Dallas Buyers Club (2013) | Filmkritik

Es gibt zwei Arten von Hollywood-Filmen, die ernsthaft einen Oscar anstreben: AIDS-Dramen wie einst Philadelphia und Filme, in denen die Hauptdarsteller körperlich bis zum Äußersten gehen, wie The Machinist, in dem sich Akteur Christian Bale bis zum dürren Hungerhaken fastete.

Die Oscar-Formel

Dallas Buyers Club vereint diese beiden Tugenden in einem packenden, unterhaltenden und sehr nachdenklichen Film, in dem es nicht nur um AIDS und seinen tödlichen Krankheitsverlauf geht. Hier wird der Fokus auch auf die gesellschaftlichen Vorurteile gegenüber Homosexuellen und besonders – und das ist neu – auf die finsteren Machenschaften der Pharmaindustrie gelegt.

© Ascot Elite Entertainment

Ob Dallas Byers Club dabei in die Kategorie „Nicht noch ein AIDS- Drama“ fällt, oder tatsächlich das bewegende Kinoerlebnis mit Seele ist, welches zum Nachdenken anregt und emotional fesseln kann, wollen wir nun erläutern.

Alles beginnt in Dallas des Jahres 1985. Der Rodeo-Cowboy Ron Woodroof (Matthew McConaughy) lässt es wahrlich krachen! Sein Leben besteht aus Rodeo, Drogen und Frauen. Das ein solcher Lebenswandel nicht gesund sein kann, wird dem chauvinistischen Südstaatler erst klar, als er nach einem Betriebsunfall in der Notaufnahme landet.

AIDS im Endstadium

Die Diagnose ebenso niederschmetternd, wie überraschend. „Sie haben AIDS im Endstadium und haben nur noch 30 Tage zu leben.“

Für Ron beginnt die Phase der Verleugnung. „Einen Woodroof bringt nichts in 30 Tagen um!“, tönt er laut und randaliert frustriert im Krankenzimmer. Nach ein paar Flüchen, die nicht für Kinderohren gedacht sind, beginnt Phase zwei seines Überlebensplanes: Tatendrang! So findet sich der Redneck im Lesesaal der örtlichen Bibliothek wieder und befasst sich erstmals richtig mit seiner Krankheit.

Schon keimt so etwas wie Hoffnung auf. Ein Medikament verspricht die Lösung zu sein. Doch nur wer für eine Testgruppe des Krankenhauses ausgesucht wird, kommt an die womöglich rettende Arznei. Schnell stellt sich heraus, dass die legalen Medikamente nicht die Wirkung erzielen, die auf der Packung versprochen werden und für die Versuchskaninchen die Nebenwirkungen der Chemiecocktails noch gefährlicher zu sein scheinen, als die heimtückische Krankheit an sich.

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Für Woodroof steht fest, dass er in Mexiko nach besseren Alternativen suchen muss. Vitaminpräparate ohne schädliche Auswirkungen scheinen zu helfen, doch in den USA sind sie alles andere als legal. Es beginnt ein lustiges Schmuggeltreiben zwischen den Grenzen der Legalität. Doch es sind keine Drogen, es ist die Rettung für sterbenskranke Menschen, denen nicht die Zeit bleibt, um Jahre auf Testresultate von Forschungsgruppen zu warten.

Wo Licht ist, findet sich auch Schatten

Mit Hilfe von Transvestit Rayon (Jared Leto) baut sich Woodroof ein kleines Geschäft mit dem Verkauf von illegalen Medikamenten auf. Anfangs von Rayons Erscheinung angewidert entsteht doch im Laufe der Geschäftsbeziehungen etwas wie Respekt voreinander. Auch wenn die Weltanschauungen beider extrem auseinander driften.

Um den Handel etwas legaler erscheinen zu lassen, gründen Woodroof und Rayon den Dallas Buyers Club, wo man sterbenskranken Menschen keine Medikamente verkauft, sondern Mitgliedschaften. Für 400 Dollar pro Monat erhält jedes Clubmitglied so viel Medikamente, wie er benötigt.

Doch wo Licht ist, findet sich auch Schatten und der folgt in Form der Gesundheitsbehörde. Die steifen Bürokraten verstehen nämlich keinen Spaß mit dem Handel von illegalen Medikamenten und weiten den Konflikt mit dem kleinen Club zur regelrechten Hexenjagd aus. Schnell verzetteln sich die Inspektoren nämlich mit den illegalen Mitteln.

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Nicht nur, dass die Mittelchen keine schädlichen Nebenwirkungen haben, wie die herkömmlichen Heilmethoden, sie bringen tatsächlich eine nachweisliche Besserung. Selbst Dr. Eve Saks (Jennifer Garner), anfänglich skeptisch, sieht ein, wie wichtig es ist, neue, wirksame Heilmethoden schneller auf den Markt zu bringen, um das Sterben der Patienten zu verhindern. Doch kann sich ein Mann gegen die Regierung und die mächtigen Pharmakonzerne stellen, wenn ihn selbst die tödliche Krankheit langsam schwächt?

Es dürfte fraglich sein, ob es Matthew McConaughey (Sahara) unbedingt nötig hatte, seinen Bodymaßindex derart zu ruinieren, aber eine solche Hingabe für seine Rolle musste mit dem Oscar belohnt werden. Gleiches gilt für Jared Leto (Requiem for a Dream), dessen verzweifelter Kampf gegen das Sterben beeindruckend und erschütternd gut gespielt wird.

Besonders eingebrannt hat sich die Szene, als Rayon seinem Vater seine Krankheit gesteht- echte Gänsehaut!

Basierend auf einer wahren Geschichte

Regisseur Jean-Marc Vallée (C.R.A.Z.Y. – Verrücktes Leben) inszenierte diese auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte als Wechselbad der Gefühle. Kaum glaubt man, die Protagonisten hätten es aus der Krise geschafft, bricht die nächste Tragödie über sie herein.

Besonders der Wandel von Draufgänger Ron Woodroof ist nachvollziehbar, ehrlich und authentisch. Ohne unnötigen Kitsch bleiben sich die Charaktere treu und regen einen zum Nachdenken an, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu wedeln. In ernsten Szenen werden die Bilder eindringlich, die Kamera kommt näher und die Musik verstummt. Der Augenblick wird bis zur Unendlichkeit ausgedehnt.

McConaughey, sonst meistens an charmante Herzensbrecherrollen gebunden, spielt sich hier von all seinen Sonnenschein-Rollen frei und zeigt, wie intensiv sein Spiel mit den Emotionen sein kann, was sonst nur in Filmen wie Die Jury oder Herschafft des Feuers kurzzeitig aufblitzte. Wenn sich seine Augen mit Tränen zu füllen beginnen, weiß man, wie gut der Mime wirklich ist!

Großes Kino, mit kleinen Bildern

Auch größtes Lob gilt Jared Leto, der nicht nur zerbrechlich wirkt, sondern auch überzeugend zeigt, wie ein sonst lebenslustiger Mensch versucht, die tödliche Krankheit mit Make-Up und Perücke vor der Welt zu verbergen, bis es eben nicht mehr geht.

Wer keine Angst vor dem ernsten Hintergrund des Filmes hat und auch eine andere Sichtweise zur AIDS-Problematik erleben möchte, dem ist dieses Werk wärmstens ans Herz gelegt. Ein aufwühlender und doch leichter Streifen, der angesichts heutiger Popcornkinosünden à la Michael Bay zeigt, dass gutes Kino immer noch ohne 3D, Reboot, Remake und Sequel auskommt!

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Bildrechte: Ascot Elite Entertainment

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