Only Lovers Left Alive (2013) | Filmkritik

Only Lovers Left Alive

Adam (Tom Hiddleston) ist Rock-Musiker, Erfinder sowie Vampir und weilt schon seit Ewigkeiten auf der Erde. Er lebt verschanzt in einer Villa in einem Industriegebiet Detroits. Da er das Haus erst mit Anbruch der Dunkelheit verlassen kann, beschäftigt er sich tagsüber mit seinen Gitarren und tüftelt an verschiedensten Dingen. Von den Menschen hält er sich ohnehin lieber fern, weil er kaum ertragen kann, wie diese ihre Welt völlig sinnlos zugrunde richten.

Und so driftet er immer stärker in die Depression ab. Früher hat er inkognito Musik für Komponisten wie Franz Schubert komponiert. Jetzt spielt er im Heimstudio „Trauermusik“, langsamen, episch ausgedehnten Rock. Dann und wann gelangen ein paar seiner Stücke an die Öffentlichkeit, da sein Vertrauensmann Ian (Anton Yelchin) in der Musikbranche arbeitet und schon mal die eine oder andere von Adams Aufnahmen als Schallplatte pressen lässt.

Seine große Liebe Eve (Tilda Swinton) lebt Tausende von Kilometern entfernt. Sie liest klassische Weltliteratur in allen erdenklichen Sprachen und scheut ebenfalls die Menschen. Dank des Flaschenblutes ihres alten Freundes Christopher Marlowe (John Hurt) muss sie sich auch nicht mit ihnen abgeben.

Eve beginnt trotz großer Distanz den schwindenden Lebensmut ihres Geliebten zu spüren und begibt sich nach Detroit. Als sie dort angekommen ist, feiert das Paar zunächst seine Wiedervereinigung. Doch dann taucht plötzlich Eves Schwester Ava (Mia Wasikowska) bei ihnen auf und wirbelt das Dasein aller kräftig durcheinander.

Mit Only Lovers Left Alive hält die Dunkelheit wieder Einzug in die Kinosäle. In seinem neuesten Werk über die Welt der Untoten und Lichtscheuen zeigt Regisseur und Drehbuchautor Jim Jarmusch (Down by Law – Alles im Griff, Ghost Dog – Der Weg des Samurai), dass das Vampirfilmthema noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Only Lovers Left Alive lief im Mai 2013 auf den 66. Internationalen Filmfestspielen von Cannes im Wettbewerb. Jarmusch betritt damit genretechnisch Neuland und erzählt mit viel punktgenauem Witz und Ironie die Geschichte von zwei Blutsaugern, die sich in der Gegenwart fast zu Tode langweilen. Menschen gebissen haben sie zuletzt vor ein paar Jahrhunderten, denn wozu der Aufwand, es gibt doch Blutkonserven.

Mit Only Lovers Left Alive erscheint nach vier Jahren wieder ein Spielfilm des Independent-Regisseurs, in dem nach seinem vorherigen Film The Limits of Control (2009) erneut Tilda Swinton mitwirkt. Auch in Broken Flowers (2005) arbeitete sie bereits mit Jim Jarmusch zusammen. Die Dreharbeiten zu Only Lovers Left Alive fanden unter anderem in Detroit, Tanger, Hamburg und Köln statt.

Das ungewöhnliche Vampirpaar ist ein perfektes Beispiel dafür, dass Vampire einsame Zeitgenossen sind. Adam fristet sein Dasein verschanzt in seiner Detroiter Wohnung und hat mit dem Nicht-Leben, das er als Ex-Mensch führt, schon lange abgeschlossen. In Jahrhunderten oder Jahrtausenden hat er sich in seinem eigenen Museum der Musikinstrumente eingerichtet.

Mit Gattin Eve, mit der er seit einer halben Ewigkeit verheiratet ist, führt er eine Fernbeziehung und kommuniziert via Internet. Eve lebt im marokkanischen Tanger, wo sie sich in den verwinkelten und schummrig beleuchteten Gassen nach Sonnenuntergang aufmacht zu ihrem Vertrauten Christopher Marlowe, welcher im Film den wahren Verfasser von Shakespeares Werken darstellt.

Jarmusch lässt sich mit dem Erzählen seiner Geschichte viel Zeit. Auf Spannungsaufbau und rasante Actionszenen wartet man hier vergeblich. Der Vampirfilm als Genre liefert lediglich die Rahmenhandlung und gibt die Grundlage für schwarzen Humor und reichlich Situationskomik, die sich beispielsweise darin zeigt, wie das Getränk des Begehrens in Form von Blut-Eis am Stiel verzehrt wird.

Mit Vampiren wie man sie kennt haben Adam und Eve ansonsten nicht viel gemein. Sie besitzen keinerlei übernatürliche Fähigkeiten – auch als Vampir muss man ins Flugzeug steigen, um bei seinem Angebeteten anzukommen. Wenn die Protagonisten die Blutkonserven nicht genüsslich aus der Flasche oder aus dem Likörglas trinken, in Ekstase geraten und dabei ihre spitzen Zähne vorblitzen lassen würden, so könnte man sie auch einfach für extravagante Junkies halten. Die Untote Eve sucht ihren Freund Marlowe auf, da er ihr den sogenannten „good stuff“ besorgt, Adam hat einen Lieferanten im nahegelegenen Krankenhaus.

Ungewöhnlich für einen Vampirfilm ist auch, dass das Paar keiner direkten Bedrohung ausgesetzt ist. Keine anderen Fantasiefiguren oder Menschen mit Holzpflock wollen den beiden an den Kragen. Ihre einzige Sorge liegt in der Beschaffung von ausreichend Blutkonversen. Und auch auf Eves Schwester Ava (Mia Wasikowska), die als ungebetener Gast auftaucht, ist das Ehepaar nicht sonderlich gut zu sprechen. Diese bringt jedoch kurzerhand frischen Wind in die Handlung und wirbelt die Prinzipien der beiden mächtig durcheinander.

Only Lovers Left Alive thematisiert vor allem die Leidenschaft zur Musik. Jarmusch, der zu Beginn der achtziger Jahre Keyboarder und Sänger der New Yorker New-Wave-Band The Del-Byzanteens war, gibt seine eigene musikalische Note hinzu, denn die Musik Adams im Film wird von Jarmuschs eigener Band Sqürl beigesteuert. Wenn Eve ihren Adam zum Tanzen bringen möchte, legt diese eine B-Seite von Rockabilly-Ikone Charlie Feathers aus den fünfziger Jahren auf.

Und wenn Eve und Adam auch sonst nicht viel Interesse für die Gegenwart aufbringen können, so spielt neben der Musik auch der Stil eine entscheidende Rolle für die Nachtschwärmer. Alle Vampire sind elegant bis zum Umfallen gekleidet, cool bis in die Sonnenbrillen und tragen ihre Kostüme wie eine zweite Haut. Dass sich Gegensätze anziehen, zeigt sich nicht nur äußerlich anhand der platinblonden Eve im weißen Anzug und dem schwarzhaarigen Adam, der stets dunkel gekleidet ist. Ebenso in der Redeweise ergänzen sich die zwei, wenn Eve die meist abgebrühten und resignierenden Kommentare Adams mit messerscharfem Witz erwidert.

Jarmusch liefert mit seinem Film einen äußerst originellen Beitrag zum bereits vielfältig umgesetzten Vampirthema. Lässig und in aller Ruhe plätschert Only Lovers Left Alive vor sich hin, ohne zu langweilen. Allein die Coolness, die die Protagonisten beim nächtlichen Marsch durch die Straßen an den Tag legen, die Liebe in den Augen, wenn sie das Blut sinnlich verzehren oder der Hunger, wenn ihnen das Blut ausgeht, sind allemal amüsant und machen den Besuch ins Reich der Untoten lohnenswert.

Regie: Jim Jarmush
Drehbuch: Jim Jarmush
Musik: Jozef van Wissem
Darsteller: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, John Hurt, Anton Yelchin

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