Der Mittwoch hätte filmtechnisch nicht besser sein können. Los ging es mit zwei Spotlights:
In The Homesman spielt Hilary Schwank die fromme alleinstehende Mary Bee Cuddy, die einen folgenschweren Auftrag annimmt. Sie soll drei Frauen, die in der Einöde des Westens ihren Verstand verloren haben, zurück in die Zivilisation bringen. Als Unterstützung engagiert sie den zwielichtigen George Briggs (Tommy Lee Jones).
Ziel ihrer Reise ist ein Pfarrhaus in Iowa, wo die Frau eines Priesters sich bereit erklärt hat, die drei Frauen aufzunehmen. Die beiden ungleichen Reisenden müssen in den ungezähmten Weiten des neuen Landes eine Reihe von Gefahren überstehen.
Tommy Lee Jones steht nach The Good Old Boys (1995) und Three Burials (2005) erneut sowohl vor als auch hinter der Kamera und schafft mit The Homesman einen waschechten Western mit eben soviel Tragik wie Humor.
Meine Erwartungen von I Origins, dem diesjährigen Abschlussfilm des Filmfestivals, wurden mehr als erfüllt. Ian Gray (Michael Pitt) ist Molekularbiologie und spezialisiert auf die Erforschung des menschlichen Auges. Auf einer Kostümparty lernt er eine Frau kennen, die bis auf ihre Augen verhüllt ist. Diese faszinieren ihn so sehr, dass er sich auf die Suche macht. Schließlich findet er Sofi (Àstrid Bergès-Frisbey) und die beiden verlieben sich stürmisch. Jahre später machen er und seine Kollegin Karen (Brit Marling) eine Entdeckung, die für das Bild der Wissenschaft und der spirituellen Welt weitreichende Folgen hat.
Regisseur Mike Cahill hatte durch Schauspielerin Brit Marling, mit der sein erster Film Another Earth (2011) entstand, zum Film gefunden. Schon in diesem widmete er sich der dem Übernatürlichen. I Origins greift mit den Augen einen individuellen Teil des menschlichen Körpers heraus, der als Bindeglied zwischen Logik und Übersinnlichkeit grandios in Szene gesetzt wird. Der top besetzte Cast, Soundtrack und starke Bilder runden den Film zu einer einzigartigen Kinoerfahrung ab.
Zwischendurch begegnete mir Udo Kier in der Filmfestlounge. Der Mann, der die Titelseite des Filmfestkatalogs schmückt, wurde in München mit dem CineMerit Award für sein vielfältiges Lebenswerk ausgezeichnet. Der Film Arteholic ist eine Dokumentation über Udo Kiers Begegnung mit der modernen Kunst und feiert hier seine Weltpremiere. Kier ist uns vor allem durch die Darstellung von Bösewichten bekannt. Man sah ihn zuletzt in Nymph()maniac und Iron Sky.
Wieder in der Kategorie Neues deutschen Fernsehen zog es mich am Nachmittag zum deutschen Drama Ich will dich. Architektin Marie (Ina Weisse) ist glücklich verheiratet, hat zwei Kinder und Erfüllung im Job. Als ihr Jugendfreund Dom mit seiner Verlobten Ayla (Erika Marozsán) ins Nachbarhaus zieht, beginnt ihr scheinbares Glück zu bröckeln. Beide Frauen werden von der plötzlichen Anziehung zueinander überrascht und verlieben sich. Als die heimliche Affäre der beiden auffliegt, müssen sie sich entscheiden. Ist es ihnen Wert ihr altes Leben aufzugeben?
Auch wenn die Story, dass zwei Heterofrauen auf einmal homoerotische Gefühle entdecken, nichts neues und in diesem Fall ziemlich platt ist, profitiert die WDR-Produktion von ihrem starken Ensemble rund um Ina Weisse und hält mehr als einen Lacher parat. Regisseur Rainer Kaufmann und sein Filmteam waren anwesend. Kaufmann ist vor allem bekannt für Marias letzte Reise (2004), für die er den Adolf-Grimme-Preis Gold und den Deutschen und Bayrischen Fernsehpreis gewann und den Kinofilm Ein fliehendes Pferd (2006).
Auch Serien-Junkies kommen auf dem Münchner Filmfest auf ihre Kosten. Seit letztem Jahr werden im Programmpunk Special Screenings die besten aktuellen Serien präsentiert. Ich schaute mir im Double Feature die 1. und 2. Folgen der US-Serien Silicon Valley und Looking an.
In Silicon Valley leben die Computerfreaks Richard, Big Head, Gilfoyle und Dinesh mietfrei im Haus von Web-Millionär Erlich, der sich dafür 10% Beteiligung an ihren Projekten sichert. Sie bilden ein Team, das versucht ein erfolgreiches Startsup aufzubauen. Serienerfinder Mike Judge schöpf aus eigenen Erfahrungen, die er in den 80er Jahren der Branche gemacht hat. Auch nicht IT-affine Zuschauer können sich hier an guten Gags und tollen Ideen erfreuen.
Der aus England stammende Andrew Haigh hat mit Looking seine eigene Interpretation der schwulen Szene geschaffen, eine Dramedy über drei befreundete Männer und ihren alltäglichen Beziehungsstress. Patrick, Dom und Agustín leben und lieben in San Francisco und haben es mit der Karriere ebenso shcwer wie mit der Liebe. Ganz nett, aber hebt sich leider nicht von ähnlichen Homoserien wie z.B. Queer als Folk ab.
Weiterhin wurden die italienische Erfolgsserie Gomorrah und Peaky Blinders aus England gezeigt.
Der Abend endete spannend und nervenaufreibend mit dem US-Thriller The Harvest von John McNaughton (Wild Things), der ebenfalls nach München gekommen ist, um dem Publikum Fragen zu beantworten. Nach 12 Jahren führte er wieder Regie und liefert dieses wirklich toll gelungenen Psychothriller a la Hitchcock.
Inszeniert wird die schaurige Geschichte eines Paares (grandios verkörpert von Samantha Morton und Michael Shannon), das seinen kranken Sohn Andy (Charlie Tahan) von der Außenwelt isoliert. Als die junge Maryann (Natasha Calis) in die Nachbarschaft zieht und sich mit Andy anfreundet, droht dieses Konstrukt zu zerbrechen und schaurige Dinge kommen ans Tageslicht. Nervenkitzel vom Feinsten!