50 Personen, ein Kreis und jede Menge Diplomatie. Der Kreis (Originaltitel: Circle) ist eine Mischung aus Sci-Fi und Horrorfilm der etwas anderen Art.
50 unbekannte Charaktere erwachen in einem finsteren Raum, in wessen Mitte sich ein Kreis und eine Maschine befinden.
Wer überlebt den Kreis?
Wer flieht oder eine andere Person berührt, verstößt gegen die Regeln und stirbt. Zusätzlich tötet die Maschine jedoch alle zwei Minuten eine weitere Person und bald stellt sich heraus, dass es sich hier nicht um einen Zufall handelt. Die Personen entscheiden selbst, wer als nächstes von ihnen gehen muss.
Mit einem simplen Konzept aber dennoch komplexen Wendungen spielt der Film immer wieder mit dem Zuschauer und der Frage: „Wer hat das Recht zu überleben?“
Der Kreis erklärt schnell was der Zuschauer von dem Film zu erwarten hat. Statt einer komplexen Charakterstruktur werden die Personen meist auf ihr Aussehen oder ihr Verhalten reduziert. Die schwangere Frau, der Wall Street-Banker, der Polizist und sogar der illegal eingewanderte Mexikaner sind von der Partie. Sie alle spielen immer wieder mit den Eindrücken des Zuschauers. Wie weit dürfen wir einen Charakter auf sein Äußeres reduzieren und wie viel ist ein Menschenleben wirklich wert?
Wer lebt, wer stirbt?
Schnell sind die Regeln des Spiels erklärt. Es kristallisieren sich erste Drahtzieher und Amateur-Politiker heraus, welche die Lage besser im Griff zu haben scheinen. Pläne werden entwickelt, um mehr Zeit zu schaffen, Opfer werden bestimmt und freiwillige Hingabe ersucht. Doch schnell kommt es zu Diskrepanzen über die Diskussion wer über Leben und Tod der anderen Personen entscheiden darf und wer sich selbst durch seine Aussagen zur nächsten Zielscheibe macht.
Rassistische Aussagen, plötzlich ans Licht kommende Hintergrundgeschichten und Intrigen dezimieren die Gruppe immer mehr, als sich weiter herauskristallisiert wer tatsächlich alles tun würde, um sein eigenes Leben zu sichern.
Ganz im Stile des Klassikers Die zwölf Geschworenen (1957) zeigt Der Kreis mit kleinem Budget und nahezu ausschließlich unbekannten Schauspielern, wie komplex ein Kammerspiel mit so wenig Substanz doch sein kann. Einzig Julie Benz (Dexter) sticht etwas aus dem unbekannten Cast heraus, aber auch viele der neuen Gesichter überzeugen in ihren Rollen. Einen festen Protagonisten oder Antagonisten gibt es im Grunde nicht und dennoch wird nicht mit Gewalt oder einer verstörenden Atmosphäre, wie beispielsweise in Cube (1997) gespielt, sondern vielmehr interpretiert der Film das Spiel um Leben und Tod als politisches Poker mit Parteien und Strategien.
Kleines Budget, viele Tote
Gruppen bilden sich, Pläne werden geschmiedet und scheinbare Freunde werden hintergangen, um das eigene Überleben zu sichern und der Film erinnert dabei ein wenig an die japanische Manga-Adaption Gantz – Die ultimative Antwort (2011). Letztendlich wird es ein wenig kompliziert der Geschichte oder den Wahlen zu folgen, da die Abstimmung nur für eine Person wirklich sichtbar, den restlichen Akteuren gegenüber jedoch anonym bleibt.
Die Kommunikation durch Augenkontakt und Gesten, um zu verdeutlichen auf welche Person schlussendlich die Wahl gefallen ist, funktioniert so nur mehr oder weniger. Es kommt allerdings etwa genauso oft zu klar vorherzusehenden Wahlen, wie zu überraschenden Wendungen.
Doch obwohl die Charaktere einen starken Punkt des Filmes ausmachen, so erfahren diese häufig keinerlei Entwicklung. Zu oft treten Personen aus dem Hintergrund, nur um sich kurz darauf als Opfer der folgenden Runde zu entpuppen. Fast so wie bei der kultigen TV Serie Star Trek: Raumschiff Enterprise, in welcher neue Charaktere meist nur eingeführt wurden, um im Anschluss im Laufe der Folge ins Gras zu beißen.
Auch die Reduzierung einiger Personen auf rassistische Vorurteile scheint weit hergeholt und wirkt häufig aufgezwungen, um schlussendlich nur wieder eine weitere Person aus dem Kreis zu entfernen und Laufzeit abzuarbeiten.
Doch schlimmer als Antagonisten, die ohne Exposition in der Geschichte erscheinen sind die häufig aus dem Nichts entwickelten Sympathieträger. Zwar entwickeln sich zum Ende des Filmes klare Gruppen und Helden, doch kann dies nicht über die wahllose Entfernung einiger Charaktere hinwegtäuschen, die anschließend in ihren Charakterzügen in den nächsten Handelnden kopiert werden, um die Sympathie des Zuschauers schnell wieder einzufangen.
Doch all die Dinge, die Der Kreis nicht besonders gut gelingen, können genauso als Interpretation erkannt werden. Manche Helden treten erst in den Vordergrund, wenn sie sich gerufen fühlen oder ihre Rolle nicht mehr besetzt sehen. Sympathie rettet nicht in einem Spiel, in welchem am Ende doch jeder für sich selbst denken muss. Und früher oder später öffnet sich der Abgrund in uns allen, wenn es ums nackte Überleben geht.
Psychothriller mit schwachem Ende
Das Spielfilmdebüt für die Regisseure Aaron Hann und Mario Miscione funktioniert trotz seiner Budgeteingrenzungen wunderbar. Das Spiel ist simpel und rasant, die Motive des Kreises bleiben durchgehend im Dunkeln und dennoch fragt sich der Zuschauer nie, in welchem Universum er sich befindet. Das Sounddesign und der simple Look erzählen dem Beobachter genau so viel wie er wissen muss und kein Stück mehr. Das Ende ist dann jedoch eine herbe Enttäuschung. Da wäre etwas weniger doch mehr gewesen.
Wer sich aber schlussendlich auf das Spiel einlassen will und sich von vielen unerfahrenen, aber motivierten Laienschauspielern und flachen Dialogen nicht abschrecken lässt, für den ist dieser Psychothriller auf Netflix definitiv einen Blick wert.
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