), als hätte man seit Ewigkeiten nichts mehr von dem talentierten Filmemacher gehört. Zusätzlich galt The World’s End (2013) für einige Zuschauer als verhältnismäßig schwaches Werk des Regisseurs. Mit Baby Driver (2017) zeigt sich Wright nun aber nicht nur zurück auf der großen Leinwand, sondern beweist auch dass er noch ein paar Asse im Ärmel hat.

Baby (Ansel Elgort) ist eigentlich ein recht unscheinbarer Typ. Immer in seiner eigenen kleinen Welt, ist der junge Musikfetischist eigentlich nur mit Kopfhörern im Ohr unterwegs. Doch hinter der unschuldigen Fassade steckt ein waschechter Gangster, der es faustdick hinter den Ohren hat. Baby arbeitet für den Ganoven Doc (Kevin Spacey), der sich im Untergrund mit seiner perfekten Planung für Überfälle jeder Art etabliert hat. Ziel, Komplizen und Plan der Überfälle variieren jedes mal, nur ein Faktor bleibt immer gleich: Baby.

© Sony Pictures

Er ist der beste Fluchtfahrer, den selbst der erfahrene Schurke je gesehen hat und behält auch bei brenzligen Situationen einen kühlen Kopf. Doch eigentlich ist das Gangster-Leben nichts für Baby, und dass er sich auch noch Hals über Kopf in die hübsche Kellnerin Debora (Lily James) verliebt, macht die Situation nicht leichter. Er will eigentlich nur frei sein. Doch dafür muss er noch einen letzten Job für Doc erledigen!

Rasant und Schlag auf Schlag geht es in dem neuesten Werk von Edgar Wright zu. Keine großen Vorreden, kein Geplänkel! Es ist klar, wer auf welcher Seite steht, wer welche Rolle in diesem Film erfüllt und genauso muss es sein. Dabei wird der Film aber nie simpel, sondern brilliert deutlich. Auch als perfekter Fluchtfahrer hat Baby diese Sorge im Auge. Der eigentlich eiskalte, kalkulierte Kleinganove weiß genau, dass diese Welt, in der er sich befindet, einfach gar nichts für ihn ist. Gleichzeitig ist er aber von dem komplett manischen Bats (Jamie Foxx) bis zu dem undurchsichtigen Buddy (Jon Hamm) von eiskalten Killern umzingelt, die alle nicht wissen, was sie wirklich von dem Jungspund halten sollen. Baby wird gehänselt, ausgefragt und kritisiert, bleibt aber trotzdem irgendwie immer abwesend. Er ist kein Gangster. Er macht einfach seinen Job.

Symbiose aus Action und Musik

Baby Driver ist kein einfacher Heist-Movie! Er ist auch kein klassischer Edgar Wright Film. Hier gibt es keine schnellen Cuts, britischen Humor oder Simon Pegg. Der Film funktioniert als eine perfekte Symbiose aus Action, Musik und Emotion und scheint an einigen Stellen sein eigenes Genre brillant neu zu definieren. Wright schrieb das Drehbuch angepasst an die Musik, die er jeder Szene unterlegt hat und das zeigt sich mit jeder Einstellung. Aufs perfide genau ist jede kleinste Bewegung und Aktion an die Musik abgestimmt. Das ist nicht nur spannend, sondern lässt den Zuschauer komplett mit Baby in einer Welt versinken, die dem Rhythmus in seinem Kopf folgt. Immer wieder verfällt er in Trance oder Traumsequenzen, dabei wird der Film aber aufgrund des jungen Pärchens von Baby und Debora nie zu kitschig. Beide sind mit ihrem Leben unzufrieden, beide sind blauäugig verliebt und beide wünschen sich nichts sehnlicher als ein Happy End!

© Sony Pictures

Der Cast von Baby Driver ist vielseitig und spannend. Mit Ansel Elgort (Das Schicksal ist ein mieser Verräter) ist der Hauptdarsteller ein recht unscheinbarer Typ und auch für viele Zuschauer ein eher unbeschriebenes Blatt. Schüchtern und zurückgezogen und trotzdem lässig cool spielt Elgort den Protagonisten so offensichtlich wie undurchsichtig. Seine Fähigkeiten am Auto werden nicht großartig ausgewalzt oder erklärt. Er kann einfach was er kann. Jon Hamm (Mad Men) und Kevin Spacey (American Beauty) zeigen sich gewohnt genial.

Spacey, der in Zeiten von Nine Lives (2017) seine Vielseitigkeit auf der großen Leinwand neu zu entdecken scheint, spielt den zwielichtigen Doc dann auch erfrischend selbstironisch und witzig. Hamm hingegen ist eine der faszinierendsten Rollen in Baby Driver, erlebt er mit Baby doch die meisten spannenden Erfahrungen und scheint der einzige Bankräuber, der den jungen Fahrer in Schutz nimmt. Absolut genial und perfekt bleibt aber Jamie Foxx (Django Unchained). Mit einer unfassbaren Bildschirmpräsenz und seiner Angst einflößenden, manischen Art klaut Foxx absolut jede Szene, in der er sich befindet. Mit einer schrillen, witzigen und gleichzeitig brutal kompromisslosen Art fällt er selbst zwischen den Killern noch auf; unberechenbar und immer für einen lustigen aber markerschütternden Spruch zu haben.

Musik als Basis jeder Szene

Edgar Wright hat keinen eigenen Stil. Er hat aber scheinbar ein Auge für Ideen, die funktionieren und hat keine Angst sich selbst neu zu erfinden. Baby Driver ist nicht einfach ein neuer, witziger Film des britischen Regisseurs, sondern eher ein Experiment, das schon so oft versucht wurde aber nie geklappt hat. Versuchte zuletzt noch Suicide Squad (2016) immer einen Song in jede Szene zu pressen, auf Biegen und Brechen jede Szene mit einem Lied einzuleiten und abzuschließen, um das dämliche Skript zu überspielen, so schafft es Baby Driver die Musik nicht nur als Beigeschmack einer Szene, sondern als Basis für alles was in ihr passiert zu präsentieren. Das ist schwer, das ist neu, das ist genial!

© Sony Pictures

Filme wie Der blutige Pfad Gottes (1999) hatten ähnliche Experimente versucht aber sind zum Schluss an den Kosten der Songs gescheitert. Wright hingegen schrieb jede Szene, jeden Ablauf angepasst auf einen Song in seinem Kopf und nicht andersherum. Alles was passiert, passiert mit der Musik, die der Szene unterliegt. Jeder Schuss und jede Explosion in einer Schießerei. Der fegende Hausmeister im Hintergrund einer Szene. Absolut alles fällt auf den Song in Babys Kopf zurück. Diese Mischung aus Realität und Fiktion durch die Verschmelzung anhand von Musik ist so erfrischend neu, dass man einfach nicht weggucken kann und sich ab und zu auch einfach mal dabei erwischt, wie man im Sitz mit der Musik nickt. In Zeiten der Prequels, Sequels, Reboots und Riesen-Franchises ist es also vielleicht gar nicht so schade, dass Edgar Wright nicht mit in die große Marvel Maschine gefallen ist. Wenn uns der Brite weiterhin mit so verdammt coolen, neuen Ideen beliefern kann, darf er dem großen Comicfilm-Markt auch gerne weiter fernbleiben!

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