32. Filmfest München – Tag 5

Endlich zeigt sich auch mal die Sonne im schönen München. Anhand meiner Dienstagsauswahl reiste ich heute mit fünf Filmen über den ganzen Globus und auch durch die Geschichte.

Der Tag begann mit dem französischen Spotlight-Drama Pour un femme. Im Frankreich der 80er Jahre möchte Anne (Sylvie Testud) ein Drehbuch inspiriert von der Biografie ihrer Familie schreiben. Rückblenden zeigen das Leben ihrer Eltern Michel und Lena im Lyon der Nachkriegsjahre, wo die Ankunft von Michels vermeintlich im Krieg gefallenen Bruders ihr Leben und auch ihre Gefühle durcheinanderbringt.

Regisseurin Diana Kurys ist Tochter russisch-jüdischer Immigranten und arbeitet hier mit viel Leidenschaft ein weiteres Kapitel ihrer bewegten Familiengeschichte auf. Gekonnt verbinden die weichen Bilder von Kameramann Gilles Herny die beiden Zeitebenen, zwischen denen die Erzählung fließend hin und herwechselt. Wieder dabei ist Melanie Thierry, die an der Seite von Benoît Magimel glänzt. Ein bewegendes Dokument über die Suche nach der eigenen Geschichte. Einfühlsam und mitreißend erzählt, fiel es mir schwer die ein oder andere Träne zu unterdrücken.

Ebenso dramatisch ging es mit Human Capital aus Italien weiter. In diesem hat sich Emporkömmling Dino Ossola in den Hedge-Fonds der Bernaschifamilie eingekauft. Seine Tochter Serena hat eine Beziehung zum Sohn der Bernaschis. Eine Nacht vor Heilig Abend, in der ein Fahrradfahrer von einem Jeep von der Straße gefegt wird, ist das Zentrum des Films, zu dem die Handlung immer wieder zurückkehrt.

Paolo Virzí erzählt in Rückblenden, wie das Schicksal beider Familien noch enger vernetzt wird. Die Story basiert auf dem Roman von Stephen Amidon und liefert einen intelligenten und spannenden Thriller über Liebe, Klassenunterschiede und das Streben nach Erfüllung. Mit dabei sind die italienischen Stars Valeria Golino und Valeria Bruni Tedeschi.

Einhörner führte mich in eine Fantasiewelt der amerikanischen Regisseurin Leah Meyerhoff. Protagonistin Davina (Natalia Dyer) spielt eine fiktive Version ihres jüngeren Ichs. Die kranke Mutter im Rollstuhl, um die sie sich im Film kümmern muss, hat Meyerhoff mit ihrer eigenen Mutter besetzt. Als sich Davina auf eine Beziehung zu einem älteren Jungen einlässt, muss sie erkennen, dass die Realität nicht der Traumvorstellung in ihrem Kopf entspricht und sie lernt auch die dunkle Seite der Liebe kennen.

Sie flieht in eine Fantasiewelt, in der es auch Einhörner gibt. Meyerhoff, die selbst vor Ort war um dem Publikum Fragen beantwortete, erzählte, dass sie eine natürliche und verletzliche Figur schaffen wollte, die Impulsen folgt, welche sie selbst noch nicht ganz versteht. So natürlich die reale Welt dargestellt ist, platzt die Fantasiewelt fast vor lauter kreativen Einfällen der Regisseurin.

Einhörner so wie auch der nächste Film Trap Street laufen in der Kategorie International Independents, die zwar in keinem Wettbewerb teilnehmen, jedoch Independentkino vom Feinsten bieten.

Und weiter ging es zur Primetime ans andere Ende der Welt. In Trap Street aus China zeigt Vivian Qu, dass die heutige Gesellschaft Chinas immer noch voller Geheimnisse und Paradoxien steckt. Der junge Li Qiuming (Lu Yulai) misst Straßennetzwerke chinesischer Großstädte aus. Beim Vermessen der mysteriösen Forest Lane mit dem Unternehmen Lab 203 lernt er eine attraktive Guan Lifen (He Wenchao) kennen und verliebt sich.

Doch als die Straße bald in allen Navigationssystemen unauffindbar ist, geht er den Ungereimtheiten auf den Grund und landet bald im Visir des Unternehmens. Vivian Qu stellt in Frage, ob sich die tief verankerte Mentalität der Vergangenheit wirklich geändert hat und präsentiert einen leider sehr realen Thriller über Liebe, Überwachung und Paranoia im heutigen China.

Und zum Schluss ging die Reise erneut nach Rio de Janeiro zu A Wolf at the Door, bei dem Produzent Caio Gullane anwesend war. In der Low-Bugnet Produktion verschwindet die sechsjährige Tochter von Bernardo (Milhem Cortaz) und Sylvia (Fabíola Nascimento). Die Ermittlungen der Polizei führen zur Geliebten des Vaters, Rosa (Leandra Leal). Hat sie aus Eifersucht die Tochter der Rivalin entführt?

A Wolf at the Door ist der erste Langfilm von Regisseur Fernando Coimbra, der schon zahlreiche, teils preisgekrönte Kurzfilme realisierte. Die Tragödie zeigt in Rückblenden, in welcher verstörenden Dreiecksbeziehung aus Liebe und Hass Bernardo, Rosa und Sylvia stecken. Der Fokus liegt hier ganz klar auf den intensiven Dialogen der Protagonisten, die ungeahnte Abgründe ans Tageslicht bringen. Niederschmetternd und bedrückend.

Umso mehr freue ich mich auf etwas heitere Storys am Mittwoch, wo wieder vier Filme und auch zwei neue Serin auf meinem Programm stehen.

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