32. Filmfest München – Tag 4

Auch zum Wochenstart will es einfach nicht aufhören mit dem Regen… in München herrscht also perfektes Kinowetter!

Wieder zufällig landete ich im CineVision Casa Grande or the Ballad of Poor Jean. Jean (Marcello Novaes) wächst in der gesellschaftlichen Elite der Strandvororte in Rio de Janeiro auf. Dazu gehören ein Chauffeur und Hausmädchen, bei denen er erotische Erlebnisse sucht. Sein Vater ist jedoch bankrott und kann den bürgerlichen Schein nur schwer aufrechterhalten. Das Lügengebilde bricht allmählich zusammen und mit ihm das Familienleben.

Regisseur Fellipe Gamarano Barbosa schildert, dass dies ein persönlicher Film sei, der seine eigene Jugend aufarbeitet. Jugendliche Laiendarsteller spielen hier an der Seite von Seifenopernstars. Ein durchaus runder Familienfilm, der mit vielen wirklichkeitsgetreuen Details, einer tollen Kulisse von Rio de Janeiro und gesellschaftskritischen Humor gespickt ist.

Und weil es so schön war, schaute ich mir im Kino Münchener Freiheit meinen Venedig-Favoriten Es-Stouh – Las Terrasses ein zweites Mal an. Fünf Geschichten, die an einem Tag und ausschließlich auf den Dächern von Algier spielen und sich im Rhythmus der fünf Gebete abspielen. Merzak Allouaches versucht die komplexe und aufgewühlte algerische Gesellschaft mit Hilfe einer Reihe von Charakteren zu präsentieren. Auch beim zweiten Mal schauen lässt meine Bewunderung für das Werk nicht nach und sollte es auf einem weiteren Filmfest laufen, kann ich einen Besuch nur empfehlen!

Tragikomisch ging das Filmfest für mich weiter. The Skeleton Twins ist ein Film über das Scheitern, aber auch Zusammenhalt und Hoffnung. Die Zwillinge Maggie (Kristen Wiig) und Milo (Bill Hader) wollen sich unabhängig voneinander zur gleichen Zeit das Leben nehmen. Jedoch finden die Zahnärztin aus New York und der schwule Schauspieler aus L.A. gerade noch zusammen, um die Vergangenheit aufzuarbeiten und die Gegenwart zu ändern. Die beiden Comedystars (Kristen Wiig sah man zuletzt in Das erstaunliche Leben des Walter Mitty) spielten schon in Saturday Nightlife zusammen ein entzückend tragikomisches Duo. Der Film löst einen Wechsel aus Lachen und Weinen aus und kann sich – wenn auch kein Meisterwerk – in die durchaus sehenswerten Tragikomödien einreihen, die einen verregneten Nachmittag verschönern.

Beide Filme laufen in der Kategorie „Spotlight“. In dieser finden sich weltweit bekannte Namen vor und hinter der Kamera und mit den verschiedensten Genres.

Am Ende des Tages sah ich mir den ersten Film aus der Kategorie Neues Deutsches Fernsehen an und hätte dafür keinen besseren Start haben können.

Das Ende der Geduld ist angelehnt an den gleichnamigen Roman von Kirsten Heisig, die im Juni 2010 Selbstmord beging. Sie ist Initiatorin des „Neuköllner Modells“ in der Strafverfolgung jugendlicher Täter, das bis heute Bestand hat. Stark und überzeugend spielt Martina Gedeck die Richterin, die nicht nur Fall für Fall abarbeiten und zuzusehen will, wie mehr und mehr problembeladene Jugendliche zu Kriminellen heranreifen. Mit festem Willen versucht sie Beweise für die Schuld der Jugendgang um Anführer Nazir zu sammeln und stößt dabei auf die Gang.

Beeindruckend übermittelt Gedeck den einsamen und aussichtslosen Kampf, an dem sie letztlich zerbricht und lässt den Zuschauer ernüchternd zurück, denn die Jugendkriminalität ist leider real. Wenn der Film im Oktober 2014 im TV ausgestrahlt wird, dann unbedingt anschauen.

TV-Regisseur Christian Wagner (Wallers letzter Gang) brachte im Anschluss nicht nur die Hauptdarsteller um Martina Gedeck und Jörg Hartmann ins Kino. Sein gesamtes Filmteam von den Beleuchtern bis zu den Statisten war anwesend und ließ sich beklatschen.

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