The Danish Girl (2015) | Filmkritik

The Danish Girl

Wenn man einen der in Hollywood begehrten Oscars gewinnen will, hat es sich etabliert, starke Charaktere zu verkörpern. Personen, welche im Auge der Gesellschaft anders sind und durch ihre Darstellung der Allgemeinheit eine andere Perspektive bieten. Transgender ist so ein Gebiet, welches, auf Grund seiner sexualpolitischen Brisanz, bereits in der Vergangenheit Darstellern zu einem Goldjungen verhalf. So gelungen beispielsweise Hilary Swank in Boys Don’t Cry (1999) oder Jared Leto in Dallas Buyers Club (2013).

Dieses Klischee mag vielleicht etwas hart klingen, aber leider zeigt die Vergangenheit nun einmal, dass dies Schauspielern einen gewissen Bonus im Rennen um die begehrte Auszeichnung verschafft. Und so liegt es nicht nur am Hauptdarsteller, sondern besonders an Drehbuch und Regie, neben einem mitreißenden Schicksal, ein Werk zu schaffen, welches besonders die Allgemeinheit von sich überzeugen kann und konventionelle Haltungen umwirft.

Tom Hooper, welcher mit dem umwerfenden Werk The King’s Speech bereits 2010 zu überzeugen wusste und durch seine meisterhafte Leistung als Regisseur sowohl Hauptdarsteller Colin Firth, in der Rolle des britischen Königs Georg VI., zum Oscar verhalft, als auch die Preise in den Kategorien bester Film, beste Regie und bestes Originaldrehbuch mit nach Hause nehmen durfte, übernimmt hier das Kommando. 2012 wiederholte er diese Leistung mit der Verfilmung des Musicals Les Misérables und konnte erneut drei Oscars einheimsen. Wer könnte also besser für einen brisanten Transgender-Film geeignet sein?

Der bekannte, dänische Landschaftsmaler und Illustrator Einar Wegener (Eddie Redmayne) führt in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, zusammen mit seiner Frau und Malerin Gerda Wegener (Alicia Vikander), ein bewegtes Künstlerleben in Kopenhagen. Als Gerda unter Zeitdruck gerät ein Werk fertigzustellen und ihr Model verhindert ist, springt Einar als weibliches Model ein. Dieser imitiert beim Porträtieren eine Frau so perfekt, dass Gerda tief beeindruckt der gespielten Person den Namen Lili gibt.

Das Bild erlangt Berühmtheit und Gerda scheint ihre Muse gefunden zu haben. Sie zeichnet weitere Portraits ihres verkleideten Mannes, doch ahnt nicht, dass ihr Mann zunehmend Sympathie für seine weibliche Seite entwickelt und insgeheim den Entschluss fasst, endgültig Frau sein zu wollen. Doch während die androgyne Frau als Gemäldemotiv universell fasziniert, wird Lili von diversen Ärzten als schizophren, homosexuell, abnormal und krank eingestuft.

Damit Lili Akzeptanz erfährt, möchte sie sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Ein Eingriff, welcher nahezu unerprobt und äußerst riskant ist. Aber dennoch wagt Einar den Schritt und wird Anfang der 1930er Jahre zu einem der ersten Transsexuellen, die sich einer solchen Operation unterzieht.

The Danish Girl ist ein ergreifendes Werk über eine Frau, welche sich im Körper eines Mannes gefangen fühlt und diese Lüge schon viel zu lange lebt. Von der Gesellschaft erzogen, dieses Gefühl als abnormal zu empfinden und zu verheimlichen. Das Filmdrama basiert dabei auf der gleichnamigen Biografie des US-amerikanischen Autors David Ebershoff über die intersexuelle Malerin Lili Elbe. Die Biografie beruht zwar in ihren Stützen auf dem wahren Leben Lilis, ist aber in vielerlei Hinsicht ein imaginäres Werk.

So ist zum Beispiel die Gefühlswelt eine fiktive und auch die auftretenden Charaktere sind meist erdacht. Drehbuchautorin Lucinda Coxon und Regisseur Tom Hooper bringen, im Gegensatz zur grundlegenden Biographie, die wenigen bekannten Aspekte aus Lilis Leben im Film unter. So trägt beispielsweise Einars Frau den korrekten, historischen Namen.

In diese schwierige Rolle der Malerin Lili Elbe tritt der britischer Schauspieler Eddie Redmayne, welcher für seine Darbietung als Stephen Hawking in Die Entdeckung der Unendlichkeit (Originaltitel: The Theory of Everything) zahlreiche Auszeichnungen erhielt, unter anderem den Oscar. Dabei musste Tom Hooper schon früh Kritik für diese Wahl einstecken, da sich viele Personen beschwerten, dass ein cisgender Mann die Rolle einer transgender Persönlichkeit spielt.

Redmayne merkt man sein Talent in jeder einzelnen Szene an. Unterstützt von einem großartigen Bühnenbild und zeitgenössischen Kostümen kauft man ihm die intersexuelle Malerin Lili Elbe ab. Besonderes Augenmerk legte der Darsteller dabei auf die Bewegung der Hände, welche auch häufig in den Fokus eine Szene geraten. Redmayne meinte, dass er den Zwiespalt seines Charakters so zu untermauern versuchte. Sobald er jedoch versucht seinen Charakter über Gefühle und Äußerungen zu charakterisieren merkt man, ob nun wegen der wagen Überlieferungen oder anderer Gründe, dass Eddie Redmayne keine Erfahrung als Transgender hat. Man kauft es ihm einfach nicht ab. Ein perfekter Mime reicht nun einmal nicht aus, um so eine komplexen Charakter zu spielen. Die Verkörperung ist nun einmal mehr, als Gestik und Mimik. Redmayne liefert aber trotzdem eine herausragende Leistung ab, erhält aber entweder von Tom Hooper zu viel Freiraum in seiner Interpretation oder zu wenige Anweisungen.

Die aus Schweden stammende Schauspielerin Alicia Vikander, welche 2015 mit den Filmen Ex Machina und Codename U.N.C.L.E. ein regelrechtes Ausrufezeichen in Hollywood setzte, verkörpert die Ehefrau Gerda. Im Gegensatz zu dem gewollt steifen und gefühllosem Auftritt in Ex Machina sehen wir hier eine Darbietung, welche vor Emotionen platzt. Aber auch einen Charakter, welcher eine innere Zerrissenheit lebt und trotzdem eine Stärke beweist, wie sie nur selten zu bestaunen ist. Vikander liefert an der Seite von Redmayne eine famose Leistung ab und überrascht mit ihrem Charme und Ausdruck.

Unterstützt wird das Ehepaar von dem deutschen Darsteller Sebastian Koch, welcher in den letzten Jahren immer häufiger in Hollywood zu sehen war und 2015 neben einem Auftritt an der Seite von Tom Hanks in Bridge of Spies – Der Unterhändler auch eine tragende Rolle in der Erfolgsserie Homeland innehatte. Koch spielt den deutschen Arzt Kurt Warnekros, welcher die Geschlechtsangleichende Operation durchführt. Amber Heard überzeugt in ihrer Rolle als Gerdas beste Freundin Oola Paulson und Ben Whishaw, welcher Q in den James Bond Filmen mit Daniel Craig darstellt, als Einar Stütze in seinen frühen Momenten als Lili. Aber auch Matthias Schoenaerts darf als Kindheitsfreund Einars sein können unter Beweis stellen und bietet in der Rolle des Hans Axgil dem Ehepaar und insbesondere Gerda seine Hilfe an.

Doch trotz dieser herausragenden, schauspielerischen Leistungen, schafft es The Danish Girl leider nicht, konventionelle Brücken zu zerreißen. Tom Hooper spult sein Werk dafür zu sehr in gewohnten Bahnen ab, traut sich vielleicht zu wenig oder verlässt sich zu sehr auf seine Darsteller, Bühnenbild und Kostüm. Da hilft es dem Biopic auch nicht, dass man seinem Hauptdarsteller die Rolle als Transgender nicht in allen Belangen abkauft und The Danish Girl zu einem Schaulaufen schauspielerischen Könnens verkommt.

Regie: Tom Hooper
Drehbuch: Lucinda Coxon
Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Eddie Redmayne, Alicia Vikander, Matthias Schoenaerts, Ben Whishaw, Sebastian Koch, Amber Heard

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