Der Sonntag hätte verregneter nicht sein können, also flüchtete ich mich gleich fünf Mal ins Kino.
Der erste Film des Tages war Matar a un Hombre, einer von 13 Filmen die in der Kategorie CineMasters laufen. Dieser und 12 andere aktuelle Spielfilme namhafter Regisseure treten im Wettbewerb um den besten internationalen Film an. Fünf Jahre lang wurde der ARRI Award vergeben, jetzt stiften ARRI und OSRA den mit 50.000 Euro dotierten Preis gemeinsam. Über den Gewinner entscheidet eine dreiköpfige Jury, bestehend aus Intishal al Timimi (künstlerischer Direktor des Abu Dhabi Film Festivals), Fatemeh Motamed Ayra (iranische Schauspielerin) und Mark Adams (Chefkritiker von Screen International).
Matar a un Hombre ist der dritte Langfilm von Alejandro Fernández Almendras und spielt in Chile. Er wurde beim diesjährigen Sundance Filmfestival mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet. Der Film nahm mich mit auf eine Reise voller Angst, Hoffnungslosigkeit und Wut. Für Jorge (Daniel Canadia) ist die einzig denkbare Lösung seine Familie zu beschützen, der Mord an einem Mann.
Nachdem Trailer hatte ich schon schlimmste Befürchtungen, aber trotz des schweren Themas ist der Film in ruhigen Bildern und gediegenem Tempo erzählt, ohne überspitze Brutalität. So wie sich der Held im Laufe der Handlung dem Gewicht der Tat bewusst wird, so bewegen wir uns auch als Zuschauer mit ihm und erachten zumindest seine Gedanken stets als nachvollziehbar. Hier zeigt der Regisseur einen schmalen Grat zwischen richtig und falsch und stellt in Frage, wie weit man gehen kann, um die Menschen zu beschützen, die man liebt…
Vom diesjährigen Cannesgewinner Le Meraviglie – Die Wunder erhoffte ich mir natürlich am meisten. Die Story handelt von einer Flucht aus der modernen Welt: Gelsomina (Alexandra Lungu) ist die älteste von vier Schwestern und wird einmal Erbin des Bienenzuchtimperiums, das ihr Vater um sie herum gebaut hat.
Doch dieser Sommer bringt Veränderungen: Zu einem ist es Martin ein Junge aus einem Resozialisierungsprogramm, der auf den Hof der Familie zieht und dann entschließt sich das idyllische Dorf an einem Fernsehwettbewerb teilzunehmen. Feinfühlig und bedacht erzählt Alice Rohrwacher, wie Regeln aufgebrochen werden und entführt uns in eine Welt weit weg von Konsumdenken oder typischen Teenager-Problemen. Den Entscheid für die goldene Palme kann ich aus persönlicher Sicht zwar nicht nachvollziehbar schildern, aber das World-Wide-Web wird sicher voll mit Kritiken dazu sein ;)
Dieser und auch der nachfolgende Film Young Ones laufen in der von Senator gesponserten Kategorie CineVision, dem Wettbewerb um den besten internationalen Nachwuchsfilm.
Hier werden vor allem Geschichten um Menschen mit Ausbruchsplänen portraitiert, Menschen auf der Flucht oder anderen widrigen Lebensumständen. Der mit 12.000 Euro dotierte CineVision Award wird in diesem Jahr zum 8. Mal vergeben.
Young Ones springt in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft, in eine ausgedörrte Landschaft in den USA, wo Wasser so viel Wert ist wie Geld. Regisseur Jake Paltrow (The Good Night), jüngster Bruder von Gwyneth Paltrow präsentiert seinen zweiten Spielfilm mit namhaftem Cast. Man of Steel-Star Michael Shannon spielt einen Familienvater, der seine Farm gegen Eindringlinge verteidigt und hofft, das Land wieder fruchtbar machen zu können. Dabei stehen ihm nicht nur die zunehmend kriminellen Bewohner des Staats im Wege, sondern auch der Verlobte (Nicholas Houldt) seiner Tochter Mary (Elle Fanning).
Ich habe viele Ähnlichkeiten zu der deutschen Produktion Hell (2011) feststellen können. Visuell ist der Film trotz geringen Budgets gelungen und unterhält durch die dreigeteilten Erzählabschnitte bis zum Schluss. Meiner Meinung nach geht dieser neben den anderen Zukunftsdystopien, in denen Wasser, Sprit, Kommunikation usw. ausgehen und die Hinterbliebenen ein Kampf um Leben und Tod führen, eher unter.
Am späten Nachmittag zog es mich in das Gebäude der Hochschule für Film und Fernsehen zum CineMaster-Film Still the Water.
Die preisgekrönte Naomi Kawase zeigt mit der japanisch-französischen Produktion einen poetischen Coming-of-Age-Film über den Kreislauf des Lebens. Vereint werden Themen wie die erste Liebe, der Verlust von Angehörigen sowie Entscheidungen, die das ganze Leben beeinflussen. In den meisten ihrer Filme setzte sich Kawase mit der Familie auseinander und verarbeitete eigene Erlebnisse. 2013 wurde sie in die Wettbewerbsjury der 66. Filmfestspiele von Cannes berufen.
Der tiefere Sinn, dass das Leben aus einer Symbiose von Liebe und Tod besteht, drang durch den Film zwar nicht bis zu mir durch, jedoch genoss ich die traumhafte Strandkulisse und eine entzückende Protagonistin Jun Yoshinaga.
Der letzte Film des Tages war ein Special Screening: Zu Ehren von Hollywood-Regisseur Walter Hill flimmern im Rahmen der Filmfestwoche zahlreiche seiner Werke auf den Leinwänden. So zog es mich in den apokalyptischen Großstadt-Western Straßen in Flammen ist (1984), indem Walter Hill hier Action-und Musikfilm verschmilzt. Der Streifen, in dem Willem Dafoe und Diana Lane mitwirken, war als erster Teil einer Trilogie geplant, floppte jedoch.
Deutlich mehr Erfolge erzielte Hill 1979 mit dem Science-Fiction-Meilenstein Alien. Seine Filme, darunter Nur 48 Stunden (1982), zeichnen sich durch viel Action, ein schnelles Erzähltempo und charakteristische (Anti)-Helden aus. Nicht umsonst nennt man Hill auch einen Verfechter des Buddy-Movies.
Am Donnerstagabend ist Walter Hill zu Gast in München und wird im Festival-Talk „Filmmakers Live“ vor Presse und Publikum über sein Lebenswerk sprechen.
Nach all dem Filmeschauen sehe ich schon ein bisschen verschwommen und nehme mir für den morgigen Tag wieder vier Filme vor und darf gespannt sein :)
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